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Ehemalige Arbeiter von Mercedes Benz, Argentinien: "Für Erinnerung und Gerechtigkeit"

JOSÉ RODRÍGUEZ UND DIE VERSCHWUNDENEN VON MERCEDES BENZ

 

Am 16. August 2001 erschien José Rodríguez, Generalsekretär von SMATA (argentinische Automobilarbeitergewerkschaft), im Wahrheitsprozess in La Plata als Zeuge. Er war von den Richtern am Oberlandesgericht La Plata, Julio Reboredo y Leopoldo Schiffrin, vorgeladen worden, um über das Schicksal des verschwundenen Mercedes-Arbeiters Estéban Reimer auszusagen.

"Ich erfuhr von den Verschwundenen von Mercedes Benz über CONADEP (Nationale Kommission für die Aufklärung des Schicksals der Verschwundenen, Anm. d. Ü.), für mich waren sie einfach verhaftet worden."

Die ersten Kollegen, die bei Mercedes Benz verschwanden, waren José Vizzini (14. Dezember 76), Víctor Ventura und Esteban Reimer (5. Januar 77). Von Anfang an wurde von "Verschwinden" geredet und es wurden Nachforschungen über ihr Verbleib angestellt. Am Montag, den 10. Januar 77, wurden sie von der Tageszeitung Crónica als Verschwundene gemeldet. Unter anderem wurden damals beim Geheimdienst SIDE (Oberstleutnant Muzzio), beim Heer (Oberst Gámen), bei der Liga für Menschenrechte, Monsignore Pío Laghi, und im Register von La Tablada (Oberstleutnant Minicucci) Nachforschungen angestellt. Bittschriften mit über 2000 Unterschriften von Mercedes-Benz-Arbeitern gingen an Generaleutnant Videla, General Ojeda (Chef der Bundespolizei), Kommodore Porcile (Kontrolleur des CGT) und an General Américo Saint Jean (Gouverneur von Buenos Aires). Auch der für SMATA zuständige, von den Militärs eingesetzte Zwangsverwalter, Oberstleutnant Marture, wurde eingeschaltet und hingewiesen (siehe auch die Ausführungen im Kommuniqué Nº2 des Betriebsrats an die Mitarbeiter) ...."daß man erneut die Ereignisse und den Ablauf der Verhaftungen dargestellt hatte, wobei nachdrücklich der gute Ruf und die moralische Integrität der Kollegen betont wurden". Der Oberstleutnant zeigte sich höchst besorgt über die Geschehnisse, und nachdem er einige Überprüfungen vorgenommen hatte, verpflichtete er sich, alle ihm möglichen Ermittlungen anzustellen und uns über jegliche neue Entwicklung auf dem Laufenden zu halten".

Jedes Mal, wenn jemand verschwand, wurden die gleiche Schritte unternommen: bei der Verschleppung Martín und Ratto (die überlebten), Juan José Mosquera (17-8-77), Alberto Gigena (13-8-77), Alberto Francisco Arenas (19-8-77), Hector Alberto Belmonte (15-8-77), Fernando Del Conte (12-8-77), Diego Núñez (13-8-77). Ist es angesichts all dieser Fälle glaubwürdig, dass José Rodríguez nichts davon erfuhr?

"Die Beschlüsse wurden von den Zwangsverwaltern des Militärs gefasst. Ich konnte nichts tun. Ich kämpfte ABER ALS PRIVATPERSON weiter und schlichtete Konflikte, die die ZWANGSVERWALTER nicht lösen konnten. Verrückt, wie ich nun mal bin." (J.Rodriguez)

Wie steht es nun? Hatte er die Möglichkeit oder hatte er keine? Auch wenn es formal so ist, dass Rodríguez während der Diktatur die Gewerkschaft nicht leitete, spricht die Realität eine andere Sprache. Er hat innerhalb der Gewerkschaft nie an Macht verloren. Weder er noch seine Kumpel von der "grünen Liste", Angel Rascovich, Raúl Amín, Navarro, Pardo etc.

Er sagte, dass er an den Hilfsmassnahmen für die 26 Ford-Arbeiter beteiligt war, die verhaftet worden waren und der Subversion der Gewerkschaft beschuldigt wurden.

In den Unterlagen zum Fall Ford wurde nichts gefunden, was diese Aussage betätigte. Er wusste sicher auch nichts von den Konzentrationslagern, in die man die verhafteten Arbeiter gebracht hatte und sie folterte.

"Bei meinen Kindern und Enkelkindern, bei Gott und bei allem was mir heilig ist, damit hatte ich nichts zu tun."

In einer Nachricht an den Justizminister Justicia Corvalán Nanclares vom 5 November 75 beantragte Rodríguez die Überwachung von Mercedes Benz (das Unternehmen hatte den Montoneros Geld für die Freilassung des entführten Betriebsleiters gezahlt), dabei bezeichnete er die Arbeiter folgendermaßen: "Gruppe von Provokateuren, subversiven Gruppen angeschlossen", "ein Betriebsrat, der nicht zur Gewerkschaft gehört und ein Kind der Subversion ist", "zielloser Streik, als Provokation gedacht mit dem alleinigen Ziel, die Arbeiter als Versuchstiere für aufrührerische Zwecke zu nutzen", "Streik mit subversiven Motiven", "typische Tat der Wirtschaftsguerilla", "gedungene Meuchelmörder des sklavenhalterischen Marxismus".

Ähnliche Ausdrücke wurden auch in zwei Anzeigen in der Tageszeitung Clarín vom 22. Oktober 1975 verwendet, die vom Vorstand von SMATA und der grünen Liste, was ein und dasselbe ist, unterzeichnet worden waren. Ist das nicht etwa die Sprache, wie sie die Diktatur gebrauchte? Diese Sprache der Spitzel – könnte es nicht möglich sein, dass er es war, der die Namen der verschwundenen Genossen weitergab?

Er erklärte, dass der Streik im Oktober 1975 in einer der zu SMATA gehörenden Fabriken STattfand und dass die Gewerkschaft nichts mit den 115 (es waren 117) Entlassungen zu tun hatte.

Es war nicht einfach irgendein Streik in einer beliebigen Fabrik. Es war eine Auseinandersetzung zunächst mit der Gewerkschaft um paritätische Versammlungen und interne Wahlen, da sich SMATA seit mehr als einem Jahr in den Betriebsrat einmischte, indem sie überall im Werk Schläger postierte. Bei den Entlassungen am 8. Oktober 1975 beteiligte sich mit dem Unternehmen ein neuer Akteur an dem Konflikt. Unter den 117 Entlassenen waren die 45 Genossen, die am Vortag zur Gewerkschaft gegangen waren, um zu versuchen, den Konflikt zu entschärfen. Was Rodríguez "einen künstlichen Konflikt, produziert von Agenten des Chaos und der Subversion" nannte, war eine einzigartige Erfahrung in gewerkschaftlicher Demokratie, auf die wir heute noch stolz sein können, wie etwa die Ereignisse des 8. Oktober 1975, als 4000 Arbeiter, als sie von den Entlassungen erfuhren, mit dem Ruf "entweder 4000 drinnen oder 4000 draußen" die Fabrik verließen; oder die Genossen des Wärmekraftwerks, die gesetzlich an Streiks gehindert sind, aber dem Streikfonds ihren Lohn zur Verfügung stellten; oder die Proteste, nachdem SMATA sämtlichen Arbeitern von Mercedes Benz die Sozialleistungen strich; oder die Tausende von Unterschriften, mit denen während der ganzen Zeit der Diktatur jede Anfrage über den Verbleib der Verschwundenen unterstützt wurde.

 

"DAS IST EINE BÖSWILLIGE FRAGE"

Das war seine Antwort auf die Frage von Rechtsanwalt Gluzmans von der Menschenrechtsorganisation APDH in La Plata, ob er irgendwelche Untersuchungen angestellt habe, als ihm klar wurde, dass sie tatsächlich verschwunden waren. Diese Frage blieb unbeantwortet.

Es waren vor allem drei Bereiche der Autoindustrie, die besonders von den Militärs unterdrückt wurden: die Arbeiter bei Ford und bei Mercedes Benz und SMATA-Córdoba unter der Leitung von René Salamanca. Ist es ein Zufall, daß ausgerechnet diese drei Bereiche besonders gegen die Mafia von José Rodriguez gekämpft hatten?

Scheinheilig tritt Rodríguez heute als ein Kämpfer gegen Haushaltskürzungen und Entlassungen auf. Die Politik des Hungers und des gesellschaftlichen Ausschlusses, durch die heute Millionen von Arbeitern aus dem Produktionssystem "verschwinden", ist in direkter Linie Nachfolgerin der Politik des physischen Verschwinden-Lassens in den 70er Jahren. Die juristische Straflosigkeit ist nichts anderes als eine Belohnung für jene, die mittels Staatsterror ein neues Wirtschaftsmodell einführten. José Rodríguez weiß, dass er auf diese Straflosigkeit zählen kann. Deshalb verhöhnt er die Justiz und den Schmerz der Angehörigen und die Arbeiter, deren Vertreter er angeblich ist.

Aus diesem Grund erklären wir Ehemaligen Arbeiter von Mercedes Benz für das Erinnern und die Gerechtigkeit:

 

Für die ehemaligen Arbeiter von Mercedes Benz für die Erinnerung und Gerechtigkeit

Sie können mit uns über das Labournet Germany in Verbindung treten.

Übersetzung von JOSÉ RODRÍGUEZ Y LOS DESAPARECIDOS DE MERCEDES BENZ. Ex Trabadores de Mercedes Benz por la Memoria y la Justicia durch Eva-Maria Bach


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