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Updated: 18.12.2012 15:51
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Daimler: Yes, we can!

Verfahren gegen Daimler AG in San Francisco

Am Dienstag, um neun Uhr, pazifischer Zeit, wird im Courtroom No. 1 des Berufungsgerichts in San Francisco das Verfahren "Baumann gegen Daimler AG" verhandelt. Es geht um die Morde an 14 Gewerkschaftern bei Mercedes Benz Argentina während der Diktatur (1976 bis 83).

Das Verfahren in San Francisco kann ein Präzedenzfall werden, der Menschenrechts- und Verbraucherverbänden aus aller Welt den Weg zu US-Gerichten ebnet. Nur dort sind Geldstrafen und Entschädigungen zu erzielen, die den Unternehmen weh tun. So weh, dass Corporate America seit dem Amtsantritt von George W. Bush eine massive Kampagne startete, angeführt vom Justizministerium, der Handelskammer und dem American Petroleum Institute. Für sie besonders bedrohlich war, dass zunehmend Ausländer in den USA klagten und sich dabei auf das Alien Tort Claims Act (ATCA) stützten. Das Gesetz aus dem Jahr 1789 war ursprünglich gegen Piraten gerichtet, die in den karibischen Bananenrepubliken nicht verfolgt werden konnten. Ab 1980 gruben es Menschenrechtsorganisationen aus, um südamerikanische Folterer, die in ihren Ländern von der Amnestie geschützt wurden, vor US-Gerichte zu bringen.

Auch die argentinischen Kläger stützen sich in dem Verfahren gegen Daimler auf das ATCA. Zunächst schien die Einreichung der Zivilklage wenig aussichtsreich. 2003 waren die Kläger gegen Chevron wegen der Verpestung des ekuadorianischen Regenwaldes abgewiesen worden; Ekuador sei das "more appropriate forum", weil dort die Ereignisse stattgefunden haben und dort die meisten Zeugen sässen, urteilten die Richter. Doch im folgenden Jahr wurde im Sosa-Verfahren das ATCA bestätigt, und die US-Anwälte Daniel Kovalik und Terry Collingworth, unterstützt vom International Labour Rights Fund, erhebten Klage gegen Daimler. Sie klagen auch gegen Coca-Cola wegen ihrer Zusammenarbeit mit den kolumbianischen Paramilitärs.

Die Daimler AG will den Prozess in San Francisco verhindern. Ein "more appropriate forum" sei Deutschland, dem Firmensitz, oder Argentinien, wo die Morde passiert. Doch ein Zivilverfahren in diesen Ländern ist nicht nur aus juristischen Gründen unmöglich. In Argentinien hat die Regierung in den neunziger Jahren im Rahmen der Entschädigungszahlungen den Wert eines Verschwundenen mit 220.000 Pesos festgesetzt. Multipliziert mit 14 (Verschwundenen) ergibt das 3.080.000 Pesos, etwa 700.000 Euro. Dieser bescheidenen Summe steht entgegen, dass nach den Morden bei Mercedes Benz die Produktivität von 40 auf 100 Prozent stieg, wie die Manager im Prozess aussagten. Bei einer in Argentinien zu erwartenden Geldstrafe von maximal 700.000 Euro hätte sich also die Methode für die Gewinnmaximierung bewährt.

Und in Deutschland bedroht das Zivilverfahren die nationale Sicherheit. Mit dieser Begründung hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe, auf Antrag von Daimler, die Zustellung der US-Klage an Unternehmen in Untertürkheim ausgesetzt. Kein "appropriate forum" also.

Heute wird nur über die geographische Zuständigkeit verhandelt. Wird sie bejaht, wird das Verfahren gegen Daimler eröffnet. Erst dann werden Zeugen gehört, Beweise gesichtet werden.

Den Anwälten mangelt es nicht an Beweisen für die Zusammenarbeit von Mercedes-Benz Argentina mit den Militärs. Hector Ratto hatte gehört, wie der Produktionschef Juan Ronaldo Tasselkraut die Adresse eines Kollegen an die Polizei gab. In der selben Nacht wurde der Kollege verschleppt. Ratto sah ihn im Folterzentrum wieder, danach fehlt von ihm jede Spur. Die Firma hat ihren Betriebsrat Esteban Reimer dem Geheimdienst gegenüber als "Aktivisten" denunziert. Dies gab sogar der von Daimler bezahlte Professor Christian Tomuschat in seinem Gutachten zu. Dann wurde auch Reimer verschleppt und ermordet.

Die Kläger versuchen seit fast zehn Jahren in Deutschland und Argentinien die Schuldigen vor Gericht zu bringen. Zahlreiche Strafverfahren waren und sind in dieser Sache anhängig. Die Staatsanwaltschaft in Nürnberg ermittelte ab 1999, stellte nach vier Jahren das Verfahren ein, weil nicht bewiesen sei, dass die Verschwundenen wirklich ermordet wurden und nicht eines Tages wieder auftauchen. Die Staatsanwaltschaft Berlin lehnte die Eröffnung eines Verfahrens gegen den deutschen Staatsbürger, den Manager Tasselkraut ab, in dessen Familie sich drei Kinder ungeklärter Herkunft befinden. Laut der vereidigten Zeugenaussage ihres Justiziars hatte Mercedes-Benz Brutkästen an Folterzentren gespendet, in denen Gefangenen ihre Neugeborenen geraubt wurden.

In Argentinien zeichnete sich nach dem Amtsantritt von Nestor Kirchner (2003) ein Ende der Straflosigkeit ab. Die Amnestiegesetze wurden für ungültig erklärt, die Verfahren gegen die Folterer sollten wieder aufgenommen werden, auch die Ermittlungen gegen die uniformierten und zivilen Verantwortlichen für das Verschwinden-Lassen der 14 Mercedes-Betriebsräte. Präsident Kirchner empfing die Witwen feierlich und versprach eine Untersuchungskommission. Doch es wurde weder eine Kommission eingesetzt noch ein Prozess eröffnet. Die Staatsanwaltschaft in Buenos Aires will nur allgemeine Beweise gegen die Firma aber keine konkreten Beweise gegen die Manager gefunden haben und schob das Verfahren in die Provinz ab. Daimler produziert in Argentinien den Sprinter-Transporter, 1.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.

Verlieren die Kläger, steht ihnen der Weg zu einem anderen Gerichtshof, in einem anderen Bundesstaat offen. Die Vereinigten Staaten bestehen aus 50 Bundesstaaten. Sie können mit Alabama beginnen, dann Alaska, Arizona, Arkansas und irgendwann in Wyoming landen.

Artikel von Gaby Weber vom 20.10.2008


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