letzte Änderung am 15. August 2002

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Situation bei Ford Genk und die Entlassung von Ventura Adriano

Zusammenstellung uns vorliegender Informationen

Ford plant in Genk nächstes Jahr eine grosse Umstrukturierung. Ein Modell (Ford Transit) wird nächstes Jahr gestoppt, die Produktion wird in die Türkei verlagert. 1400 KollegInnen werden "gekündigt" (Pensionierung, "freiwillig" Prämien akzeptieren usw.).

Im Mondeo-Teil wird eine gleiche Umstrukturierung wie in Ford Köln vorbereitet: superflexible Roboter, die mehrere Plattformen und Modelle machen können, mit viel weniger Leuten. Zum Beispiel: in Genk werden heute 1200 Mondeo's gemacht mit 1800 Arbeitern (Maximumkapazität ist 1960 Mondeos am Tag, aber soviel kriegt Ford nicht verkauft). In Köln werden mehr als 1200 Fiestas produziert mit den neuen Robotern und nur 308 Leuten. Dazu kommt, dass Ford auch in Saarlouis und Valencia die gleichen Roboter installiert. In der Zukunft kann Ford also die Produktion problemlos von einem Betrieb in den anderen verschieben (im Falle eines Streiks zum Beispiel). In keinem dieser Betriebe, ausser Saarlouis, wo der Focus produziert wird, arbeitet die Produktion auf Maximumkapazität. Es ist also auch möglich, dass in Zukunft ein von den vier Betrieben geschlossen wird. Vor einigen Monaten hat die Direktion von Ford Europa bekannt gegeben, dass in Genk die Produktion ihrens Erachtens "die niedrigste von ganz Europa" sei. Die Leute in Genk sind also sehr verunsichert.

In der Nachtschicht hat sich in den letzten Jahren eine kämpferische Gruppe gebildet. Der Kern dieser Gruppe wird geleitet durch Vertrauensleute von ACV (eine Katholische Gewerkschaft, die grösste Gewerkschaft bei Ford Genk).

Ventura Adriano ist seit mehreren Jahren der Anführer dieser Gruppe. Er hat in den letzten Jahren sehr konsequent die Arbeiter verteidigt.

Ford hat im Oktober 2001, nach einem von mehreren "wilden" Streiks gegen Erhöhung des Arbeitsdrucks auf der Nachtschicht, allen Arbeiter am nächsten Tag ein Einschreibebrief gesandt mit der Warnung, dass in Zukunft diese Aktionen nicht mehr toleriert werden. Die Leute von der Nachtschicht haben alle diesen Brief am Vormittag bekommen, als sie schliefen, und sie wurden alle aus dem Bett geholt, um den Empfang zu quittieren. Sie waren deshalb sehr verärgert. In der nächsten Nacht haben sie wieder gestreikt und sind mit einer grosse Gruppe vor die Wohnung von Gijsen, dem Hauptangestellten (Leiter?) von Ford Genk, gegangen. Sie sagten: "wenn er uns am Tag nicht schlafen lässt, werden wir ihm nachts auch aus seinem Bett holen". Gijsen hat das dargestellt, als wären sie Terroristen, die ihn und seine Familie bedroht hätten usw... Dabei haben die KollegInnen nur eine halbe Stunde vor seinem Haus auf der Strasse gestanden...

Adriano sitzt auch im Betriebsrat. In den letzten Monaten hat er auch die Verhandlungen für die neue Tarifrunde mitgeführt. Ford will einen Arbeitsfrieden von 4 Jahren und eine Erhöhung des Anteils von Zeitverträgen auf 20% (heute 5%) sowie flexiblere Arbeitszeiten (9 Stunden arbeiten, wenn nötig, nur 8 bezahlen). Durch die konsequente Haltung von Adriano und anderen Vertrauensleuten sind die Verhandlungen gescheitert. Ford Europa hat gedroht, dass die ganze Fabrik geschlossen wird, wenn die 4 Jahre Arbeitsfrieden nicht akzeptiert werden.

Wass nun mit Adriano geschehen ist, muss man vor diesem Hintergrund sehen. Ford will ihn schon lange feuern, aber er ist ein Vertrauensman und sie können ihm nicht ohne einen gravierenden Fehler kündigen. Im März 2002 hat Ford nach einem neuen Warnstreik in der Nachtschicht Adriano 200.000 Euro (!) geboten, wenn er seine Kündigung akzeptieren würde. Er hat nicht akzeptiert.

Wass ist nun passiert ? Die Vertrauensleute sagen: "In der letzten Nachtschicht vor den Werksferien, um 5 Uhr morgens, sind sie in ihr Gewerkschaftszimmer gekommen, und da standen zwei Flaschen Wein auf dem Tisch. Sie haben eine Flasche geöffnet. 5 Minuten später sind zwei Leute von der Security von Ford ins Zimmer gekommen und haben gesagt: "Ihr trinkt Alkohol, das ist verboten". Adriano hat dann gesagt, dass nur er getrunken habe und ein Dokument unterzeichnet, in dem er das bestätigt. Hinterher sagte er, er habe das gesagt und unterzeichnet, um die anderen Gewerkschaftsleute zu schützen, weil er dachte, dass er als Vertrauensman nicht gekündigt werden könnte, sondern nur eine Verwarnung bekomme würde. Dazu kommt, dass die ArbeiterInnen sagen, in der letzte Schicht vor dem Urlaub wird im ganzen Betrieb getrunken. "Und die Vorgesetzten in ihren Büros trinken auch kein Wasser."

Ford hat aber eine Strafsache daraus gemacht und fragt nun das Arbeitsgericht, ob sie Adriano fristlos kündigen dürfen. Ford klagt auf zwei Kündigungsgründe: er soll Alkohol getrunken haben während der Arbeitszeit und zweitens habe er im März den Hauptangestellten (Leiter?) und seine Familie mit seiner Aktion (siehe oben) persönlich bedroht...

Als die ganze Sache mit dem Alkohol passierte (vor fast 4 Wochen), war der Hauptangestelte von Ford, Gijsen, selbst im Urlaub. Er hat unmittelbar Polizeischutz beantragt "für seine Tochter, die allein zu hause war". Bei der ersten Sitzung vorm Arbeitsgericht hat Gijsen persönlich für Ford die fristlose Kündigung beantragt und auch da hatte er Polizeischutz. In der Woche darauf, wärend der Werksferien (!), hat er an alle Arbeiter und Angestellte einen Brief geschickt: Ford bedauert darin, was passiert ist, aber es hätte nicht passieren dürfen, Ford sei nicht gegen die Gewerkschaften, usw.... die Kundigung habe allein etwas zu tun mit der Haltung und den schweren Fehlern dieses einen Mannes usw... In der Presse wird er als ein Alkoholiker und ein Krimineller dargestellt.

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