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Updated: 18.12.2012 15:51
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Der ewige Traum vom Business ohne Risiko

Der District Court in San Francisco hat entschieden, das Verfahren gegen die Daimler AG nicht zu eröffnen. Die Hinterbliebenen der ermordeten Betriebsräte von Mercedes-Benz Argentina hatten 2004 geklagt. Die Rechtsgrundlage ist das Alien Tort Claims Act (ATCA) aus dem Jahr 1789, das Ausländern den Zugang zu US-Gerichten erlaubt, wenn internationales Recht verletzt ist.

Die Kläger werfen dem deutschen Autobauer vor, sich während der argentinischen Militärdiktatur seiner unbequemen Betriebsräte entledigt und Babys von verschwundenen Regimegegnern angeeignet zu haben. In Deutschland wurden die Verfahren nicht eröffnet bzw. eingestellt, obwohl Verbrechen gegen die Menschheit nicht verjähren. Das Oberlandesgericht Karlsruhe verhinderte sogar die Klagezustellung, da die nationale Sicherheit in Gefahr sei. Die Strafverfahren in Argentinien kommen nicht voran, Akten verschwinden, Beweisanträge werden verfälscht, Zeugen bedroht. Da schien der Weg in die USA die letzte Möglichkeit, Gerechtigkeit herzustellen. Und nicht zuletzt der Amtsantritt von Präsident Obama liess die Kläger hoffen.

Doch zwei von drei Bezirksrichtern haben das negative Urteil der ersten Instanz bestätigt. Die Daimler AG hatte behauptet, dass die Souveränität Deutschland durch das Verfahren in Kalifornien gefährdet wäre. Und die Richter waren ihnen gefolgt, in der ersten wie jetzt in der zweiten Instanz. Es gäbe ein „alternatives Forum“ (also einen anderen Gerichtsort wie Argentinien oder Deutschland), und Mercedes-Benz-USA sei nicht direkte Agentin des Stuttgarter Unternehmens und daher für die Handlungen der Daimler AG nicht gerichtlich zu belangen. Die beiden kalifornischen Richterinnen taten damit etwas, was nur dem Kongreß zusteht: ein Gesetz zu annullieren.

Mit keinem Wort gehen sie auf die von den Klägern vorgebrachten Argumente ein, sondern stellen jonglieren mit Formalien: die Daimler AG besitze über ihre US-Niederlassung keine „systematische Kontrolle“, was damit bewiesen sei, daß sich vor acht Jahren einmal MB-USA geweigert hatte, die G-Klasse zu verkaufen.

Auf über der Hälfte der 32-seitigen Urteilsbegründung [1] bringt Richter Stephen Reinhardt seine abweichende Meinung zu Papier. Es scheint, daß nur er die Akte gelesen hat. Durch ein abweisendes Urteil, so Reinhardt, werden ausländische Konzerne vor der US-amerikanischen Justiz geschützt, während sie gleichzeitig auf dem US-Markt astronomische Profite einfahren. Die deutsche Daimler AG erziele 45 Prozent ihres gesamten Gewinnes mit Verkäufen in den USA, alleine aus Kalifornien stammen 2,4 Prozent. Das Stuttgarter Unternehmen ist alleiniger Inhaber des Aktienkapitals von Mercedes-Benz-USA, und die Niederlassung muß alle Werbekampagnen und die Besetzung von Chefposten absegnen lassen.

Durch die Eröffnung eines Verfahren würde die deutsche Souveränität nicht verletzt. „Als die Daimler AG beschlossen hat, in den Vereinigten Staaten Geschäfte zu machen, ist sie das Risiko eingegangen, Objekt der US-Justiz zu werden“ (Reinhardt). Die Aufklärung der Ereignisse liege auch im Interesse der USA, um „den ewigen Traum zu realisieren, daß Menschen nie mehr brutale Gewalt erleiden müssen“. Die beiden Richterinnen sahen das anders.

Unklar ist, ob politischer Druck aus Berlin bei der Entscheidung mitgespielt hat. Zwar teilte mir das deutsche Aussenministerium mit, dass die „Bundesregierung (keine) Einwände gegen das Verfahren erhoben hat“. Das Bundeskanzleramt allerdings verweigert bis heute eine Antwort, ob und wenn ja welche Meinung Angela Merkel zu den Menschenrechtsverletzungen in Argentinien hat.

Das Stuttgarter Unternehmen ist mit dem Urteil aus San Francisco „dem ewigen Traum“ des Kapitals näher gekommen, überall auf der Welt Geschäfte zu machen aber nirgendwo dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Business grenzenlos und risikolos.

Daß die US-Justiz den Inhalt des ATCA aufgehoben hat, war nur der erste Schritt. Denn dass sich die Konzerne auch nicht vor einem „alternativen Forum“ verantworten wollen, zeigt gerade die Chevron Corp. auf ihrer homepage [2]. Sie hat jahrelang den Regenwald Ekuadors zerstört und steht in Quito vor einem Zivilgericht. Es geht um eine Entschädigung von 27 Milliarden Dollar. Die Richter seien voreingenommen und korrupt, sollen heimlich aufgezeichnete Videoaufzeichnungen belegen. Chevron will offensichtlich verhindern, daß ein Urteilsspruch aus Quito in den USA vollstreckt wird.

Artikel von Gaby Weber vom 06.09.2009


(1) Das komplette Urteil kann von der homepage der Autorin heruntergeladen werden: www.gabyweber.com/prozesse.php externer Link

(2) www.chevron.com/ecuador externer Link


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