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Updated: 18.12.2012 15:51 |
General Motors in Strasbourg: Druck auf die CGT Aktuelle Ergänzung zum Artikel «General Motors in Strasbourg: Druck auf die CGT» « Kompromiss » zwischen Werksleitung und CGT erfolgreich eingefädelt - «Verzicht» durch die Lohnabhängigen, zwecke Senkung der Lohnkosten und « Standort-Rettung », auch bei Continental in Frankreich in Aussicht. Siehe den Artikel von Bernard Schmid vom 30.07.2010 Aufgehetzte Lohnabhängige hielten acht Gewerkschaftsmitglieder fest, um sie dazu zu bewegen, ein Abkommen zur "Standort-Rettung" zu unterzeichnen - CGT erstattet Strafanzeige - Am heutigen Mittwoch läuft das Ultimatum der Direktion ab Unterschreibt? Oder unterschreibt nicht? Heute entscheidet sich, ob die CGT beim Automobilhersteller General Motors (GM) im ostfranzösischen Strasbourg ihre Unterschrift unter ein Abkommen setzt, das laut ihren Worten "soziale Rückschritte" absegnet. Um "ihren" Standort zu bewahren, stimmten zuvor die Lohnabhängigen in einer Urabstimmung sowie drei von vier Gewerkschaften dieser betrieblichen Vereinbarung zu. Sie sieht einen Verzicht durch die Lohnabhängigen bei den Themen Entlohnung, Gewinnbeteiligung und arbeitsfreie Tage vor. Auf die CGT, die bislang als einzige Gewerkschaft ihre Zustimmung verweigerte, wurde erheblicher Druck ausgeübt. Am heutigen Tage zeichnet sich ein "Kompromiss" ab. Das Werk des Automobilherstellers General Motors, GM, im ostfranzösischen Strasbourg (Straßburg) beschäftigt 1.150 Lohnabhängige und stellt Getriebe her. Es schreibt schwarze Zahlen, gehört aber zu jenen Konzernbestandteilen, die seit der finanziellen Krise des Herstellers im vergangenen Jahr zur Disposition gestellt wurden. Nun soll ein betriebliches Abkommen, das Ende vergangener Woche bereits durch drei von vier Gewerkschaften am "Standort" Strasbourg unterzeichnet worden ist, es "retten". Ihm zugrunde liegt ein Vergleich der Lohnkosten mit denen in einem mexikanischen Werk des Konzerns. Auf dieser Grundlage wurde die Zielsetzung definiert, die Lohnkosten der GM-Beschäftigten in Ostfrankreich um 10 % zu senken. ("Und wir haben noch Glück, dass sie uns nicht mit chinesischen Produktionsarbeitern verglichen haben", zitiert die Pariser Abendzeitung ,Le Monde' einen Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte.) Zu diesem Zweck sieht das Abkommen konkret vor:
Im Hintergrund: GM verkauft an sich selbst; für einen Euro Diese Verzichtsmaßnahmen, die die Lohnkosten am "Standort" Strasbourg um 8 bis 10 % absenken, sollen dazu dienlich sein, dem Konzern zu erlauben - an sich selbst zu verkaufen. Und zwar für einen symbolischen Euro. Genauer bedeutet dies, dass das Werk in der elsässischen Regionalhauptstadt bis im Jahr 2008 zum Automobilkonzern ,General Motors Corporation' gehörte. Nachdem der "Mutter"konzern jedoch im Jahr 2009 Pleite zu gehen drohte - und vierzig Tage lang zahlungsunfähig war, bevor die US-Administration eingriff und ihn rettete -, wurde er in zwei unterschiedliche Strukturen aufgesplittet: den Automobilkonzern ,General Motors Company' einerseits, und die Abwicklungsfirma ,Motors Liquidation Company' (MLC) auf der anderen Seite. Letztere Abwicklungsgesellschaft sollte dazu dienen, bislang zum Konzern gehörende Einheiten abzustoßen, zu verscherbeln oder dichtzumachen. Das Werk im Elsass, obwohl es selbst Gewinne einfährt, wurde der letztgenannten Struktur (MLO) überschrieben. Nun hat der Automobilhersteller GM in den USA (inzwischen ,GM Company' und zu 60 % der US-Bundesregierung gehörend) es sich anders überlegt: Er würde das, Gewinne einfahrende, ostfranzösische Werk von der eigenen Abwicklungsgesellschaft MLC zurückkaufen; für den erwähnten einen "symbolischen Euro". Aber unter den oben genannten Bedingungen, d.h. indem seine Lohnkosten zu denen an den mexikanischen Produktionsstandorten in Konkurrenz gesetzt werden. Urabstimmung der Lohnabhängigen am vergangenen Montag (19. Juli) Am Montag voriger Woche, dem 19. Juli 10, "durften" die abhängig Beschäftigten im Werk in einer Urabstimmung über die Annahme oder Ablehnung des "Rettungsplans" entscheiden. Laut den Worten eines der Lohnabhängigen, die in ,Le Monde' zitiert wurden, fand die Abstimmung "mit einem Messer an der Kehle" statt. Denn die Alternative lautete: Zustimmung oder Dichtmachen des Werks. Von 957 Lohnabhängigen, die zum fraglichen Zeitpunkt im Werk anwesend waren, stimmten 645 (oder 70,65 % der Abstimmenden) mit "Ja". 268 Bulletins oder 29 Prozent der abgegeben gültigen Stimmen lauteten auf "Nein", daneben gab es sechs Enthaltungen und zehn ungültige Stimmen. Die Urabstimmung war durch drei von vier Gewerkschaften, die ihrerseits zur Annahme der Vereinbarung waren, organisiert worden: die CFDT, FO und die CFTC (Näheres zu ihnen vgl. unten). Neue Anforderungen der Leitung Doch daraufhin sattelte die Direktion ihrerseits am Dienstag (20. Juli) noch zwei neue Anforderungen oben drauf, die durch die Abstimmungsvorlage am Vortag nicht erwähnt worden waren:
Daraufhin fachte die (oppositionelle) CGT, als zweitstärkste Gewerkschaft im Betrieb, die das Abkommen ihrerseits ablehnte, eine Protestbewegung an. Viele Lohnabhängige machten ihrem Unmut Luft, und auch eine Streikdrohung lag nunmehr in der Luft. Auch jene drei Gewerkschaften, die im Gegensatz zur CGT grundsätzlich zur Annahme der Vereinbarung bereit waren, stänkerten nunmehr gegen das Verhalten der Unternehmensleitung: Dessen neue Anforderungen seien nicht konform zu dem, was zuvor vereinbart worden sei. Ab dem Mittwoch waren daher die beiden neuen Punkte wieder vom Tisch. Es blieb bei den o.g. drei Punkten, bei der Beibehaltung einer wöchentlich berechneten Arbeitszeit (34,25 Stunden) und der Zahlung von Überstundenzuschlagen für die darüber hinaus gehenden Wochenstunden. Annahme durch die Gewerkschaften Am Donnerstag fand eine außerordentliche Sitzung des ,Comité d'entreprise', CE (ungefähres Äquivalent zum deutschen Betriebsrat, jedoch mit anders gelagerten Aufgaben und Vollmachten) dazu statt. Auch das CE segnete die Vereinbarung mehrheitlich ab. Drei von vier Gewerkschaften, die im Betrieb vertreten sind, signalisierten ebenfalls ihre Zustimmung: Die Mehrheitsgewerkschaft CFDT (an der Spitze rechtssozialdemokratisch) sowie die CFTC (christlicher Gewerkschaftsbund) und FO (,Force Ouvrière', populistisch-schillernd). Ihre ,Delegierten' - d.h. betriebliche Vertrauensleute jeder Gewerkschaften, die bei einem betrieblichen Abkommen zwingend zu den Unterzeichnern gehören, damit es für die jeweilige Gewerkschaft rechtsverbindlich wirkt - setzten am Freitag, 23. Juli jeweils ihre Unterschrift unter die Vereinbarung. Hingegen blieb die CGT im Betrieb noch übrig. Diese zweistärkste Gewerkschaft am "Standort" lehnte die Vereinbarung weiterhin ab. Und berief sich darauf, es sei "nicht Aufgabe der Gewerkschaften, soziale Rückschritte zu vereinbaren". Ohnehin verpflichte die Direktion sich "nicht zur dauerhaften Aufrechterhaltung des Standorts". Tatsächlich beinhaltet die Vereinbarung lediglich die Selbstverpflichtung der Direktion, die jetzt bestehende Aufträge abzuarbeiten, also den Betrieb bis im Jahr 2013 aufrecht zu erhalten. Danach, so sieht es das Abkommen vor, soll entweder auch weiterhin bis 2020 am "Standort" Strasbourg produziert werden; in diesem Falle stellt die Unternehmensleitung in Aussicht, Neuinvestitionen (je 150 bis 200 Millionen für Forschung & Entwicklung und für Produktionstechnologie) nach Strasbourg zu lenken. Diese Investitionen (vor allem jene für Forschung & Entwicklung) bilden allerdings kein "Geschenk" für Ostfrankreich, vielmehr wären sie ohnehin - egal, an welchem "Standort" in Folge produziert würde - nötig, um eine neue Generation von Getrieben zu entwickeln. Oder aber , alternativ dazu, ist es ebenfalls möglich, dass die Produktion ab 2014 in Strasbourg doch noch nicht weitergeht. Nur verpflichtet sich die Direktion in diesem Falle dazu, die bislang "zurückgehaltenen" Lohnkosten (jene 8 bis 10 % Ausgaben für die Lohnabhängigen, die infolge der Vereinbarung jetzt abgebaut werden) dann noch nachträglich auszuschütten. Zusätzlich greift in diesem Falle ferner noch ein Sozialplan, der bereits in jüngerer Vergangenheit - bei vorausgegangenen Kündigungen in Strasbourg - für den Fall von Massenentlassungen ausgehandelt worden war. Massiver Druck auf die CGT Rechtlich betrachtet, ist die Vereinbarung (die durch 3 von 4 Gewerkschaften im Werk unterstützt wird) voll rechtsgültig: Nach neuerem französischem Arbeitsrecht, infolge des Gesetzes über die Tariffähigkeit von Gewerkschaften vom 20. August 2008, braucht es dazu die Unterschrift von einer oder mehreren "repräsentativen" (d.h. als tariffähig anerkannten) Gewerkschaften, die mindestens 30 % der Stimmen bei den letzten Betriebsratswahlen erhielt/en. Ferner kann laut demselben Gesetz eine "Ablehnungsfront", bestehend aus einer oder mehreren Gewerkschaft/en, die ihrerseits mindestens 50 % der Stimmen bei Betriebsratswahlen erhielt/en, das Inkrafttreten einer Vereinbarung verhindern, falls sie binnen Wochenfrist Widerspruch dagegen einlegt. Erfolgt ein solcher Widerspruch nicht oder nicht rechtsgültig, ist ein Kollektivabkommen in dem Falle voll rechtsgültig. Im Hinblick auf diese rechtlichen Anforderungen gäbe es bezüglich der Vereinbarung von Strasbourg keinerlei juristischen Bedenken. Doch dies genügte der Unternehmensleitung nicht: Sie forderte (indirekt, aber deutlich), dass alle vier Gewerkschaften das Abkommen unterstützen müssten. Ansonsten betrachte sie als nicht für sich verbindlich und gehe keine Verpflichtungen daraus ein. Laut Auffassung der CGT möchte sie sich auf dieser Weise nur ihren "sozialen Frieden" herbei zwingen. Daraufhin kam es bereits am vergangenen Donnerstag zu erheblichen Spannungen: Rund 30 Beschäftigte, darunter vor allem ,cadres' (höhere/leitende Angestellte), versammelten sich drohend vor den Räumen der CGT. Am Freitag, den 23. Juli kam es dann zur Eskalation. Die näheren Angaben über die Vorgänge variieren dabei erheblich. So behauptet die Mehrheitsgewerkschaft CFDT im Betrieb, es habe am Nachmittag eine "spontane (Protest)bewegung von rund 400 Beschäftigten" im Betrieb gegeben, die sich gegen die Haltung der CGT gewandt hätten, weil Letztere das Überleben des Standorts zu gefährden drohe. Hingegen berichtet die KP- (und CGT-) nahe Tageszeitung ,L'Humanité' in ihrer Ausgabe vom Montag, 26. Juli, es habe sich vielmehr an jenem Freitag ab 14 Uhr um einen Auflauf von rund sechzig Führungskräften - höheren/leitenden Angestellten, Vorarbeitern und Technikern/Ingenieuren - des Betriebes vor den Räumen der CGT gehandelt. Zusätzlich seien daraufhin CGT-Vertrauensleute und -Aktive in den Produktionsräumen angegangen und bedroht worden. Dabei soll u.a. auch "Hängt sie auf, hängt sie auf!" gerufen worden sein. Ein Aktivist der CGT soll auch laut anderen Zeitungsberichten (in ,Le Monde') geschubst und in den Rücken gestoßen worden sein. Laut dem Bericht von ,L'Humanité' handelte sich um "Praktiken" im Umgang mit Gewerkschaftern, "die einer Diktatur würdig wären". Neun Angehörige der CGT haben daraufhin inzwischen Strafanzeige wegen "Freiheitsberaubung, Morddrohungen, Körperverletzung und Einschränkung/Beeinträchtigung der gewerkschaftlichen Handlungsfreiheit" erstattet. Die linksliberale Tageszeitung ,Libération' vom Mittwoch (28. Juli) wiederum lässt einen anonymen Lohnabhängigen des Betriebs zu Wort kommen, in dessen Worten es sich um "eine spontane Bewegung" handelte, die "daraus entstand, dass (Beschäftigte) das Gefühl hatten, da werde eine Chance vertan". Dasselbe Individuum bezeichnet in ,Libération' die Darstellung der Ereignisse durch die CGT als "stark übertrieben". "Neuer" Kompromiss zeichnet sich ab Dieselbe Zeitung spricht am Mittwoch davon, die ,Bezirksdirektion für Arbeit, Beschäftigung und Berufsbildung' - eine Art Regierungspräsidium - im Raum Strasbourg sei "zur Vermittlung" eingeschaltet worden. Dem Bericht zufolge zeichnete sich demnach im Vorfeld eine "Kompromisslösung" für den heutigen Mittwoch ab: Die CGT unterzeichne demzufolge "immer noch nicht", verpflichte sich aber dazu, für die Dauer von drei Jahren das betriebliche Abkommen "nicht aufzukündigen". Dies hätte zwar, falls es denn so kommt, juristisch keinerlei Wert: Ohnehin kann nur ein/e Unterzeichner/in eines Abkommens dieses auch aufkündigen. Und das Einspruchsrecht gegen das Inkrafttreten eines Abkommens kann nur durch eine oder mehrere Mehrheitsgewerkschaft/en, ausgestattet mit mindestens 50 % der Stimmen, innerhalb einer Wochenfrist nach Unterzeichnung der Vereinbarung ausgeübt werden. In beiden Fällen könnte die CGT also rein rechtlich das Abkommen nicht be- oder verhindern. Allerdings scheint es der Direktion darüber hinaus darum bestellt zu sein, die CGT auf eine Art faktischer "Friedenspflicht" festzunageln. Im französische Arbeitsrecht besteht, auch während der Geltungsdauer einer Vereinbarung oder eines Kollektivvertrags, keinerlei "Friedenspflicht" betreffend das Unterbleiben von Arbeitskämpfen - mit Ausnahme der Unterzeichner/innen, die nicht gegen das "eigene" Abkommen einen Konflikt führen können. Nichtunterzeichner sind jedenfalls keinerlei sozialer "Friedenspflicht" unterworfen. Worum es der Unternehmensleitung von GM in Strasbourg geht, ist offenkundig, dass auch die CGT sich aber faktisch, symbolisch und "politisch", an eine solche Pflicht gebunden fühlen soll. Auflösung mutmaßlich im Laufe des heutigen Mittwoch. Bernard Schmid, 28.07.2010 |