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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Zum Rücktritt von Günter Lenz als Betriebsratsvorsitzender VW Hannover Vom Beschuldigten zum Opfer: Reiner Tisch sieht anders aus! "Lenz macht in VW-Affäre reinen Tisch" titelte die Hannoversche Allgemeine Zeitung vor der Betriebsversammlung und in Spiegel-Online ist nach der Betriebsversammlung zu lesen, es hätte viel Beifall für Lenz nach seiner Rücktrittserklärung gegeben. Beides ist nur die halbe Wahrheit! Ein reiner Tisch sieht anders aus - und es gab viele Pfiffe zwischen dem Beifall. Dennoch war der Rücktritt überfällig und etwas anderes war nicht zu erwarten. Nach dem Rücktritt als SPD-Landtagsabgeordneter hatte er seine Mandate als Betriebsrat und Aufsichtsrat bei VW "ruhen" lassen; eine Form des Noch-Nicht-Rücktrittes, die wohl einmalig ist in der Geschichte von Betriebs- und Unternehmensverfassung. Bis zum Ablauf des Verfahrens wollte er abwarten, und nun ist der Druck insbesondere auf seine Familie zu groß geworden. Bevor er zu der persönlichen Erklärung in der Betriebsversammlung kam, sprach er über Produktionsrekorde, Nutzfahrzeug- und Komponentenstrategie, über Personalentwicklung und über notwendig zunehmende Flexibilisierung, Überstunden und weitere Wochenendarbeit, als wolle er die Früchte dieser Art von Interessenvertretung auch auf den nächsten Betriebsversammlungen noch präsentieren. Einige Positionen machen den Geist des "Männerbündischen" deutlich, der in diesem Betrieb weht:
Dann kam die persönliche Erklärung mit Abgang, wobei er sich selbst zum Opfer machte. Menschen machen Fehler, seien verführbar, auch sei er kein Unschuldslamm. Jeder, der in solcher Position arbeite, kenne die vielen Versuchungen, denen zu widerstehen sei. Er müsse sich jetzt einer Schuld stellen, für die es keinen Erlass gäbe, wo auch kein Opferlamm helfe. Vorweg wolle er deutlich sagen, dass BILD weder rechtliche noch moralische Instanz sei. Und was er an Verleumdungen, Mutmaßungen, Verdächtigungen, Nachstellungen und Spekulationen ausgesetzt gewesen sei, dass sei ihm und seiner Familie jetzt nicht mehr zuzumuten. Er beschränkte sich auf rechtlich relevante Vorgänge, nämlich zwei Reisen des Gesamtbetriebsausschusses (GBA) in den Jahren 2001 und 2002 nach Süd-Korea/China und Indien. Ohne seinen Willen habe Gebauer ihm weiblichen "Escortservice" zugeführt, den er jedoch nicht in Anspruch genommen hätte. Die Beihilfe zur Untreue bestünde darin, nicht verhindert zu haben, dass Gebauer diesen "Escortservice" bei VW mit 600 € abgerechnet hat. Einen Strafbefehl über 45 Tagessätze würde er akzeptieren, er sei dann auch nicht vorbestraft. Alles in allem sei er Opfer zweijähriger Hetze - und, wie schon dargelegt - nicht immer frei in seinen Entscheidungen gewesen. So sei ihm, nachdem er an einer entsprechenden Reise 1998 nicht teilgenommen habe, (wahrscheinlich von Volkert und Hartz) die strategische Bedeutung dieser Reisen klargemacht worden. Und da wird das Männerbündische deutlich, dass tief in Bewusstsein der Personen und den Betrieb hineinreicht. Kein Wort zu "Reisen" und anderen "Besprechungen", die verjährt sind. Kein Wort von dem hannoverschen Betriebsrat, der von Volkert und Hartz nebenbei als Kuppler und Fahrer beschäftigt wurde. Kein Wort dazu, dass das Unternehmen Gegenleistungen erwartete und bekam, kein Wort zu seinen früheren Erklärungen, alle Anschuldigungen von Gebauer würden sich als haltlos erweisen! Den eigentlichen Skandal jenseits von "Untreue" und Moral hat er weder benannt noch verstanden, niemand von den Beklagten und Verurteilten, auch nicht die IG Metall: Die Tatsache, dass das Unternehmen die führenden Betriebsräte auf so billige und unanständige Weise kompromittieren konnte. Es geht nicht um eheliche Treue oder Sexualmoral, es geht um die Korrumpierung und Kompromittierung von Betriebsräten durch das Modellunternehmen Volkswagen. Das ist das Problem und deshalb musste Lenz zurücktreten; weil er das nicht versteht, hält er sich für das Opfer einer Intrige. Die weiteren Verfahren gegen Volkerts damaligen Stellvertreter Sudholt, gegen den hannoverschen Betriebsrat Reich, gegen Volkert und Gebauer werden mehr Licht in dieses Beziehungsgeflecht bringen. Bedauerlich bleibt, dass diejenigen, die an diesen fragwürdigen Vergnügungen beteiligt waren, erst 5 Minuten nach 12 das zugeben, was unbestreitbar ist. Bedauerlich bleibt, dass es weder im Betriebsrat noch in der IG Metall ausreichende Selbstreinigungskräfte gibt. Vertrauen in Betriebsrat und IG Metall werden jeden weiteren Tag geschädigt, an dem Mitwisser schweigen - denn außer den Verurteilten oder Beklagten, die aus ihrer Sicht "Opfer" sind, hat niemand etwas gesehen oder gehört - kein Betriebsratsgeschäftsführer und kein persönlicher Referent von Volkert. Vielleicht schließt sich der Kreis, wenn die Frage eines Kollegen auf dieser Betriebsversammlung beantwortet würde: "Wie kann es sein, dass das Unternehmen im Herbst 2006 vor einer derart existenziellen Krise steht, dass die einzige Rettung eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich sei - so Lenz und andere Betriebsräte -, und heute, wenig mehr als ein halbes Jahr später, Produktions- und Gewinnrekorde vermeldet werden?" Betriebsrat und IG Metall argumentierten damals mit von VW zur Verfügung gestellten betriebswirtschaftlichen Daten - nur gesehen hat die niemand. Die Zeit wird nicht zurückgedreht, aber die Fragen werden mit der Zeit sicher beantwortet werden. Stephan Krull, 17.7.2007 |