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Updated: 18.12.2012 15:51
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»Unregelmäßigkeiten«

Hintergründe zum Jeep-Werk von DC in Toledo

Das Jeep-Werk von DaimlerChrysler liegt ca. 100 km südlich von Detroit, Michigan im Bundesstaat Ohio. Seit 1941 werden hier Jeeps für den weltweiten Verkauf gebaut. Das Werk ist heute in drei Teile aufgeteilt: North Cove, Stickney Avenue und Toledo North Assembly Plant (TNAP). Während in North Cove und Stickney Avenue der Jeep »Wrangler« gebaut wird, wird der »Liberty«, in Europa unter dem Namen »Cherokee« bekannt, im Werksteil TNAP gefertigt und montiert, das ca. 6 km von den anderen beiden Werksteilen entfernt liegt.

Der Werksteil Toledo North Plant Assembly wurde erst im Jahre 2001 neu eröffnet. Bei der »Standort«-Ent-scheidung kam es zu »Unregelmäßigkeiten«, in die sich auch der bekannte Umwelt-, Menschenrechts- und Konsumentenanwalt Ralph Nader eingeschaltet hatte. Laut FriedensForum 3/1999 kämpfte Nader mit einer Bürgergruppe gegen die Kungelei von Bürgermeister und Konzern bei der Erweiterung des Jeep-Werkes in Toledo. Obwohl Daimler-Chrysler Rekord-Gewinne einfährt, hat der Konzern die Stadtverwaltung unter Druck gesetzt, der Firma Steuervergünstigungen zu gewähren und die Hauseigentümer, die der Erweiterung im Wege stehen, enteignen zu lassen. Und der Bürgermeister von Toledo spielte mit, obwohl Daimler-Chrysler keine verbindliche Zusage über die Schaffung neuer Arbeitsplätze gemacht hat. Die Empörung über den eigenartigen »Deal« zum Nachteil der Stadt und zum Vorteil des Konzerns wurde in Toledo noch größer, nachdem bekannt wurde, dass Bürgermeister Finkbeiner eine Einladung des Konzerns zu einer Deutschland-Rundreise angenommen hat, Werksbesichtigungen und Gala-Diners inklusive.

Im Jahre 2003 arbeiteten im gesamten Jeep-Werk circa 3200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon im Werksteil TNAP 2000. Offiziell weist DaimlerChrysler allein für TNAP auf seiner website 3800 Beschäftigte aus. Während der Werkseröffnung im April 2001 gab Dieter Zetsche, im Vorstand der DaimlerChrysler AG verantwortlich für die Chrysler Group, jedoch an, dass bei voller Auslastung in TNAP etwa 2100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt werden könnten, wobei die Kapazität von TNAP bei rund 800 Jeeps des Typs »Liberty« pro Tag beziehungsweise mehr als 200000 Einheiten pro Jahr liegt.

Bis Ende 1999 arbeiteten noch 5800 Beschäftigte in den beiden bis dahin existierenden Werksteilen North Cove und Stickney. Mit Abschaffung der zweiten Schicht (Modellwechsel und Verlagerung des alten Jeep »Cherokee« nach TNAP) in North Cove und Stickney Avenue verloren 2600 Mitarbeiter ihren Job. Während in North Cove und Stickney Avenue in einer 9-Stunden-Schicht gearbeitet wird, ist TNAP derzeit auf zwei 9-Stunden-Schichten ausgelegt. Noch werden für Überstunden (über 8 Stunden hinaus) Zuschläge bezahlt. Samstagsarbeit (maximal 2 Samstage pro Monat) ist für alle MitarbeiterInnen Pflicht, wobei die Ankündigungsfrist nur ein bis zwei Tage beträgt. Der Anteil der »Zeitarbeiter« (2 - 3 Tage pro Woche oder so genannte Ersatz-Urlaubskräfte) ist mit ca. 200 - 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern relativ hoch. Zeitarbeitskräfte erhalten niedrigere Löhne und haben nur in beschränktem Umfang Anspruch auf betriebliche Sozialleistungen.

Das TNAP-Produktionswerk der DaimlerChrysler AG vereinigt laut Aussage der Geschäftsleitung »Best Practices« aus DaimlerChrysler-Werken weltweit mit dem Ergebnis zahlreicher Synergien in der Produktion von Toledo North. Schon in der Planungsphase wurden Fertigungsprozesse aus den Werken, in denen Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz produziert werden, berücksichtigt und beim Bau der Produktionsanlagen in Toledo North umgesetzt. »Wir haben die Fabrik flexibel und schlank gestaltet, und wir haben unsere Prozesse >fehlersicher< gemacht, um Spitzen-Qualität zu gewährleisten«, betonte Gary Henson, der bei der Chrysler Group für die Produktion verantwortliche stellvertretende Vorstandsvorsitzende.

Der Produktionsprozess in Toledo North ist so gestaltet, dass die Fertigung automatisch gestoppt wird, sobald Qualitätsstandards nicht eingehalten werden. Außerdem werden die Fahrzeuge während des Rohbau-, Lackier- und Montageprozesses ständig kontrolliert und einer Reihe weiterer Tests unterzogen, nachdem sie das Endmontageband verlassen haben. »Der neue Jeep vereinigt in sich alle legendären Eigenschaften der Marke. Wir werden mit diesem faszinierenden Fahrzeug nahtlos an die großen Erfolge der Marke Jeep anknüpfen«, so Dieter Zetsche anlässlich der Werkseröffnung. »Doch der Start der Serienproduktion des neuen Jeep markiert nicht nur ein wichtiges Datum für die Marke, sondern für unser gesamtes Unternehmen«, so Zetsche weiter. »Denn unser neues Werk in Toledo ist auf dem neuesten Stand der Technik und zeigt, was besonders in Bezug auf Qualität und Flexibilität in der Fertigung möglich ist, wenn wir das Potenzial von DaimlerChrysler nutzen und die besten Produktionsprozesse und Erfahrungen aus unseren Werken auf der ganzen Welt bündeln. Ich habe keinen Zweifel, dass der neue Jeep einen wichtigen Beitrag zum Turnaround der Chrysler Group leisten wird.«

Dazu soll auch die Arbeitsorganisation beitragen: Das Unternehmen verfolgt eine strikte Politik zur Begrenzung der Abwesenheitsrate, die sehr niedrig liegt: Jedes unentschuldigte Fehlen führt zu einem Disziplinarschreiben, nach fünf Schreiben folgt die Kündigung. Bei »guter Führung« über mehr als ein halbes Jahr kann eine der Stufen des fünfstufigen Disziplinarverfahrens erlassen werden. Derzeit verfolgt das Unternehmen das Ziel, auf einen Zehn-Stundentag umzustellen - ohne Überstundenzuschläge für die über acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit. Im Mai 2003 wurde mit der Gewerkschaft ein Abkommen zur Einführung der vier-Tagewoche mit Zehn-Stunden-Schichten abgeschlossen - ohne dass die Gewerkschaftsmitglieder befragt wurden. DaimlerChrysler will darüber hinaus das System der Job-Klassifikation ändern: Aus bislang 4 - 5 Entgeltgruppen im Bereich der qualifizierten Tätigkeiten sollen künftig nur noch zwei Gruppen werden. Weiterer Personalabbau ist ebenfalls geplant.

dc-exchange Germany

Quellen: Auto News vom 2. Mai 2001; Wolfgang Menzel: »Das Gewissen der >Welt-AG<«, in: Friedensforum, Nr. 3/1999, George Windau (Betriebs-Schlosser bei Toledo); eigene Recherchen

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 2/05


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