Home > Branchen > DC > Argentinien > deutsch > Bewegung | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Bewegung kommt hinein in die Sache "Mercedes-Argentinien" Freiwillig haben sie sich nicht dazu durchgerungen, die Herren aus der Chefetage von Daimler Chrysler, auch dies wenn am Montag in allen Gazetten so dargestellt wird. "Spiegel" meldete exklusiv, daß auf seiner Jahrespressekonferenz der Gesamtsbetriebsratsvorsitzende des Daimler Chrysler Konzerns, Erich Klemm, die Bildung einer Untersuchungskommission unter der Leitung des Berliner Völkerrechtlers Christian Tomuschat bekannt geben wird. Es geht um die Vorwürfe, daß während der Militärdiktatur in Argentinien die Werksleitung von Mercedes Benz mindestens 14 unbequeme Betriebsräte bei den Militärs als "Terroristen" denunziert und damit zum Abschuß freigegeben hat. Laut Zeugenaussagen hat Werksleiter Juan Tasselkraut die Adresse eines Betriebsrats an Polizisten weitergegeben, der in der selben Nacht verschleppt und später ermordet wurde. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg ermittelt seit 3 Jahren wegen Beihilfe zum Mord in mehreren Fällen gegen Tasselkraut und die argentinische Niederlassung von Daimler Chrysler. Seit drei Jahren sitzt das Unternehmen in Untertürkheim die Angelegenheit aus, verzichtet auf Kommentare und schweigt auch penetrant auf den Hauptversammlungen der Aktionäre, wo sie mit diesen Vorwürfen konfrontiert werden. Die Journalistin Gaby Weber hat in dem Buch "die Verschwundenen von Mercedes Benz" den Fall ausführlich dokumentiert, und auch wenn die privaten Medien die Vorwürfe gegen den mächtigen Anzeigenkunden praktisch totgeschwiegen haben, übers Labournet und die linke Presse kamen die Fakten schließlich doch ans Tageslicht. Seit zwei Jahren fordern die "Kritischen Aktionäre" eine Untersuchungskommission. Sie schlugen den argentinischen Friedens-Nobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel vor, den das Unternehmen aber als "parteiisch" ablehnte. Jürgen Schrempp zog statt dessen die Karte "Amnesty International" aus dem Ärmel, wenn Amnesty das Heft in die Hand nehme, so Schrempp auf der HV, dann werde sich auch der Vorstand nicht in den Weg stellen. Grundsätzlich haben alle in dieser Sache bisher tätigen Gruppen und Personen die Einrichtung der Tomuschat-Kommission begrüßt. Tomuschat hat bereits die Wahrheitskonmission in Guatemala geleitet und gilt als integre Person. Die Details des Vertrages werden allerdings trotz mehrfacher Anfragen bisher geheim gehalten. Unklar ist also, welchen Zugang das Unternehmen zu hauseigenen Archiven gewährt, welche Aussagenehmigungen erteilt werden und ob die argentinischen und deutschen Strafverfolgungsbehörden unbegrenzten Zugang zu dem Material haben werden. Über die Rolle von Amnesty International hat man sich bei den "Kritischen Aktionären", bei der "Koalition gegen Straflosigkeit" und bei den Hinterbliebenen in Argentinien gewundert. Amnesty hat Geheimverhandlungen mit dem Unternehmen geführt, andere Beteiligte ausdrücklich ausgeschlossen und noch nicht einmal die Anfragen der argentinischen Familienangehörigen beantwortet. AI erlaubt es aber, daß sich das Unternehmen dem brutale Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden mit dem Etikett "Amnesty" schmückt und die Organisation als ihre Verteidigerin ins Feld führt. In der Meldung von dpa heißt dies so: "Konzernsprecher Schick: Wir können uns nicht vorstellen, daß die Vorwürfe zutreffen. Die Einsetzung der Kommission ist mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International abgesprochen". Die "Kritischen Aktionäre" und der "Republikanische Anwaltsverein" (RAV) unterstützen nachdrücklich die Strafanzeige, die ebenfalls am Montag (28.10.02) in Buenos Aires eingereicht wird. Darin beschuldigen die Hinterbliebenen der ermordeten Betriebsräte und Ex-Arbeiter von Mercedes Benz das argentinische Unternehmen Daimler Chrysler, die Gewerkschaftsführung und die Militärs, eine Kriminelle Vereinigung gegründet und sich an schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen beteiligt zu haben (§210 des Strafgesetzbuches), um die Rentabilität des Unternehmens zu erhöhen. Der Staranwalt Ricardo Monner Sans, der zuvor zumindest zeitweilig das Junta-Mitglied Galtieri und den früheren Präsidenten Carlos Menem wegen seiner illegalen Waffenschäfte in den Knast befördern konnte, hat den Fall übernommen. Der Fall steht juristisch auf soliden Beinen, zahlreiche Zeugenaussagen und Dokumente liegen vor. Auch die (noch) geltenden Amnestiegesetze greifen nicht, weil es sich nur Militärs, nicht Zivilisten nicht auf den "Befehlsnotstand" berufen können. Doch ob es wirklich zu Verhaftungen kommen wird, darf bezweifelt werden, dies ist wohl eine politische Frage. Und vor allem, seitdem der derzeitige argentinische Aussenminister Carlos Ruckauf in den Fall verwickelt wurde, gingen in der Regierung die Alarmsirenen an. Ruckauf hatte 1975, damals als Arbeitsminister, einen Streik der Mercedes-Arbeiter auf Antrag der Gewerkschaftsleitung für illegal erklärt, und laut einem jetzt bekannt gewordenen Brief von Hanns-Martin Schleyer vom 19. Mai 76 alles unternommen, "um subversive Elemente in den Betrieben auszuschalten". Dies ist ja dann bekanntlich auch geschehen. Dies ist das erste Mal in Argentinien, daß Unternehmen wegen der Verletzung der Menschenrechte angezeigt werden. Bisher war es immer um Militärs oder Polizisten gegangen. Sicher ist schon heute, daß er Fall Geschichte machen wird. Der Menschenrechtsausschuß des argentinischen Parlaments prüft seit vergangener Woche die von der Journalistin Gaby Weber übergebenen Dokumente, darunter den Schleyerbrief, die Liste der Werksleitung an die Politische Polizei mit Namen und Adressen der linken Betriebsräte und einen Brief des Gewerkschaftsbosses José Rodriguez, in dem er 1975 den Betriebsrat als "subversiv" bezeichnet. Der Ausschuß wird die Strafanzeige unterstützen und die Familienangehörigen bei ihrer Vorladung begleiten. Rodriguez übrigens ist bis heute Vizepräsident des IMB, des Internationalen Metallarbeiterbundes, Vertreter von Klaus Zwickel, der seine schützende Hand über ihn hält. Die österreichische Metallarbeitergewerkschaft hat bei der Zentrale des IMB in Gens eine Untersuchung gegen ihn einleiten lassen. Gaby Weber Die Recherchen für und die Anzeige selbst erfordern Geld. Wir erinnern daher an das vom LabourNet Germany verwaltete Spendenkonto: Konto M. Wompel |