letzte Änderung am 4. Okt. 2002

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Tribuna Metalurgica vom 2. 10. 2002

DaimlerChrysler - Widerstand wieder aufgenommen worden

Mit der Arbeitsniederlegung in einigen Bereichen, u.a. Werkzeugmacherei, haben die Arbeiter bei DaimlerChrysler gestern ihren Widerstand gegen die Entlassungen in Sao Bernardo wieder aufgenommen.

Diese Entscheidung wurde in den Versammlungen vor Schichtbeginn getroffen, als die Kollegen darüber informiert wurden, dass DaimlerChrysler die Verhandlungen mit der Fabrikkommission und der Gewerkschaft unterbrochen und auf willkürliche Weise am letzten Montag 206 Arbeiter entlassen habe.

Etwa 400 Kollegen zogen durch mehrere Sektoren der Fabrik, bis hin zur Motorenmontage, wo sie mit 100 weiteren Kollegen eine Versammlung abhielten. Die ganze Aktion dauerte 3 Stunden, danach gingen sie an die Arbeit zurück.

Valter Sanches von der Koordination der Fabrikkommission bekräftigte, dass die Bewegung so lange fortgesetzt würde, bis das Unternehmen seine Position revidieren würde. Als am 16. August die angekündigten 570 Entlassungen zurückgenommen wurden, habe sich DaimlerChrysler dazu verpflichtet, eine Lösung auf dem Verhandlungswege zu suchen. "Jetzt hat es einseitig die Verhandlungen abgebrochen und dabei den Verhaltenskodex nicht respektiert, den es am 19. September d.J. unterschrieben hatte."

In diesem Dokument verpflichtet sich das Unternehmen, den Verhandlungsweg zu suchen vor jeglicher Entlassung. Jetzt haben sie nicht gehalten, was da versprochen wurde. Deshalb hat man das "Welt - Komitee der Arbeiter bei DC" angerufen. Der Präsident dieser Organisation, Erich Klemm, hat umgehend seine Solidarität mit den brasilianischen Arbeitern bekundet und sucht bereits Kontakt mit der Firmenleitung in Deutschland.


Tribuna Metalurgica  vom 1.10.2002:

Daimler entläßt 206 Leute. Heute Protest

DaimlerChrysler hat gestern 206 Arbeiter aus verschiedenen Bereichen entlassen. Heute veranstaltet die Gewerkschaft zu Schichtbeginn Versammlungen und entscheidet über eine Antwort auf diese Willkür.

Die Zahl der Entlassenen ist die Differenz zwischen den 570, die man für das Programm des Freiwilligen Ausscheidens erwartet hatte, und denen, die sich tatsächlich dafür gemeldet haben, nämlich 360. Alle Bereiche der Fabrik sind von den Entlassungen betroffen.

"Die rezessive wirtschaftliche Situation, das Fehlen von Entwicklung und von Industriepolitik schaffen ein Klima für solch willkürliche Verhaltensweisen" protestierte der Gewerkschaftsführer Valter Sanches. Im übrigen sind seit gestern 2 700 Kollegen für zwei Wochen in kollektivem Zwangsurlaub.

"Es ist sehr einfach für die Fabrik, ihre Probleme auf dem Rücken der Arbeiter zu lösen", so Sanches weiter.

Für ihn sind die Entlassungen ein Affront gegen den kürzlich unterzeichneten Verhaltenskodex. Der ist eine Art Tarifvertrag, der für alle Werke des Unternehmens auf der ganzen Welt gilt. Einer der Punkte darin lautet, dass immer gemeinsam nach Lösungen gesucht werden soll, bevor einseitige Maßnahmen ergriffen werden.

 

Hintergrund: Vorgänge bei DaimlerChrysler in Brasilien im Sommer 2002

1. Ende Mai kündigt die Werksleitung an, in Sao Bernardo und Campinas etwa 700 Angestellte und indirekte Arbeiter mit Hilfe eines Programms Freiwilligen Ausscheidens zu entlassen. Eine Senkung der fixen Kosten soll im Rahmen einer "Kampagne zur Wettbewerbsfähigkeit" durchgeführt werden. Bereits im Jahr davor war ein solches Programm aufgelegt worden, das gerade in der Endphase war.

Die Belegschaft reagiert direkt massiv. Sie befürchtet u.a., dass Sao Bernardo vor allem der Entwicklungsbereiche beraubt und das Werk zum simplen Montagebetrieb degradiert werden solle und so an Bedeutung im Gesamtkonzern verlieren würde. Allein die Androhung von Mobilisierung bringt die WL dazu, die Pläne einstweilen zurückzunehmen und mit Fabrikkommission und Gewerkschaft andere Lösungen zu suchen.

2. Wochenlange Diskussionen bringen die Sache nicht weiter. So erneuert die Werksleitung Anfang August die Pläne und erklärt sich bereit, 20 Monate lang, also bis Ende März 2004 keine Entlassungen vorzunehmen. Drei Tage lassen sich die betroffenen Beschäftigten Zeit und stimmen am 13. August gegen die vorgebrachten Pläne (wegen eine Empfindung dass es wahrscheinlich Entlassungen geben würden), via Freiwilligen Ausscheidens die Belegschaft um 560 Leute zu reduzieren.

3. Daraufhin beginnt die Werksleitung am 16. 8.(freitags !!) individuelle Entlassungen auszusprechen. Am 21., 23. und am 26. verlassen dann die betroffenen Kollegen ihre Arbeitsplätze und marschieren protestierend durch die Fabrik. Zugleich wird Unterstützung beim neu gegründeten Welt-Arbeitnehmer-Kommité gesucht.

4. Am 29. August zieht die Werksleitung die Entlassungen zurück. Am Tag darauf stimmen die Beschäftigten folgendem Kompromiss zu:

5. Am 18. (also heute) werden sich Werksleitung und Arbeitnehmervertreter zusammensetzen, das Ergebnis auswerten und über weitere Schritte verhandeln.

6. Wichtig zu sagen ist: Wir akzeptieren keine Entlassung! Das wurde auch vom Vorsitzender der Arbeitnehmervertretung bei DC, E.Klemm, an Vorstand deutlich gesagt.

7. In der Verhandlung vom 18. September einigten sie sich über eine Verlängerung des Freiwilligen Ausscheidungsprogramms, für das sich bis dahin 40 % der angestrebten Zahl (570) gemeldet hatten.

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