Home > Branchen > Gartenbau > grenzenlosbillig | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Grenzenlos billig? Globalisierung und Diskountierung im Einzelhandel So lautet der Titel einer Broschüre von Sarah Bormann, Christina Deckwirth und Saskia Teepe, herausgegeben von ver.di und Weed vom April 2005. Bestellung der 98 Seiten umfassenden Broschüre für 7 € bei WEED, Torstr. 154, 10115 Berlin, Fax: 030/27596928 oder online . Hieraus exklusiv im Labournet Germany neben dem Inhaltsverzeichnis und Einleitung: Bittere Orangen: brasilianische PflückerInnen in der globalen Wertschöpfungskette Kap. 1.1.2 der Broschüre Orangensaft ist nach Apfelsaft der zweitliebste Fruchtsaft der Deutschen. Doch die wenigsten wissen, woher er stammt. Vielen Tetra-Packs und Flaschen ist das auch nicht zu entnehmen, hier liest man lediglich, für wen sie produziert wurden - beispielsweise für Lidl Neckarsulm. Die Wertschöpfungskette eines Tetrapacks Lidl-Orangensaft scheint somit schwer nachzuvollziehen. Lidl zumindest gibt keine Hinweise darüber, wo und unter welchen Bedingungen der Saft hergestellt wurde. Doch eine Vermutung liegt nahe: Über 80 Prozent des in Deutschland konsumierten Orangensafts stammt nämlich aus dem brasilianischen Bundesstaat Sao Paulo, dem größten Orangenanbaugebiet der Welt. Und die europäische Nachfrage nach dem Orangensaftkonzentrat aus Brasilien steigt noch: Allein in den letzten zehn Jahren hat sie sich mehr als verdoppelt. Aus Brasilien stammt somit höchstwahrscheinlich auch der Saft, den es bei Lidl zu kaufen gibt. Die Einkaufspraxis der großen Einzelhandelsunternehmen, die riesige Mengen abnehmen, fördert ähnlich wie am Beispiel der Milchwirtschaft beschrieben auch die Konzentration der Gemüse- und Fruchthersteller in entfernten Produktionsländern. Kleine Produzenten werden vom Markt gedrängt. Im brasilianischen Orangensektor ist die Konzentration bereits weit fortgeschritten: Es gibt acht große Hersteller und Exporteure, die den Markt weitgehend unter sich aufteilen. Alleine die beiden Unternehmen Citrosuco und Cutrale beherrschen gemeinsam mehr als die Hälfte der Exporte. Citrosuco, das mächtigste Unternehmen, geht auf den deutschen Auswanderer Carl Fischer zurück, der Mitte der 1960er Jahre begann, den Orangenanbau und die Verarbeitung zu industrialisieren. Später kamen dann Mitglieder der Familie Eckes ins Boot, die das Orangenkonzentrat an ihre Verwandten am Stammsitz im deutschen Niederholm schickten. Drittes Gründungsmitglied des Konzerns ist der US-Fruchtsaftriese Pasco. Citrosuco ist Teil einer Agrarelite, die in Brasilien große Teile des Landes unter sich aufteilt, während aufgrund der ungerechten Landverteilung viele der BrasilianerInnen in absoluter Armut leben. So verfügen ein Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe über die Hälfte des verfügbaren Landes. Aufgrund der fortschreitenden Industrialisierung der Landwirtschaft werden immer mehr Kleinbauern und -bäuerinnen durch die großen Agrarbetriebe verdrängt und strömen als Landlose in die Elendsquartiere der Großstädte. Zudem haben Mitte der 1990er Jahre viele Konzentrathersteller kleinere Produzenten vom Markt gedrängt und im großen Stil Plantagen aufgekauft. Auch können viele Kleinbauern und -bäuerinnen ihre Existenz nicht sichern, weil sie aufgrund der Konzentration im Einzelhandel keine Abnehmer mehr für Exportprodukte finden, durch die sie bisher zusätzliche Einnahmen für ihre Subsistenzwirtschaft erzielt haben. So arbeiten viele, die einst selbst Orangen angebaut haben, heute als PflückerInnen. Ende der 1990er Jahre wurde von verschiedenen Entwicklungsorganisationen und "Fair Trade" Initiativen auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen der OrangenpflückerInnen hingewiesen. Vor allem Kinderarbeit mit ihren schweren gesundheitlichen Folgen sorgte für großes Aufsehen. Daraufhin wurde ein fair gehandelter Orangensaft in Österreich und Deutschland auf den Markt gebracht, in Brasilien führt seit 2000 das Arbeitsministerium regelmäßige Kontrollen in der Landwirtschaft durch und die Regierung Lula versucht, Kinderarbeit mittels eines Sozialprogramms zu bekämpfen. Viele Probleme sind jedoch geblieben - auch wenn die Kinderarbeit zurückgegangen ist und aufgrund der gewerkschaftlichen Arbeit im Bundesstaat mittlerweile mehr als die Hälfte der PflückerInnen offiziell als ArbeitnehmerInnen registriert sind (siehe Interview). Die andere Hälfte der inoffiziellen ArbeitnehmerInnen sind jedoch weder kranken-, noch renten- oder arbeitslosenversichert, sie arbeiten zu Hungerlöhnen und meist im Akkord. Besonders fatal sind die gesundheitlichen Folgen ihrer Arbeit, weil häufig Pestizide gesprüht werden, ohne dass die PflückerInnen vorher von den Plantagen geholt wurden. Zudem bekommen PlantagenarbeiterInnen für 16 Orangen, die einen Liter Saft ergeben, umgerechnet nur 0,025 Cent. Ihr Anteil am Preis eines günstigen Liters Orangensaft, wie er z.B. bei Lidl für ca. 50 Cent verkauft wird, entspricht somit annähernd einem Zweitausendstel. Durch die geringe Lohnhöhe sind die ArbeiterInnen größtenteils darauf angewiesen, dass ihre Kinder zuverdienen. Das Problem der Kinderarbeit wird so, trotz der gesetzlichen Regulierung bei den Orangenpflückern, nur in andere Branchen verdrängt, in denen die Kontrollen oder Gesetze weniger streng sind. Zugleich werden staatliche Kontrolleure in der Landwirtschaft wie auch GewerkschafterInnen in ihrer Arbeit teils bedroht. 2004 wurden vier Inspekteure und ihr Chauffeur erschossen. Im gleichen Jahr wurde Ribamar Francisco dos Santos, ein Führungsmitglied der Landarbeitergewerkschaft, vor seinem Haus ermordet. In beiden Fällen wird vermutet, dass die Morde von Landbesitzern in Auftrag gegeben wurden.
Grenzenlos billig? Globalisierung und Diskountierung im Einzelhandel 1 Einleitung 2 Menschen handeln: Die Situation der Beschäftigten 2.1 Hauptsache billig? ArbeitnehmerInnen im deutschen Einzelhandel 2.2 Auswirkungen der Discountierung auf ArbeitnehmerInnen in Landwirtschaft und Textilindustrie 2.3 Fazit: Discountierung der Arbeitsbedingungen 3 Auf dem Weg zum globalen Supermarkt? - Konzentration und Internationalisierung des Einzelhandels 3.1 Rationalisierung zu Lasten der Beschäftigten: Die Segmentierung des Arbeitsprozesses 3.2 Tante Emma macht das Licht aus: Expansion der Einzelhandelsunternehmen 3.3 Die Globalisierung des Einzelhandels 3.4 Fazit: Von Tante Emma zum globalen Konzern 4 In wessen Interesse?: Politische Strategien der Einzelhandelskonzerne 4.1 Politik nach wessen Maßgabe? 5 Regeln sind Rechte: Regulierungen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene 5.1 Regulierung in Deutschland 5.2 Die Bolkestein-Richtlinie: neoliberaler Kahlschlag in der EU 5.3 Globale Zwangsregeln für den Einzelhandel: das GATS 5.4 Fazit: Deregulierung auf allen Ebenen 6 Den Einzelhandel neu gestalten! 6.1 Wir sind der Einzelhandel 6.2 Arbeitsrechte im Handel verteidigen! 6.3 Solidarisierung entlang der Wertschöpfungskette: Aufstehen, wenn Konzerne Menschenrechte verletzen! 6.4 Die Einkaufspraxis der Konzerne ändern durch Verbrauchermacht 6.4.1 Fairer Handel 6.5 Menschenrechte politisch verteidigen! 6.6 Fazit: Globale Solidarität im Einzelhandel! 7 Ausblick 8 Tipps zum Weiterlesen Glossar Kaum ein anderer Wirtschaftsbereich ist in unserem Alltag so präsent wie der Einzelhandel. Täglich erledigen wir unsere Einkäufe und täglich sorgen viele Menschen dafür, dass wir auch die Waren bekommen, die wir benötigen. Funktioniert der Einzelhandel nicht, sind davon viele betroffen: Nicht nur die zahlreichen Beschäftigten, sondern auch die VerbraucherInnen, die auf eine wohnortnahe und vielfältige Einzelhandelslandschaft angewiesen sind und sich eine freundliche Beratung wünschen. Hier können wir Tag für Tag die Auswirkungen zwei aktueller Prozesse ganz direkt selbst erleben: die Discountierung und die Globalisierung. Discountierung bedeutet, dass sich zunehmend die Verkaufsstrategie der großen Discounter wie Lidl und Aldi durchsetzt. Deren Hauptsache-billig-Strategie spart an der Ausstattung der Läden, beim Einkauf der Waren und an den Beschäftigten. Discountierung steht aber auch für eine neue gesellschaftlicher Armut: Und zwar sowohl auf Seiten der Beschäftigten, deren Gehälter sehr niedrig sind, als auch auf Seiten der VerbraucherInnen, die darauf angewiesen sind, nur noch das Billigste zu kaufen. Globalisierung im Einzelhandel beschreibt die Entwicklung, dass die Einzelhandelsunternehmen selbst ihre Waren zunehmend in der ganzen Welt einkaufen und im Ausland Filialen eröffnen. Die globale Expansion der Einzelhandelskonzerne fördert einen Verdrängungswettbewerb, der zu enormer Konzentration führt und die Macht einiger großer Konzerne immer weiter wachsen lässt. Globalisierung und Discountierung sind keine rein ökonomischen Prozesse. Sie sind auch das Ergebnis bewusst gewählter politischer Entscheidungen, die zunehmend auf internationaler Ebene getroffen werden. Durch die geplante europäische Bolkestein-Richtlinie für Dienstleistungen und durch das globale Dienstleistungsabkommen GATS wird der Abbau von Arbeitnehmer- und Verbraucherrechten weiter vorangetrieben. Die Betroffenen werden dabei immer weniger an den politischen Entscheidungen beteiligt. Ob Hungerlöhne oder unsichere Beschäftigungsbedingungen - in unserer Broschüre zeigen wir die Folgen der Globalisierung und Discountierung für die Beschäftigte sowohl im Einzelhandel als auch in der Produktion auf. Damit möchten wir verdeutlichen, dass nicht nur VerkäuferInnen in Deutschland, sondern beispielsweise auch Näherinnen in Bangladesch von den aktuellen Entwicklungen im Einzelhandel betroffen sind. Deswegen ist es nötig, internationale Solidarität praktisch werden zu lassen und neue Bündnisse zwischen Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen zu schließen. Denn im Interesse der Beschäftigten und VerbraucherInnen darf das Motto für den Einzelhandel nicht allein lauten: "Grenzenlos billig"! |