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Updated: 18.12.2012 15:51
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Das Gesetz des Profits

Zur Logik des Personalabbaus im Finanzdienstleistungssektor

Seit Wochen geht sie durch die Presse, die allgemeine Aufregung darüber, dass Konzerne wie die Allianz, die Dresdner Bank oder andere deutsche Banken und Versicherungen massenhaft Personal entlassen wollen. Und dies, da wird die Aufregung zur Empörung, obwohl diese Konzerne in allen Sparten haushohe, ja Rekordgewinne machen.

Massenentlassungen trotz massenhaft Arbeit

Ende Juni verkündete der Vorstand des Allianz-Konzerns, zu dem auch die Dresdner Bank gehört, dass von den 21 Standorten elf komplett geschlossen werden sollen. 5.000 Stellen sollen in Deutschland bei der Allianz und weitere 2.000 bei der Dresdner Bank abgebaut werden. Insgesamt 10.000 Menschen werden nach der Vorstellung der Manager auf der Strasse landen. Ähnlich sieht es in der gesamten Versicherungsbranche aus. Bei ABM Generali, wozu z.B. die Aachener und Münchener Versicherung und die Volksfürsorge gehören, sind es 1.000 Stellen; der Gerling-Konzern wird nach einer anstehenden Fusion 1.800 Beschäftigte entlassen.

Annähernd das gleiche Bild bietet sich im Bankenbereich. Annähernd 80.000 Stellen wurden hier in den letzten fünf Jahren abgebaut, immer noch nicht genug, wenn es nach den Vorständen der Unternehmen geht. Die Deutsche Bank will um weitere 2.000 Stellen reduzieren, die Commerzbank um 1.200. Bei den öffentlichen Sparkassen und den Genossenschaftsbanken läuft zurzeit eine Welle von Fusionen und Ausgründungen. So wollen sie sich im Wettbewerb mit den überwiegend weitaus größeren und finanzkräftigeren Konkurrenten behaupten. Auch hier ist natürlich ein weiterer Personalabbau für das laufende Jahr vorgesehen.

Die Banken sind mit den Versicherungsunternehmen aufs Engste verknüpft, durch gegenseitigen Anteilbesitz, Konzernverflechtungen etc. - Banken gehören Versicherungen, Versicherungen gehören Banken. Im Bankenbereich gab es in den frühen 90ern einen zum Teil rasanten Aufschwung, was sich nicht zuletzt auch in den Beschäftigtenzahlen niederschlug. Waren es 1990 noch 697.500 Beschäftigte, stieg deren Zahl auf einen Höchststand von 762.000 im Jahre 2000. Die Branche "lief", überall im Finanzsektor wurden Gewinne gemacht, die Vorstände fingen an, kleinere und auch größere Unternehmen aufzukaufen. Um sich selbst zu erhalten, ist das Kapital gezwungen, sich fortwährend auszudehnen. "Progressive Akkumulation" nannte Karl Marx diesen Vorgang.

Trotz steigender Umsätze, und natürlich auch Gewinnen, wurde sodann mit "Umstrukturierungen" begonnen, mit dem Ziel, die Zukunft der Unternehmen zu gewährleisten. Die Zukunft der Unternehmen ist allerdings nicht gleichbedeutend mit der Zukunft der Beschäftigten! Das merkten die Menschen bald, die in diesen Unternehmen arbeiteten. Arbeitsverdichtung und Stellenabbau waren nämlich die Mittel der Wahl, um dieses Ziel umzusetzen. Obwohl immer mehr Arbeit da war, z.B. durch mehr Abschlüsse von Versicherungs- bzw. Kreditverträgen, wurden Beschäftigte entlassen, Standorte geschlossen. Die Arbeit wurde derart verdichtet, dass sie mittlerweile schon als gesundheitsgefährdend angesehen werden muss.

Daneben wurden mehr und mehr Tochterunternehmen gegründet, die nicht mehr unter die Tarifbestimmungen des Bank- oder Versicherungsgewerbes fallen. So gründete die Deutsche Bank eine "Gesellschaft für Kreditbearbeitung", nur zu dem Zweck, dass die 500 Beschäftigten in diesem Bereich künftig "billiger arbeiten". Sie arbeiten nun drei Stunden pro Woche länger als ihre Kolleginnen und Kollegen, das ganze für ein Gehalt ca. 30 bis 40% unter dem Branchentarifvertrag.

Moralische Entrüstung

Diese Umstrukturierungen, Ausgründungen und Massenentlassungen standen unter dem Vorzeichen einer für die Konzerne hervorragenden Entwicklung. Die gesamte Branche verbessert von Jahr zu Jahr ihre Abschlüsse. Alleine die Allianz erwirtschaftete im Jahre 2005 einen Gewinn von über 4,4 Mrd. Euro, das beste Ergebnis in der Geschichte des Konzerns! Die Deutsche Bank ist in der Lage, eine Eigenkapitalrendite von sage und schreibe 25% auszuschütten. Das Management wird hierfür wahrhaft fürstlich belohnt. So wurde Clemens Börsig, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank (Jahreseinkommen 5,6 Mio. Euro), zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. Seine Vergütung als Vorstand, nebst Erfolgsprämien, erhält er weiter für die Dauer von vier Jahren. Michael Diekmann, Vorstandsvorsitzender der Allianz (fünf Mio. pro Jahr, größtenteils "erfolgsabhängig"), erklärte, es täte ihm "wirklich leid für die Betroffenen", aber er hätte leider keine andere Wahl.

Die Beschäftigten und ver.di, im DGB zuständig für Banken und Versicherungen, machen nun mobil. In einer Flugblattserie wirft der ver.di-Fachbereich Finanzdienstleistungen den Vorständen vor, "unmoralisch" zu handeln, und versucht, den Herren (Frauen gibt es in diesen Ebenen keine) zu erklären, was "Soziale Verantwortung" bedeute. "Eine Welle der Empörung" gehe durch Deutschland. Sogar der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers meldet sich zu Wort: " Mir ist unverständlich, wie der Konzern mit seinen Mitarbeitern umgeht." Eine Umgestaltung müsse mit den Beschäftigten durchgeführt werden, nicht gegen sie. Ein Verbot betriebsbedingter Kündigungen bei profitablen Unternehmen solle ausgesprochen und die Gehälter der Beschäftigten müssten gesichert werden.

Die Allianz hat vor, durch die Umstrukturierung etwa 500 Mio. Euro einzusparen; das wären nochmals ca. 10% des aktuellen Ergebnisses. Wenn dies nur durch Entlassungen, Personalkostenabbau und Standortschließungen erreicht werden könne, zeige dies, so ver.di, dass die Verantwortlichen nicht über genügend soziale Kompetenz verfügten, einen großen Konzern zu führen. Es wäre offensichtlich, dass sie unmoralisch handelten, und somit wären die Leistungsprämien der Herren Vorstandsmitglieder nicht gerechtfertigt. Moderne Manager hätten eine soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und der Gesellschaft. Ein Konzern könne nicht behaupten, er habe keine andere Wahl, wenn er 10.000 Menschen die Existenzgrundlage nehme, um seinen Gewinn um 10% zu erhöhen.

Der Wolf frisst keine Kreide mehr

Diese moralisierende Sicht der Welt liegt jedoch vollkommen neben der Wirklichkeit. Im Kapitalismus gilt keine Moral, sondern nur Profit. Von daher kann seinen Systemverwaltern auch kein unmoralisches Handeln vorgeworfen werden. Eine wie auch immer geartete "soziale Kompetenz" wird im Sinne der Interessen der Aktionäre (shareholder value heißt das heute) nicht honoriert, dafür gibt es keine Zusatzgratifikation für Vorstandsmitglieder - die gibt es nur und wirklich nur für Erfolg. Und Erfolg heißt höhere Rendite. In den USA werden mittlerweile sogar die Rentenansprüche der ArbeiterInnen aus betrieblichen Pensionskassen verkauft, um die Rendite zu erhöhen - dies mit Zustimmung der reformistischen Gewerkschaften. Die Arbeitsplätze müssen ja erhalten bleiben! "Weitsichtige Lösungen" seien gefragt, sagte ein Gewerkschaftsführer - ein Gewerkschaftsboss, der redet wie ein Konzernboss.

Im letzten Jahrhundert gab es eine Zeit, in der sich der Kapitalismus sanfter gab. Allerdings nicht aus moralischen Überlegungen, sondern nur, um im eigenen Interesse die Beschäftigten ruhig zu halten. Die Gewerkschaften waren als "Sozialpartner", was "Erfüllungsgehilfen" bedeutet, sehr willkommen. Lohnerhöhungen, Urlaub, Betriebsrenten, Weihnachtsgeld gab es da. Diese Zeit ist nun vorbei. "Das Kapital respektiert nur ein Gesetz - das Gesetz des Profits", schreibt Mumia Abu-Jamal, der in den USA immer noch im Gefängnis sitzt.

Das Kapital ist wieder radikaler geworden, in seinen Theorien und auch in seinen Aktionsformen. Wer dies offensichtlich immer noch nicht verstanden hat, sind die großen, die reformistischen Gewerkschaften, die immer noch an die soziale Kompetenz der Manager appellieren und von ihnen ein moralisches Handeln fordern. Es ist nicht möglich, dem Kapitalismus ein "menschliches Antlitz" zu verpassen. Die einzige Möglichkeit ist, ihn abzuschaffen. Auch die ArbeiterInnenbewegung muss sich radikalisieren, zu anderen, zu neuen Ideen, Organisations- und auch Aktionsformen finden, sich mit anderen Bewegungen vernetzen, sich international organisieren. Dann werden wir eine Chance haben, die Verhältnisse anzugreifen und letztlich zu überwinden.

Artikel von Bully, zuerst erschienen in der Direkten Aktion vom September/Oktober 2006


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