letzte Änderung am 09. Dez. 2002

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Offener Brief an den Transnet-Hauptvorstand und an alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner!

Die Initiative "Bahn von unten", die sich aus den Reihen kritischer Transnet-Betriebsräte und Vertrauensleute heraus gebildet hat, fordert den Transnet-Hauptvorstand auf, in seiner Sitzung am 9. und 10. Dezember 2002 den Tarifvertrag abzulehnen. Anstatt aus Prestigegründen den eingeschlagenen verhängnisvollen Weg weiter zu verfolgen, wäre es ein Zeichen von wahrer Stärke, die begangenen Fehler einzugestehen und eine Kurskorrektur vorzunehmen.

Viele Kolleginnen und Kollegen sind empört und entrüstet. Dieser Tarifvertrag bedeutet einen Dammbruch, der sich auf alle anderen Bahn-Bereiche auswirken und im Namen der Wettbewerbsfähigkeit noch viele andere tarifliche Errungenschaften gnadenlos wegspülen wird.

Die Erfahrung in vielen anderen Branchen zeigt: Lohnverzicht und Preisgabe tariflicher Errungenschaften haben doch letztlich nie Arbeitsplätze gesichert. Das DB-Management geht für die nächste Zeit selbst von einem weiteren Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen im DB-Konzern aus.

Bisher hat der Hauptvorstand weder die Basis umfassend und ohne Zeitdruck informiert noch die Kampfbereitschaft getestet. Anstatt nach dem Motto "Friss oder stirb" die Basis vor vollendete Tatsachen zu stellen, sollte der Hauptvorstand jetzt bundesweit die Mitglieder zu Versammlungen einladen und Kampfmaßnahmen zur Abwehr weiterer Verschlechterungen vorbereiten.

Der Ergänzungs-Tarifvertrag ist ein Akt vorauseilender Kapitulation und eine weitere Opfergabe auf dem Altar der Privatisierung und Börsenfähigkeit. Nach 10 Jahren des Rückschritts an allen Fronten stehen wir jetzt vor den Trümmern der Strategie des "konstruktiven Mitgestaltens" an der Privatisierung und Zerschlagung der Deutschen Bahn.

Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Es darf nicht wahr sein, dass jetzt europaweit Eisenbahner(innen) und Beschäftigte im öffentlichen Personennahverkehr streiken (Frankreich, Italien, Großbritannien) und die DB-Mitarbeiter(innen) sich widerstandslos wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen.

Dass auch in einer scheinbar aussichtslosen Situation und auch mitten in Deutschland Streiks gegen Tarifdumping im Nahverkehr möglich sind und Erfolge bringen können, zeigt der Streik der Busfahrer bei privaten Busgesellschaften in Hessen im Sommer 2002. Hier haben sich Kollegen, die zu miserablen Bedingungen auf öffentlichen Linien im Einsatz sind und dabei viel schlechter gestellt sind als die "alten" Fahrer der kommunalen Verkehrsbetriebe, in einem wochenlangen Streik Zugeständnisse erkämpft. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad lag anfänglich nahe Null und konnte hier durch den Kampf gewaltig gesteigert werden. Wer immer noch glaubt, deutsche Eisenbahner könnten oder wollten nicht streiken, sollte dringend mit den Zuständigen bei der Gewerkschaft ver.di in einen Erfahrungsaustausch treten.

Wenn der Transnet-Hauptvorstand nicht die Kraft zum Kurswechsel aufbringt und am 9./10. Dezember 2002 "in letzter Sekunde" die Notbremse tätigt, trägt er die Hauptverantwortung für weitere Mitgliederverluste und vertieft somit die Spaltung und Desorientierung der Eisenbahner. Dann wären weitere Niederlagen vorprogrammiert.

Daher:

Es rettet uns kein höheres Wesen! Kein Gott, kein Schill, kein Schell!

Wir appellieren an alle Eisenbahner(innen): Der Widerstand gegen den Ausverkauf unserer Interessen muß von unten kommen. Die Streiks in Frankreich zeigen: Letzten Endes können wir uns nur auf die eigene Kraft verlassen.

Ein Übertritt zur GDL bringt keine Lösung des Problems. Wer darin seine Rettung sucht, könnte jetzt leicht vom Regen in die Traufe geraten. Die GDL-Führung hat in den letzten Jahren absolut keinen Beitrag für eine kämpferische Interessenvertretung geleistet. Sie hat jeden tarifpolitischen Rückschritt bei der DB wie auch bei anderen Bahngesellschaften mitgetragen. Der GDL-Vorsitzende Schell hat als CDU-Bundestagsabgeordneter im Sommer 1994 selbst in namentlicher Abstimmung für die Privatisierung der Deutschen Bundespost gestimmt. Erkundigt Euch bei den Kolleg(inn)en von Post und Telekom doch mal nach den Folgen dieser Privatisierung, die mindestens so verheerend sind wie das was wir tagtäglich bei der Bahn erleben!

Wir brauchen keinen neuen Messias und dürfen die Vertretung unserer Interessen nicht einem Schill oder Schell überlassen. Wir brauchen selbstbewusste Kolleg(inn)en, die sich nichts mehr bieten lassen und ihren Gewerkschaftsapparat zum Kampf zwingen! Wir brauchen den Schulterschluss und gemeinsamen Kampf mit allen von Privatisierung und Tarifdumping betroffenen Kolleginnen und Kollegen anderer Branchen und Bereiche.

Wenn wir selbstbewusst unsere Interessen wahrnehmen, dann kann und wird es uns auch gelingen, die eigene Gewerkschaft Transnet umzukrempeln und auf eine kämpferische Linie zu bringen, die das gemeinsame Handeln aller betroffenen Eisenbahner unabhängig von der Organisationszugehörigkeit herausfordert!

 

So diskutiert beschlossen auf der jüngsten Arbeitssitzung der Initiative "Bahn von unten" Ende November 2002. Anwesend waren Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Regio, Reise&Touristik, Cargo, Netz und Station&Service.

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