letzte Änderung am 27. November 2003

LabourNet Germany ARCHIV! Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Home -> Branchen -> Dienstleistungen -> Reinigungsgewerbe -> Respect Suchen

aus: ak 478
ak - analyse & kritik
Zeitung für linke Debatte und Praxis

"Wir wollen ein großes Recht"

Hausarbeiterinnen in Berlin verschaffen sich Gehör und fordern ein "Recht auf Rechte"

Das europäische Respect-Netzwerk (www.respect-netz.de) wurde 1997 ins Leben gerufen und umfasst Hausarbeiterinnen-, MigrantInnen- und Unterstützungsorganisationen aus acht EU-Staaten (Großbritannien, Belgien, Frankreich, Holland, Italien, Spanien, Griechenland und Deutschland). Im Frühjahr 2000 wurde in Berlin das Respect-Netzwerk Deutschland gegründet.

Denise Catalan (Name geändert) aus Chile, 23 Jahre, lebt seit einigen Jahren in Deutschland. Sie ist Hausarbeiterin in Berlin und engagiert sich seit eineinhalb Jahren bei Respect. Während des ver.di-Bundeskongresses Ende Oktober in Berlin machte das Netzwerk auf die Situation von Hausarbeiterinnen aufmerksam. Respect ist Teil der Gesellschaft für Legalisierung (www.rechtauflegalisierung.de), der u.a. Kanak Attak, die Brandenburger Flüchtlingsinitiative, elexir-A und der Polnische Sozialrat angehören. Mit Catalan sprach Anke Schwarzer.

 

ak: Was sind die wichtigsten Ziele des Respect-Netzwerks?

Denise Catalan: Der Kernpunkt ist, dass wir Rechte fordern für Frauen, die im Privathaushalt arbeiten: Das Recht auf ein Gehalt am Monatsende und das Recht, frei von Machtmissbrauch zu arbeiten. Im Prinzip geht es uns um ein Recht auf Rechte. Außerdem wollen wir als normale Arbeiterinnen gesehen werden und nicht als Illegale, Papierlose oder Einwanderinnen.

Wie will Respect diese Ziele erreichen?

Die Methode, unsere Ziele durchzusetzen, besteht vor allem darin, Öffentlichkeit herzustellen. Wir berichten davon, wie die Rechte von Papierlosen in Deutschland missachtet werden, sei es im Arbeitsleben oder auch in anderen Bereichen. Deshalb nimmt Respect auch an der Legalisierungsoffensive teil. Hier in Berlin engagieren sich ein Dutzend Frauen bei Respect.

In der Debatte um bezahlte Hausarbeit tauchen immer wieder Vorschläge auf, die Arbeitsverhältnisse stärker zu regulieren, beispielsweise mit einer Green Card, Dienstleistungspools oder Gutscheinen. Wie steht Respect dazu?

Wir wollen kein kleines Recht, sondern wir wollen ein großes Recht. Insofern ist die Green Card, die gebunden an einen festen Arbeitsplatz und begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum ist, nicht tragbar. Das ist zu wenig. Wir fordern das Recht, hier ganz normal arbeiten und all das tun zu dürfen, was deutsche Staatsbürger auch tun.

Viele Frauen identifizieren sich nicht mit der Tätigkeit als Putzkraft und verschweigen ihren Job. Manche haben auch wegen ihrer Pendelmigration wenig Zeit, sich zu organisieren. Wo liegen die größten Hürden für eine Organisierung und eine Artikulation gemeinsamer Interessen und Forderungen?

Es gibt auf der einen Seite die schlechten Lebenssituationen, die eine schnelle Lösung für die einzelne Hausarbeiterin erfordern, zum Beispiel, wenn eine Frau die Wohnung verliert, wenn ihr der Lohn nicht ausgezahlt wird, wenn sie festgenommen wurde und in Abschiebehaft sitzt. Auf der anderen Seite arbeiten wir auch an langfristigen, politischen Veränderungen. Es ist nicht leicht, den Konflikt zwischen den konkreten, alltäglichen und den grundlegenden Verbesserungen auszuhalten, beides zusammenzubringen und bei den langsamen Projekten nicht die Geduld zu verlieren. Das ist die Hauptschwierigkeit.

Natürlich befinden sich alle zunächst in einer Situation, die neu ist, die wir von zuhause nicht kennen. Wir müssen uns erst einmal zurechtfinden. Am Anfang geht es tatsächlich um einfache gegenseitige Unterstützung und den Aufbau von Netzwerken, die das alltägliche Leben erleichtern können. Manche Frauen kommen aber auch bereits politisiert in Deutschland an oder sind schon immer politische Menschen gewesen. Bei anderen erwacht das Interesse mit der Zeit, weil sie feststellen, dass die Situation auch anders verändert werden muss als immer nur in kleinen Schritten, wo sich alles immer wiederholt.

Wie sieht konkrete Unterstützung aus, zum Beispiel wenn jemand um den Lohn geprellt wird?

Wir versuchen den Leuten, die nicht zahlen wollen, ins Gewissen zu reden. Es ist aber nicht so, dass dann eine Truppe von Frauen dort auftaucht. Meistens versuchen wir per Telefon psychologischen Druck auszuüben. Und schließlich geht man natürlich dort nicht mehr arbeiten und sucht sich eine neue Stelle.

Das Respect-Netzwerk existiert bereits einige Jahre. Gibt es Fortschritte, hat sich etwas gebessert?

Ja, zumindest in den eineinhalb Jahren, in denen ich dabei bin, habe ich festgestellt, dass die Arbeit von Respect und anderen Gruppen sehr viel öffentlicher geworden ist. Das zeigt auch die Aktion bei ver.di. Das Thema wird jetzt von ganz normalen Leuten diskutiert. Auch der Kontakt und die Vernetzung mit anderen Gruppen ist enger und kontinuierlicher geworden. Wichtig ist außerdem die unsichtbare Arbeit der gegenseitigen Unterstützung in alltäglichen Problemen. Sie läuft kontinuierlich weiter - jede Woche, jeden Monat.

Wie haben ver.di-Mitglieder auf die Aktion von Respect während des Kongresses reagiert?

Als wir draußen Faltblätter an die Delegierten verteilten, waren die meisten aufgeschlossener als erwartet. Es gab auch die Möglichkeit, auf dem Kongress zu reden und unsere Forderungen an ver.di vorzutragen. Aber uns ist es schon oft mit unserem Kontakt zu ver.di passiert, dass viele Interesse zeigen, dass aber der Übergang zur Aktion in der Gewerkschaft nicht erfolgt. Was jetzt weiter passiert, ist sehr ungewiss.

Warum stockt die praktische Umsetzung bei ver.di?

Ich kenne mich nicht sehr gut in deutscher Politik aus, aber mein Eindruck ist, dass die Leute Angst haben, dass ihnen die Gewerkschaft auf diesem Weg nicht folgt und sagt, wir haben andere Sorgen. ver.di traut sich auch nicht, in der Öffentlichkeit für unsere Ziele einzutreten, und verhält sich sehr defensiv.

Mit welchen Forderungen richtet sich Respect an ver.di?

Wir wollen, dass uns die Gewerkschaft als Arbeiterinnen anschaut und uns die Türen öffnet und uns anhört. Sie soll das Augenmerk darauf legen, dass wir Arbeiterinnen sind und nicht darauf, dass wir ohne Papiere sind. Wir wollen auch ganz konkrete Unterstützung von der Gewerkschaft. Wir brauchen jemanden, der uns vertritt, der sich für unsere Arbeitsrechte einsetzt und wir nicht nur im Verborgenen arbeiten müssen. Sicher würden viele Frauen in die Gewerkschaft gehen. Einige waren auch zuhause in der Gewerkschaft, das ist eine ganz normale Sache. Aber es geht nicht nur darum, dass ver.di für uns die Türen öffnet, sondern dass in der Gewerkschaft dann auch tatsächlich etwas passiert. Mit der bloßen Mitgliedschaft ist es nicht getan. Die Kampagne muss weitergehen; das war erst der Anfang.

Inwiefern arbeitet Respect auch mit Hausarbeiterinnen zusammen, die einen deutschen Pass haben?

Ohne Zusammenarbeit geht es nicht. Die Migrantinnen haben viel Energie und Lust aktiv zu werden, aber wir brauchen Unterstützung von deutschen Frauen. Es fehlt die Erfahrung, wie die Dinge in Deutschland laufen. Aber im Moment gibt es zumindest in unserer Gruppe keine Deutsche. Wir hatten vor einiger Zeit Kontakt zur Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aufgenommen, aber da ist nichts weiter daraus geworden, schon gar nicht mit einer der 300 Hausarbeiterinnen, die in dieser Gewerkschaft Mitglied sind.

Interview: Anke Schwarzer

ak - analyse & kritik
Zeitung für linke Debatte und Praxis
Nachdruck nur mit Zustimmung.
Die Zeitung ak erscheint alle vier Wochen und kostet pro Exemplar 7,50 DM, Jahresabo 90,- DM.
* Kostenloses Probeexemplar anfordern!
ak - analyse und kritik
Rombergstr. 10, 20255 Hamburg,
Tel.: +49-40-4017 0174, Fax.: +49-40-4017 0175,
Email ak-redaktion@cl-hh.comlink.de
Im Internet: http://www.akweb.de

LabourNet Germany Top ^