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Updated: 18.12.2012 15:51
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»Tous ensemble«

Eisenbahner vorne dran – 20 000 auf Demo der ETF in Paris

EisenbahnerInnen aus zwölf Ländern der EU versammelten sich am 13. November 2008 an der Bastille in Paris und demonstrierten für eine öffentliche Bahn und gegen den laufenden Privatisierungsprozess mit allen seinen Folgen: zunehmende Gefährdung der Sicherheit der Bahnbeschäftigten wie der Nutzer, Lohndumping, Arbeitszeitverlängerung und prekäre Beschäftigung.

Vor einigen Monaten hatte die Bahn-Sektion der Europäischen Transportarbeiterföderation (ETF) beschlossen, am 13. November einen europäischen Aktionstag gegen die Privatisierung der Bahn in Europa zu veranstalten. Wenige Tage vor dem Demotermin zirkulierte plötzlich auch im Web und in der Bahn-Öffentlich-keit ein Info-Blatt der Gewerkschaft Transnet mit der Überschrift: »Schluss mit der Liberalisierung – wir demonstrieren in Paris«. In diesem Flugblatt weist die »Hansen«-Gewerkschaft wortradikal darauf hin, dass die Bilanz der Liberalisierungspolitik der Bahn negativ ausfällt und die kollektiven Rechte der Eisenbahner ausgehöhlt würden. Für eine ernsthafte Mobilisierung war es da allerdings zu knapp.

Im Vorfeld dieser Demonstration gab es Veranstaltungen und Treffen auf europäischer Ebene, zu der die Sud-Rail – die alternative Bahngewerkschaft aus Frankreich – eingeladen hatte. Teilgenommen an diesen Vorbereitungsveranstaltungen hatten vor allem alternative und Basisgewerkschaften aus Italien (CUB und ORSA), Spanien (SFF und CGT), dem Baskenland (LAB), aus Belgien und Großbritannien, Betriebskollektive wie die Eisenbahner der Officina aus Bellinzona in der Schweiz und S-Bahn-Kollegen der Berliner Gruppe »Transparenz für die Basis«. Auf einem Treffen im Oktober wurde dann auch ein Aufruf und ein kurzes Manifest erstellt und ein gemeinsames Plakat für die Demonstration entworfen.

Die großen etablierten Bahngewerkschaften in Europa, speziell in Italien, Spanien und in Deutschland, tragen den Privatisierungsprozess der Bahn weitgehend mit und unterstützen zum Teil, wie in Italien, Gesetze, die die Bewegungsfreiheit der BasisgewerkschafterInnnen wie spontane Streikbewegungen im Transportbereich einschränken sollen.

Dennoch zeigen gerade diese Bewegungen in Italien und Frankreich, wie mobilisierungsfähig die basisorientierten Gewerkschaften sind. Als am 17. Oktober in Italien die Basisgewerkschaften zu nationalen Streiks im Nah- und Fernverkehr aufriefen, kam in Mailand, Rom und anderen großen Städten Italiens der Verkehr zum Erliegen. Die ebenfalls demonstrierenden Schüler und Lehrer schlossen sich diesen Streikbewegungen an.

In Frankreich hatten die Lokführer bereits eine Woche vor dem 13. November gegen eine Verlängerung der Fahrtzeiten gestreikt, die aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit mit den privaten Anbietern eingeführt werden sollen. Aufgerufen dazu hatten die CGT und Sud-Rail. Ab dem 23. November wird dieser Streik wieder aufgenommen und fortgeführt, aber dieses Mal nicht zeitlich begrenzt, sondern als ein »grève reconductible«, also als Streik, über dessen Dauer die EisenbahnerInnen in ihren täglichen Vollversammlungen entscheiden und nicht mehr die Gewerkschaftsführungen. Genau in dieser Basisanbindung liegt auch der Unterschied zwischen den etablierten Gewerkschaften und den am 13. November an einer solchen internationalen Demonstration in Paris beteiligten Gewerkschaften und Kollektive.

Für die einen ist die europäische Ebene eine Möglichkeit, die kämpferischen Teile der Eisenbahner zusammenzubringen und sichtbar zu machen, dass es überall in Europa aktive Basisgewerkschaften gibt, die eine Alternative wollen zur Privatisierung der Bahn. Für einen anderen Teil der Gewerkschaften sind die auf europäischer Ebene organisierten Protestaktionen eine Show-Veranstaltung, die in großem Widerspruch steht zur realen Praxis in ihren jeweiligen Ländern. Dort sitzen nämlich dieselben Bahngewerkschaftsvertreter in enger Verbundenheit mit den jeweiligen nationalen Bahnunternehmen in den Vorständen und Aufsichtsräten und unterstützen den Privatisierungsprozess. Das ist uns aus Deutschland durch die Praxis der Transnet bekannt. Erfreulich ist jedoch aus deutscher Sicht, dass EisenbahnerInnen aus der Gruppe »Bahn von unten«, die in der Transnet organisiert sind, an dieser Demonstration teilgenommen haben. Sie sind auch in den Medien, z.B. auf Arte, zu Wort gekommen. Interessant war in diesem Zusammenhang, dass der ETF-Vertreter in seiner Rede die fortschreitende Gefährdung des Bahnverkehrs durch zunehmende Sparmaßnahmen erwähnte. Vor allem in Italien gibt es seit mehreren Jahren heftige Auseinandersetzungen um die Sicherheit des Bahnverkehrs, begleitet durch Entlassungen von Eisenbahnern, die Gefährdungspotentiale im Bahnverkehr an die Öffentlichkeit brachten. Es ist tatsächlich höchste Zeit, dass zwischen den Eisenbahnern eine direkte Kommunikation zustande kommt. Dafür hat die französische Sud-Rail seit einigen Jahren eine Koordinierungsfunktion übernommen und versucht, dieses entstandene Netzwerk zu aktivieren und zu erweitern. Ein anderer wichtiger Aktivposten des alternativen Bahnnetzwerks sind die Kollegen der englischen RMT (National Union of Rail, Maritime and Transport Workers), die im Gegensatz zur Sud-Rail auch im ETF Mitglied sind. Auf der Demonstration trat auch das Bündnis »rail for all« auf, das sich auf europäischer Ebene gegen die Privatisierung einsetzt. Das deutsche Netzwerk »Bahn für alle«, dem sich auch ver.di angeschlossen hat, ist Mitglied in diesem Bündnis, das auf dem Sozialforum in Malmö gegründet wurde.

Willi Hajek (www.tie-germany.org externer Link)

Erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 11/08


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