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Updated: 18.12.2012 15:51
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Fragenkatalog von Gabriele Weber vor dem Wahrheitstribunal am 11.7.2001

Anläßlich ihrer Vernehmung vor dem "Wahrheitstribunal" in La Plata (Argentinien) hat die Journalistin Gabriele Weber dem Gericht einen dreiseitigen Fragenkatalog vorgelegt, der die Umstände des Todes mehrerer Mercedes-Betriebsräte in den Jahren 76 und 77 betrifft. Die Fragen sind während der Hauptverhandlung verlesen worden und sind Teil des Gerichtsprotokolls. Der Vorsitzende Richter, Herr Leopoldo Schiffrin, bat Frau Weber, bei ihrem Deutschlandbesuch DaimlerChrysler um Mithilfe bei der Beantwortung dieser Fragen zu bitten. Sie sind nun dem Vorstand wie dem Gesamtbetriebsrat zugestellt worden. Wir dokumentieren untenstehend diese Fragen. Etwaige Antworten werden übersetzt dem Gericht in La Plata zugestellt.


Dra. Gabriela Weber

Casilla 266
Montevideo/ Uruguay
Tel: (005982) 9027893
Fax: 9002636
Büro: 9001058
gweber@netgate.com.uy

 

Übersetzung der am 11. Juli 2001 dem "Wahrheitstribunal" (Juicio por la Verdad) in La Plata vorgelegten Fragen:

Im April 2001 hat sich anläßlich meiner Rede auf der Aktionärsversammlung von Daimler Chrysler in Berlin Daimler-CEO Jürgen Schrempp, vor über 10.000 Aktionären verpflichtet, mit der Justiz zusammen zu arbeiten, um das Schicksal von Estéban Reimer und anderen Arbeitern von Mercedes Benz, heute Daimler Chrysler, nach dem Putsch von 1976 aufzuklären.

Daher schlage ich vor, die folgenden Fragen der argentinischen Niederlassung und dem Mutterhaus in Deutschland zu stellen:

  • Mercedes Benz/ Daimler Chrysler Argentinien, Avenida Libertador 2424, Buenos Aires.
  • Daimler Chrysler AG, 70 Stuttgart. Alemania.

Am 24. Oktober 1975, dem Tag als der MB-Manager Heinrich Metz von der Gruppe "Montoneros" entführt wurde, erschien der MB-Manager Pablo Ruben Cuevas bei der Bundespolizei - dies geht aus einem Dokument hervor, das ich anfüge, entnommen der Strafakte in Sachen räuberische Erpressung/ Heinrich Metz - um Informationen über das Delikt anzugeben. Er teilte ihr die Namen der Betriebsräte mit, samt Nummer des Personalausweises und Privatadresse, darunter der Name von Hugo Ventura. Er (Cuevas) beschuldigte einige der Genannten, Kontakte zu subversiven Bewegungen zu unterhalten.

 

Hat Herr Cuevas im eigenen Namen gehandelt oder, wie er angab, im Namen und in Vertretung der Firma?

War die Firma, anläßlich der Metzentführung, der Meinung, daß Mitglieder des Betriebsrates in direkter oder indirekter Form etwas mit dem Delikt zu tun habe, wie mir leitende Mitarbeiter der Firma in Tonband-Interviews erzählt haben?

Wie erklärt die Firma die unterschiedliche Höhe des Lösegeldes, das den Metz-Entführern gezahlt wurde? Die Manager Cuevas und de Elias wollen vier Millionen übergeben haben während ex-Montoneros ihren eigenen Angaben zufolge zwei Millionen erhalten haben.

Wie erklärt die Firma die unterschiedliche Höhe des Lösegeldes, das die argentinischen Manager mit vier Millionen beziffert haben, während das Mutterhaus in Deutschland 7,5 Millionen Dollar gezahlt haben soll, eine Summe die vom deutschen Finanzamt als Betriebsausgabe anerkannt worden ist?

Hält es die Firma eine Verbindung zwischen den Betriebsräten, die systematisch ermordet worden sind, und der Differenz des Lösegeldes für möglich?

Die Ehefrau von Esteban Reimer hat vor diesem Gericht ausgesagt, daß ihr Mann am 4. Januar 1977, zusammen mit einem anderen Mitglied des Betriebsrates, an einem Treffen mit Führungskräften der Firma teilgenommen hat, um Arbeitsprobleme zu diskutieren. Laut ihrer Aussage wurde ihrem Mann dabei ein Bestechungsgeld angeboten, um Probleme zu lösen, was Herr Reimer ablehnte. Die Zeugin sagte aus, daß in der selben Nacht ihr Mann zu Hause verhaftet worden ist, und daß als Begründung der Verhaftung in ihrem Beisein angegeben wurde: "wegen der Firma". Welcher Zusammenhang besteht zwischen den beiden Ereignissen?

Hat die Firma in direkter oder indirekter Form den Anlaß zu den in dieser Nacht erfolgten Vorgängen, mit der Verhaftung von Herrn Reimer und Herrn Hugo Ventura, gegeben?

Maria Ester Ventura, Schwester von Hugo Ventura, erklärte mir im Interview, daß sie nach der Verhaftung ihres Bruders den Manager Pedro de Elias gebeten habe, sich für Hugo Ventura bei den Behörden zu verwenden und einen Habeas-Corpus-Antrag zu stellen, um seinen Aufenthaltsort herauszufinden. Frau Ventura hat mir erzählt, daß sich Herr de Elias geweigert und sie statt dessen einem Verhur unterzogen habe. Ist der Firma dieses Verhalten bekannt? Falls ja, wie beurteilt die Firma das Verhalten von Herrn de Elias? Und welche konkreten Maßnahmen wurden getroffen?

Ist der Firma die Zusammenarbeit ihrer Führungskräfte mit Personen bekannt, die willkürliche Hausdurchsuchungen und Verhaftungen vornahmen und Repressalien gegen Arbeiter der Firma ausübten? Ist ihr bekannt, daß Juan Josö Martin, Sprecher des Betriebsrates, im April 1976 unter Mitwirkung seiner Vorgesetzten in der Fabrik verhaftet wurde? Falls ja, welche Maßnahmen wurden gegen die Verantwortlichen ergriffen?

Über welche privilegierte Informationsquelle verfügte die Firma, um der Ehefrau des Herrn Martin, der sich in illegaler Haft befand, in einem Telegramm mitzuteilen, daß dieser am folgenden Tag auf freien Fuß gesetzt würde, wie mir Herr Martin in einem Interview mitgeteilt und in seiner konsularischen Vernehmung in der Deutschen Botschaft ausgesagt hat?

Verfügte die Firma über dieselben privilegierten Informationsquellen in den Fällen der Verhafteten, die ermordet wurden?

Der Arbeiter Hector Anibal Ratto sagte im Prozeß gegen die Junta-Kommandanten und in seiner konsularischen Vernehmung in der Deutschen Botschaft aus, daß anläßlich seiner Verhaftung in der Fabrik, der Manager Juan Ronaldo Tasselkraut, in seiner Gegenwart den Sicherheitskräften die Privatadresse des Arbeiters Diego Nunez mitteilte, welcher in derselben Nacht zu Hause, unter dieser Adresse, verhaftet wurde und von dem seither jede Spur fehlt. War der Firma dieses Vorgehen bekannt? Falls ja, wie verhielt sich die Firma?

Aufgrund welcher Qualifikationen wurde Ruben Luis Lavallen - später zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wegen Raubes eines Kindes von einem verschwundenen Ehepaar - um im Jahr 1978 zum Sicherheitschef der Firma ernannt zu werden, während seine vorangegangene Tätigkeit als Kommissar im Revier in San ,lusto.(Brigada de Investigaciones) bekannt waren? In diesem Revier wurden viele Menschen gefoltert, darunter der Betriebsrat Juan Jose Martin?

Auf welcher betriebswirtschaftlichen Basis wurden die Pensionen an die Hinterbliebenen der genannten Verschwundenen ausgezahlt?

Kann die Firma eine komplette Liste der Hinterbliebenen vorlegen, die diese Pensionen erhalten haben, inklusive des genauen Betrages und des Zeitraums der Zahlungen?

Über welche Informationen verfügte die Firma, um unterscheiden zu können, aus welchem Grund Arbeiter nicht am Arbeitsplatz erschienen? Wie konnte sie unterscheiden, wer von den Repressionskräften verhaftet und ermordet worden war und wer sich vor den Repressionskräften versteckte?

Hat die Firma im Falle der "verhaftet/ verschwundenen" Arbeiter diese aufgefordert, am Arbeitsplatz zu erscheinen, wie es die argentinischen Arbeitsgesetze vorschreiben?

Welche Dokumente mußten die Hinterbliebenen vorlegen, um die Pensionen zu erhalten, um zu beweisen, daß sie zum Erhalt dieses Geldes ermächtigt seien?

Hat die Firma diese Pensionen auch an Familienangehörige von Arbeitern gezahlt, die nicht von Sicherheitskräften verfolgt wurden sondern aufgrund einer eigenen Entscheidung oder aufgrund eines natürlichen Todes nicht am Arbeitsplatz erschienen waren?

Hat die Firma oder einer ihrer Angestellten die Auszahlung dieser Pensionen an Bedingungen geknüpft, um Dinge zu tun oder zu unterlassen?

Existieren im Firmenarchiv Dokumente oder Zahlungsbelege über die Verteilung dieser Gelder?

Finden sich in den Bilanzen oder Geschäftsunterlagen Beschlüsse bezüglich der verschwundenen Arbeiter?

Befindet sich im Firmenarchiv irgendein Dokument, in dem die argentinische Niederlassung dem Mutterhaus in Deutschland oder ihren Repräsentanten gegenüber die Ereignisse, das Verhalten und die Entscheidung der Firma schildert? Und findet sich ein Hinweis darauf, ob dieses Verhalten vom Mutterhaus gebilligt worden ist?


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