Home > Branchen > DC > USA > Toledo3
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

»Sollbruchstelle«?

Präzedenzfall: »unzurechnungsfähig« wg. Arbeitsbedingungen

Der »Amoklauf« von Myles Meyers bei DaimlerChrysler in Toledo ist nicht der erste in der Geschichte der US-Automobilproduktion. Bereits 1970 hatte es einen ähnlichen Fall gegeben. Damals erschoss der 35-jährige Afro-Amerikaner James Johnson, Arbeiter im Achsen- und Getriebewerk von Chrysler in Detroit, drei Vorgesetzte, nachdem er wegen »Arbeitsverweigerung« gekündigt worden war.

Johnson war, während er aufgrund eines Autounfalls mehrere Wochen krankheitsbedingt abwesend war, permanent von Entlassung bedroht. Nach seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz kam es kurze Zeit später zu einer irrtümlichen Entlassung, während er seinen regulär eingereichten und genehmigten Urlaub nahm. Wiederum nach Rückkehr an den Arbeitsplatz schlug ein weißer Vorgesetzter einen weißen Kollegen für einen Arbeitsplatz vor, um den Johnson sich bereits länger beworben hatte. Als Johnson sich schließlich weigerte, sich an einen anderen Arbeitsplatz, im Bereich des Ofens, versetzen zu lassen und dort ohne Schutzkleidung zu arbeiten, kam es zur Kündigung.

Der Fall führte zu Nachforschungen, nicht zuletzt aufgrund des Drucks von Anwälten der »League of Revolutionary Black Workers«, einer Gruppierung aus der radikalen Arbeiterbewegung der Afro-Amerikaner, die sich Ende der 60er Jahre aufgrund der Ignoranz der vorwiegend aus Weißen bestehenden Gewerkschaften angesichts rassistischer Diskriminierung in den Betrieben und in der Gesellschaft entwickelte. Die nachfolgend eingesetzte Untersuchungskommission stellte nicht nur vielfache Fälle von rassistischer Diskriminierung und von Fehlverhalten des Managements fest, sondern auch »unmenschliche Arbeitsbedingungen« für weite Teile der Belegschaft und »Hilflosigkeit« der zuständigen Gewerkschaft. Drei Kollegen von Johnson waren gestorben an den Folgen von Arbeitsunfällen bzw. Verletzungen, die sie sich während der Arbeit zugezogen hatten, oder weil sie gezwungen worden waren, die Arbeit nach einer nicht ausgeheilten Krankheit zu früh wieder aufzunehmen. In dem ein Jahr später stattfindenden Gerichtsprozess wurde festgehalten, dass die Summe dieser Umstände Johnson zu seiner Tat getrieben habe. Wegen Unzurechnungsfähigkeit kam er statt ins Gefängnis in eine psychiatrische Anstalt. Chrysler wurde auferlegt, eine Kompensation in Höhe von 75 Dollar pro Woche, multipliziert mit der Dauer seiner Beschäftigungsjahre, an Johnson zu zahlen.

KH

Quellen: Steve Babson: »Working Detroit«, 1986; Jane Slaughter (Mitherausgeberin der Zeitschrift Labor Notes)

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 2/05


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang