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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Mehr als ein Teilerfolg - Arbeitszeitverkürzung gegen den Trend Kommentar von Winfried Wolf vom 15.01.2008 Natürlich wird es bei dem sich abzeichnenden endgültigen Tarifvertrag zwischen Deutscher Bahn AG und GDL noch die eine und andere Fußangel geben. Doch die Konturen der Einigung stehen fest. Nachdem Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee sein Kalenderblatt mit den wesentlichen Vereinbarungen und den Unterschriften von Hartmut Mehdorn und Manfred Schell in die Kameras hielt, können die Grundbestandteile der sich abzeichnenden Tarifvertrags kaum mehr in Frage gestellt werden. Danach erzielte die GDL mehr als einen Teilerfolg. Ihre drei wichtigsten Forderungen wurden durchgesetzt: Erstens gibt es einen weitgehend eigenständigen GDL-Tarifvertrag; zweitens liegt das erzielte Ergebnis rein quantitativ deutlich höher das dasjenige, das zuvor Transnet und GDBA erzielt hatten. (Es darf - wegen des Gegenrechnens bei bisher bezahlten Sonderleistungen - bezweifelt werden, dass es sich insgesamt um eine prozentuale Erhöhung im zweistelligen Bereich handelt. Doch auch wenn es nur acht bis neun Prozent sein sollten, so wird dieses rein quantitative Ergebnis, zusammen mit den 800 Euro Einmalzahlung, doch fast bei dem Doppelten dessen liegen, was Transnet und GDBA mit ihrem Kuschelkurs pro Bahnprivatisierung erzielt hatten). Drittens wurde eine Arbeitszeitverkürzung von 41 auf 40 Stunden bei vollem Lohnausgleich vereinbart, was umgerechnet gut zwei Prozent einer weiteren Lohnsteigerung darstellt. Vor allem das letztere ist hervorzuheben. In den letzten zwölf Jahren wurde der Trend zur Arbeitszeitverkürzung - den es in Westdeutschland seit den 1970er Jahren gab und der in den 1980er Jahren eine gewerkschaftliche "Duftmarke" darstellte - umgekehrt. Die Unternehmer konnten, trotz hoher und bis 2006 steigender Massenerwerbslosigkeit durchsetzen, dass die Arbeitszeiten sich wieder verlängerten und dass sich der Arbeitsstress weiter erhöhte. Beide Elemente stellen zusätzliche Beiträge zur Steigerung der Massenerwerbslosigkeit dar. Das Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen Bahnvorstand und GDL ist in diesem Punkt eine Wendemarke. Die Botschaft lautet: Es geht auch anders! Man kann auch zurück zur richtigen Forderung der Arbeitszeitverkürzung. Dabei ist zu bedenken: Lokführer sind rar. Dass ausgerechnet in diesem Bereich die Umkehr der unseligen Tendenz der Arbeitszeitverlängerung durchgesetzt werden konnte, unterstreicht zusätzlich die Einsicht: Der Kampf für die eigenen Interessen kann auch dann erfolgreich sein, wenn die Unternehmensführung sagt: "Das geht aus wirtschaftlichen Gründen nicht! Es gibt nicht genügend Lokführer!" Frau Suckale, Mitglied im Bahnvorstand und die Ex-Mobil-Managerin sagte: "Mit diesem Abschluss haben wir die Grenzen des wirtschaftlich Vertretbaren überschritten." Der Satz stempelt Frau Suckale zur Halbkriminellen. Sagt doch das Aktiengesetz, dass der Vorstand verpflichtet ist, sich an der Gewinnoptimierung zu orientieren und "die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden" (§ 93 Aktiengesetz). Wer "die Grenzen des wirtschaftlich Vertretbaren" überschreitet, verstößt offenkundig gegen diese Vorgaben. Im Grunde gab Frau Suckale zu Protokoll: Vorherrschend ist das Gesetz des Klassenkampfs und nicht das Aktiengesetz. Es gibt drei weitere positive Aspekte bei der sich abzeichnenden Einigung Bahn/GDL:
Soweit die - alles überwiegende - Positiv-Bilanz dieses absehbaren Abschlusses. Negativ ist zu festzuhalten: Die GDL hat sehr früh ihre Position aufgegeben, auch für das übrige fahrende Personal zu verhandeln und zu kämpfen. Der nunmehr eigenständige Tarifvertrag dürfte die Beschränkung der GDL auf die Lokführer festschreiben. Die GDL-Führung hat es in den letzten Wochen bewusst vermieden, die Auseinandersetzung in den Zusammenhang der Bahnprivatisierung zu stellen und somit den Konflikt zu politisieren - und die eigene Position zu stärken. In den letzten sechs Wochen, seit das Holding-Modell zur Bahnprivatisierung (die Trennung zwischen einer staatlichen Infrastruktur und einem privatisierten Bereich des Transports) aktuell wurde, ließ die GDL-Führung ein Ja zu dieser Teilprivatisierung der Bahn durchscheinen. Dabei wissen die führenden GDL-Leute nur zu genau, dass auch dieses Bahnprivatisierungsmodell zu einem massiven Abbau des Streckennetzes und der Bahnangebote führen muss - und dass damit die Zahl der Bahnbeschäftigten im allgemeinen und die Zahl der Lokführer im besonderen deutlich abgebaut werden wird. Schließlich sei jetzt, wo diese kollegiale Schelte kaum mehr schaden kann, angemerkt: Die Kommunikationspolitik der GDL nach außen und insbesondere ihre Zusammenarbeit mit denjenigen im gewerkschaftlichen Lager, die ihr wohlgesonnen sind und die Solidarität praktizieren, ließ deutlich zu wünschen übrig. Die erzwungene und belastende Isolation des Lokführers auf einen Arbeitskampf zu übertragen, ist deutlich suboptimal für das gewerkschaftliche Ziel und belastend für die wichtige Solidarität. Unterstellt, es gibt keine neuen dramatischen Schwenks, bleibt: Wir gratulieren! Wir freuen uns mit den Kolleginnen und Kollegen von der GDL. Der Lokführerstreik möge ein grünes Signal darstellen für weitere Erfolge der Lohnabhängigen und der Gewerkschaften. |