Home > Branchen > Auto: GM/Opel > allg. > Kollaps > ww_opelelend
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Das Elend des Komanagements

Oder: Der Teufel, den wir kennen

Die Freunde der deutschen Arbeiterklasse, der hessische Ministerpräsident Roland Koch und der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, schreien auf: Der böse US-Konzern General Motors spielt ein böses Spiel mit den deutschen Opel-Proleten. Aus Nordrhein-Westfalen meldet sich der Arbeiterführer und dortige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zu Wort: ″Hier zeigt sich das hässliche Gesicht des Tubokapitalismus″. Die IG Metaller Berthold Huber und Klaus Franz, die soeben einem massiven Lohnverzicht (in der nächsten Metall-Tarifrunde beziehungsweise für den Fall einer Übernahme von Opel durch Magna gepredigt haben) stellen sogar Streiks gegen GM/USA in Aussicht.

Die Empörung in den deutschen Städten mit Opel-Werken, Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach ist nachvollziehbar. Der alte Arbeitgeber General Motors, den man zum Teufel wünschte, wird der neue Arbeitgeber sein. Der kanadische Konzern Magna, der gern als ″österreichisch-kanadisches″ Unternehmen präsentiert wird, bleibt Autozulieferer und wird nicht zum Opel-Eigentümer. Zu denken geben sollte jedoch bereits die Freude in den britischen Vauxhall-GM-Werken und die Gelassenheit, mit der in dem polnischen und in dem spanischen GM-Werk diese für viele unerwartete Wende kommentiert wurde. Die Empörung der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft sollte sich jedoch in erster Linie gegen diejenigen richten, die auf eine innerkapitalistische Scheinlösung orientierten und die sich für ein miesiges Komanagement bereit hielten, um im Fall eines neuen Arbeitgebers Magna/Sberbank eigene Vorteile zu erzielen. In Wirklichkeit steckt hinter einem großen Teil der aktuellen Empörung über GM ein ganz banales Amerika bashing und ein peinlicher Nationalismus, der in Widerspruch zu dem erforderlichen Antikapitalismus steht und mit dem eine Gegenwehr zur Wahrung von Belegschaftsinteressen verhindert wird.

Halten wir drei Dinge fest:

Erstens. Die Perspektive eines Zusammengehens von Magna (Kanada), Sberbank und Gaz (Russland) und Opel hatte rein betriebswirtschaftlich gesehen keine Perspektive. Magna ist ein extrem schwacher Partner. Der Magna-Umsatz wurde 2009 fast halbiert. Das Magna-Projekt einer Opel-Übernahme führte bereits zum realen oder unmittelbar drohenden Entzug lebenswichtiger Aufträge für Magna (u.a. durch VW und Fiat). Vor allem aber hat ein Autokonzern heute nur eine Überlebenschance, wenn er auf mindestens drei Millionen Pkw Jahresproduktion kommt – drei Mal mehr als Opel-Gaz aktuell zustande bringen. Da war – nochmals: rein betriebswirtschaftlich gesehen – die Perspektive im Fall eines Bündnisses mit Fiat und da ist die Chance auf ein Überleben im Fall des Verbleibens bei GM weit größer.

Zweitens. Der Magna-Boss Stronach mag ein eher ″arisches″ Aussehen und den Vorteil haben, dass er seine Unternehmerkommandos in deutscher Sprache erteilt. Stronach verkörpert jedoch mindestens so überzeugend wie GM-Boss Jim (?) Henderson oder Fiat-Chef Sergio Marccchionne pures kapitalistisches Management, also Ausbeuterpolitik. Unter anderem limitierte Stronach in Kanada die meisten Werke auf 100 Mitarbeiter, um eine gewerkschaftliche Organisierung zu verunmöglichen oder zumindest zu erschweren. Er integrierte in die Führung seiner österreichischen Firmenteile mit Karl-Heinz Grasser und Matthias Reichhold zeitweilig zwei führende Personen der rechtsextremen FPÖ. Im übrigen sahen die Magna-Pläne fürOpel bzw. GM-Europa einen vergleichbaren Abbau von Belegschaten und die existentielle Gefährung einzelner Werke in Belgien und Deutschland vor wie dies für die nun aktuellen GM-Pläne gilt.

Drittens. Die deutsche Bundesregierung wollte nie wirklich eine Lösung im Sinne der Beschäftigten bei Opel. Sie wollte Ruhe bis zur Bundestagswahl haben – und zahlte für dieses Stillhalten einen hohen Preis. Wenn es konkrete Interessen der Berliner Regierung gab, dann hatten diese zu tun mit einem möglichen strategischen Bündnis mit Russland bzw. mit einem möglichen russischen Entgegenkommen in Energiefragen. Hätte die Bundesregierung Interesse daran gehabt, Opel als ″eigenständigen deutschen Autohersteller″ zu erhalten oder aufzubauen, hätte sie das vor der Bundestagswahl in Washington erreichen können – u. a. indem sie neben ein paar materiellen Gaben an GM noch einem Dutzend Uiguren aus Guantánamo deutsches Asyl gewährt hätte.

Im übrigen spricht einiges für ein abgekartetes Spiel. GM hatte bereits Anfang September angedeutet, dass ein Bündnis Opel-Magna für die Konzernmutter nicht in Frage kommt. Die zwei deutschen Vertreter in der Opel-Treuhandgesellschaft haben der Lösung Opel-Magna nicht zugestimmt. Beim vertrauten Gespräch zwischen Angela Merkel und Barack Obama in Washington am 2. November war Opel explizit ″kein Gesprächsthema″. Warum bloß? Auch heute noch könnte die Bundesregierung über die Treuhandgesellschaft, die sich zu zwei Drittel unter deutscher Kontrolle befindet und die die eigentliche Eigentümerin aller GM-Europe-Werke ist, eine reine Lösung GM-Opel verhindern. Immerhin wurde die Treuhandgesellschaft im Sommer 2009 dafür geschaffen, um Opel dem Zugriff von GM zu entziehen. Doch in der neuen Wende im GM-Opel-Drama ist plötzlich von der Treuhand keine Rede mehr.

Die Grundhaltung aller GM-Beschäftigten solle dem entsprechen, was ein britischer Vauxhall-Kollege zur jüngsten GM-Entscheidung sagte: ″Am liebsten ist mir immer noch der Teufel, den wir kennen.″

Aktualisierte Langfassung des Kommentars von Winfried Wolf vom 09.11.2009, zuerst erschienen in der junge Welt vom 06.11.2009


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang