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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Europaweit die Produktion lahmlegen ... Britische Gewerkschaftslinke wollen auf eigene Faust die GM-Belegschaft über den Bochumer Streik und notwendige Solidaritätsaktionen informieren Wie reagieren Gewerkschafter an anderen europäischen GM-Standorten auf die Pläne des GM-Managements und den Stillstand der Produktion im Bochumer Opelwerk? Wird der Funke von Bochum auf die anderen Standorte überspringen? Wie positioniert sich die britische Metallergewerkschaft Amicus? „Wir sollten die Produktion bei GM in ganz Europa
lahmlegen, denn sonst spielen uns die Bosse gegeneinander aus“,
erklärt Gerry Ellis, gewerkschaftlicher Vertrauensmann und seit gut
20 Jahren LKW-Fahrer für die britische GM-Tochter Vauxhall in Luton.
Ellis erinnert daran, dass die Verlagerung der Vectra-Produktion nach
Rüsselsheim Anfang 2002 zu einer Teilschließung im Werk Luton
geführt hat, der 3000 Arbeitsplätze zum Opfer gefallen sind.
Luton ist nur noch die Transporterproduktion geblieben. Dass in Bochum
gestreikt wird, hätten die Kollegen am Freitag zwar gerüchteweise
gehört, aber sier hätten auch von der eigenen Gewerkschaft nichts
offiziell erfahren. Wenn die Konzernzentrale eine Belegschaft in die Knie
zwingen sollte, dann sind wir alle dran, ist sich Gerry Ellis sicher. Bei dem Versuch, vor einigen Jahren Outsourcing im britischen Ford-Werk Dagenham durch konzernweite gewerkschaftliche Gegenaktionen zu verhindern, hätten sich, so Dawson, zwei Hindernisse aufgebaut. Die davon betroffenen Arbeiter in den USA hätten buchstäblich in letzter Sekunde weitreichende Zugeständnisse erreicht: eine weitgehende „Besitzstandswahrung“ und Anerkennung ihrer Beschäftigungszeiten und Rechte im Ford-Konzern. Damit sei dort die Luft raus gewesen. Und in Deutschland habe der Ford-Gesamtbetriebsratsvorsitzende und damalige SPD-Europaabgeordnete Wilfried Kuckelkorn aus Köln den Briten ultimativ untersagt, ohne seine Zustimmung direkte Belegschaftskontakte aufzubauen und Kampfmaßnahmen zu planen. Ein Kuckelkorn kommt selten allein. So sickerte am Wochenende aus der Umgebung von Tony Murphy, federführender Gewerkschaftssekretär für die Autoindustrie bei der Gewerkschaft Amicus, durch, dass dieser aus einem ganz besonderen Grund den aktuellen Bochumer Streik willkommen heißt. Die Bochumer würden sich durch ihre Aktion bei den Konzernlenkern im fernen Detroit vollends in Misskredit bringen, spekuliert Murphy. Dadurch stünden die Chancen gut, dass das britische Vauxhall-Werk im nordenglischen Ellesmere Port im Standortwettbewerb mit Antwerpen und Bochum um die künftige Produktion einer neuen Marke siegt und den Zuschlag bekommt. Von solchen Kalkulationen rät der Gewerkschaftslinke Henry Dawson entschieden ab. Er unterstützt den Bochumer Streik als „richtige und angemessene Antwort“ auf die Abbaupläne und erklärte sich uneingeschränkt solidarisch. Seine Botschaft an die Bochumer: „Gebt nicht auf, wendet Euch an die GM-Kollegen in aller Welt, fordert sie zu Solidaritätsaktionen auf und lasst euch nicht gegeneinander ausspielen. Lieferschwierigkeiten können den Konzern in die Knie zwingen“. Jetzt wollen Unterstützer der Amicus Unity Gazette und des „Socialist Appeal“ auf eigene Faust die Belegschaften von GM/Vauxhall in Ellesmere Port und Luton über die wirkliche Lage in Bochum informieren und zur aktiven Solidarität auffordern. GM-Chef Henderson droht bei einer Fortsetzung des Streiks mit der Schließung des Bochumer Werks. Was sollte die Antwort auf diese Erpressung sein? Für Dawson sind die schon in den 70er Jahren unter Gewerkschaftern diskutierten Alternativen aktueller denn je: „Enteignung und Sozialisierung dieser Betriebe und Weiterführung der Produktion unter demokratischer Arbeiterkontrolle.“ Und wenn die vielen Autos gar nicht mehr alle verkauft werden können? „Dann stellen wir einen alternativen Produktionsplan auf, um mit den vorhandenen Menschen und Maschinen gesellschaftlich nützlichere Produkte herzustellen.“ Daß eine Konversion in Autowerken auch rasch umzusetzen sei, zeige die Tatsache, dass bei Ford in Dagenham im 2. Weltkrieg innerhalb von nur drei Wochen von der Pkw- auf die Panzer- und Flugzeugproduktion umgestellt werden konnte. Dawson erinnerte in diesem Zusammenhang an die alternativen Produktionspläne der Belegschaft des britischen Autozulieferers und Rüstungskonzerns Lucas Aerospace in den 1970er Jahren. Die von Entlassungen bedrohte Belegschaft habe damals ausgereifte Pläne für die Umstellung auf zivile Produkte entwickelt – z.B. künstliche Nieren, Wärmepumpen, Öko-Autos, alternative Verkehrsysteme. Dies habe gezeigt: gemeinsam und ohne Bevormundung können es die arbeitenden Menschen besser. Die Umsetzung der Pläne sei aber am kapitalistischen Management gescheitert. Und genau darum müsse die Eigentumsfrage wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden |