Home > Branchen > Dienstleistungen: Gastronomie - und Hotelgewerbe > maredo_behruzi2i
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Richter folgen Maredo

In Prozeß um die fristlose Kündigung einer Osnabrücker Betriebsratsvorsitzenden entscheidet Arbeitsgericht in erster Instanz für Steakhauskette

Artikel von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in junge Welt vom 21.08.2012

In ihrem Vorgehen gegen Betriebsräte hat die Steakhauskette Maredo auch vor dem Arbeitsgericht Osnabrück einen ersten Erfolg errungen. Die Richter folgten der Behauptung des Unternehmens, die Vorsitzende des örtlichen Betriebsrats, Jacqueline Fiedler, habe ihre Arbeitsunfähigkeit simuliert. Das geht aus der schriftlichen Begründung eines bereits am 28. Juni ergangenen Urteils hervor, das jW nun vorliegt. Die Ersetzung der Betriebsratszustimmung zur fristlosen Kündigung Fiedlers ist bis zu einer eventuellen Bestätigung durch das Landesarbeitsgericht allerdings nicht rechtskräftig. Auch das Arbeitsgericht in Frankfurt am Main hatte Anfang dieses Monats in zwei von drei Fällen gegen Beschäftigtenvertreter geurteilt, die mit einer anderen Begründung ebenfalls fristlos entlassen werden sollen (siehe jW vom 7. August).

»Der Arbeitgeberin war es zur Überzeugung der Kammer nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen«, heißt es in der Stellungnahme des Osnabrücker Gerichts. »Nach durchgeführter Beweisaufnahme« stehe für die Richter fest, daß Fiedler ihre ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit »nur vorgetäuscht« habe. Sie folgten damit der Argumentation von Maredo. Das Unternehmen hatte Fiedler bei Tätigkeiten in zwei weiteren Jobs beobachten lassen, während sie für ihre Arbeit in dem Steakhaus krankgeschrieben war. Daß sie in dieser Zeit ihren Teilzeitjobs in einem Geschäft und einem Lokal weiter nachging, bestreitet Fiedler nicht. Ihr Rechtsanwalt Klaus Pahde erklärte auf jW-Nachfrage, Teil-Krankschreibungen seien keineswegs ungewöhnlich. Das ärztliche Attest habe sich nur auf Fiedlers Tätigkeit bei Maredo bezogen, nicht auf ihre anderen Arbeitsstellen. »Ob und für was jemand krankgeschrieben wird, kann allein der Arzt entscheiden«, betonte der Jurist.

Die erwähnte »Beweisaufnahme« bestand u.a. in der Vorladung des Hausarztes der Betriebsrätin. Pahde hatte beantragt, den Mediziner nur teilweise von seiner Schweigepflicht zu entbinden. »Wir wollten vermeiden, daß öffentlich darüber diskutiert wird, unter welcher Krankheit Frau Fiedler leidet - das geht keinen etwas an«, erläuterte der Anwalt. Man habe deshalb vor der Befragung wissen wollen, mit welchen Fragen der Arzt konfrontiert werden würde. Das Gericht hielt diese Einschränkung für unzulässig, der Mediziner könne nur ganz oder gar nicht von seiner Schweigepflicht entbunden werden. Daraufhin kam es nicht zu einer Aussage, was die Richter ganz offensichtlich gegen Fiedler interpretierten.

Dabei war ihre Arbeitsunfähigkeit nicht nur durch das ärztliche Attest, sondern auch durch eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Hanseatischen Krankenkasse belegt. Das Osnabrücker Gericht ignorierte dies mit dem Argument, die in dem Schreiben getroffenen Aussagen bezögen sich nicht auf alle Tage der Krankschreibung. Der medizinische Dienst habe »lediglich erklärt, daß nach seiner Einschätzung von einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei«. Pahde äußerte Unverständnis über diese doch recht konstruiert erscheinende Argumentation. Er bedauerte, daß die vorsitzende Richterin nicht mit den Parteien darüber diskutiert habe, welche Fragen sie in ihrer »Beweisaufnahme« klären wollte. Auch das ist ungewöhnlich. Denn im sogenannten Beschlußverfahren ist es anders als im Urteilsverfahren üblich, daß das Gericht seine Prozeßführung erläutert.

Keine Rolle spielten in dem Urteil Zitate Fiedlers in der jungen Welt vom 23. Februar 2012. Aussagen wie die, die Geschäftsführung habe nichts unversucht gelassen, den Belegschaftsvertretern Knüppel zwischen die Beine zu werfen, hatten die Maredo-Anwälte als »Formalbeleidigungen und Schmähungen« sowie »unwahre Tatsachenbehauptungen« bezeichnet und als weiteren Kündigungsgrund nachgeschoben. Eine Gegendarstellung in der jW hatte die Steakhauskette deswegen allerdings nicht verlangt - ein Hinweis darauf, daß es mit den falschen Tatsachenbehauptungen nicht allzu weit her sein kann. Ohnehin war Maredo im Vorfeld der Berichterstattung von jW mehrfach schriftlich aufgefordert worden, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen, was das Unternehmen ignorierte. Angesichts der ohnehin gefallenen Entscheidung spielten diese Fragen beim Urteilsspruch des Osnabrücker Arbeitsgerichts letztlich keine Rolle.

Ebensowenig wurde thematisiert, ob es sich bei den Kündigungsverfahren gegen Betriebsratsmitglieder in Niedersachsen und Hessen um - wie Gewerkschafter meinen - den Versuch zur Einschüchterung aktiver Belegschaftsvertreter handelt. Von der Maredo-Spitze wird das freilich zurückgewiesen, ebenso wie der Zusammenhang zur Eigentümerstruktur des Konzerns. Dieser gehört laut Frankfurter Rundschau zu 15 Prozent dem Management und zu 85 Prozent dem Private-Equity-Fonds GEP III. Manche Unterstützer der Betriebsräte glauben, daß die Finanzinvestoren - nach Franz Müntefering auch Heuschrecken genannt - Maredo früher oder später verkaufen wollen. Und das dürfte ohne Betriebsräte in den Filialen sicher leichter sein.


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang