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Updated: 18.12.2012 15:51
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Mit Blockade den Verkauf gestoppt

Beschäftigte der Freudenberg Bausysteme KG im nordbadischen Weinheim haben Konzernspitze mit spektakulärer Aktion zum Rückzug gezwungen

Mit Blockade den Verkauf gestopptMit einer spektakulären Aktion haben die Beschäftigten der Freudenberg Bausysteme KG (FBS KG) am Freitag, den 19.1.07, den geplanten Verkauf ihres Unternehmens vorerst verhindert. Nach einer zehnstündigen Blockade aller 4 Tore des Industrieparks Freudenberg im nordbadischen Weinheim, machte das Management am Montag, den 22.1.07, einen Rückzieher und sicherte schriftlich zu, die Verkaufsgespräche auszusetzen.

Seit Monaten schwelt bei FBS ein Konflikt zwischen Beschäftigtenvertretern und der Konzernspitze des Freudenbergkonzerns mit Stammsitz in Weinheim (weltweit ca. 33.000 Beschäftigte, in Weinheim ca. 6.200). Die Konzernleitung will den Betrieb, in dem Kautschuk-Bodenbeläge für Großprojekte (u. a. für Flughäfen, Krankenhäuser und Schulen) hergestellt werden, trotz eines guten Betriebsergebnisses an einen direkten Konkurrenten verkaufen, weil die Bodenbelagsproduktion nicht mehr zum Kerngeschäft gehöre. Die Belegschaft befürchtet, dass dadurch die Marktchancen für die eigenen Produkte massiv beeinträchtigt werden, so dass dadurch die Sicherheit der Arbeitsplätze unmittelbar in Frage gestellt wird. Wütend sind die rund 900 Arbeiter und Angestellten der FBS KG insbesondere darüber, dass die Konzernspitze ihnen jegliche konkreten Informationen vorenthielt. Am Donnerstag, den 18.1.07, hatten sie, nach dem vom Konzern zunächst die Info gestreut wurde, der Verkauf sei quasi vom Tisch, diese dann aber drei Tage später wieder revidiert wurde, die Nase voll. Auf einer kurzfristig angesetzten Betriebsversammlung beschlossen sie deren unbegrenzte Fortsetzung und für den Folgetag eine Blockade aller Zufahrtswege zum Industriepark Freudenberg. Auf diesem sind neben den verschiedenen Freudenbergfirmen auch andere Unternehmen tätig. Am Freitag, um 5.00 Uhr in der Frühe, wurde die Betriebsversammlung unterbrochen und die Tore dichtgemacht. Zehn Stunden lang wurde kein LKW hinein- oder herausgelassen. Der Rückstau reichte zwei Kilometer weit, bis zur Autobahnausfahrt und in die Weinheimer Innenstadt. Das Verkehrschaos war komplett. Trotz Drohungen der Polizei, die Aktion sei rechtswidrig und müsse sofort beendet werden, wurde die Blockade bis in den späten Nachmittag fortgesetzt. Nahezu die ganze Belegschaft, inklusive der Angestellten und einiger Führungskräfte, haben sich, verteilt über den Gesamtzeitraum, an der Aktion beteiligt. Viele Beschäftigte der anderen Betriebe des Industrieparks legten spontan ebenfalls die Arbeit nieder und schlossen sich ihren Kollegen von FBS an. Auch Aktivisten des Mannheimer Kraftwerksbauers Alstom Power, die 2005 mit einer siebentägigen Betriebsversammlung gegen Arbeitsplatzabbau für Aufsehen gesorgt hatten, erklärten vor Ort ihre Solidarität.

Mit Blockade den Verkauf gestopptObwohl die Konzernleitung ihre Verkaufsabsichten noch am Freitagnachmittag bekräftigte, folgte bald darauf der Rückzieher. In einer Krisensitzung zu der die Konzernleitung die Betriebsratsvertreter der FBS KG, den Konzernbetriebsratsvorsitzenden und den Eurobetriebsratsvorsitzenden am Wochenende kurzfristig für Montagmorgen eingeladen hatte, teilte die Konzernspitze mit, dass sie die Gespräche mit potentiellen Partnern für das Bodenbelagsgeschäft jetzt nicht mehr fortsetzt. Dadurch solle der Betriebsfrieden wiederhergestellt und die Belieferung der Kunden gewährleistet werden. Dem Betriebsrat wurde die Beteiligung an eventuellen künftigen Verkaufsverhandlungen schriftlich zugesichert.

Auf der seit montagfrüh 5.00 Uhr fortgesetzten Betriebsversammlung wurde die schriftliche Zusage der Konzernleitung vorgetragen und diskutiert. Einmütig beschlossen die Beschäftigten daraufhin die Betriebsversammlung zum Beginn der Spätschicht zu beenden und die Torblockaden auszusetzen. Das Ziel, -Beendigung der Verkaufsgespräche- war durchgesetzt worden und zusätzlich war erreicht worden, dass, bei eventuell anstehenden neuen Verkaufsgesprächen, der Betriebsrat informell einzubeziehen ist.

Mit Blockade den Verkauf gestopptDies ist ein enormer Erfolg der FBS-Belegschaft. In einer beispiellosen Aktion haben sie, ohne auf die offizielle Unterstützung der Gewerkschaft (IG BCE) zu warten, die Initiative ergriffen, um den geplanten Verkauf zu verhindern. Dass sie ihr Ziel in relativ kurzer Zeit erreichen konnten ist vor allem dem geschlossenen Widerstand der ganzen Belegschaft und der breiten Solidarität aus den anderen Freudenbergbetrieben zu verdanken. Dies, zusammen mit der Effizienz der Blockadeaktion, hat einen enormen Druck auf die Konzernleitung ausgeübt. Vor allem die Behinderung der Just in Time-Lieferungen an die Autoindustrie (Freudenberg ist im Kerngeschäft Autozulieferer, z. B. Dichtungs- und Schwingungstechnik usw.) durch die LKW-Blockade war entscheidend für die schnelle Beendigung dieser Auseinandersetzung. Aber nicht nur die Produktionsstillstandszeiten und die angedrohten Regressforderungen der Kunden haben diese Einsicht bewirkt sondern auch der drohende Verlust des bisherigen Renommees als zuverlässiger Partner der Autoindustrie und als sozial eingestelltes Unternehmen in aller Öffentlichkeit. Dies hat nicht zuletzt auch dazu beigetragen, dass sich sowohl der interne Werkschutz, als auch die Polizei sehr zurückgehalten haben.

Ganz wichtig ist, dass die Beschäftigten der verschiedenen Freudenbergbetriebe durch diese Aktion wieder zusammengewachsen sind und realisiert haben, dass sich Widerstand gegen Konzernwillkür lohnt und dass man dabei auch erfolgreich sein kann. Zum Abschluss der Betriebsversammlung wurde von den Teilnehmern betont, dass, sollte die Konzernleitung wieder über die Beschäftigteninteressen hinweg ihre Ziele durchsetzen wollen, die Belegschaft bereit ist, die Blockadeaktion zu wiederholen.

Helmut Schmitt, Vorsitzender der Ortsgruppe Weinheim der IG BCE


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