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Updated: 18.12.2012 15:51
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Produktionskürzungen: Beschäftigte tragen die Folgen

Betriebsratsspitzen bei Daimler segnen Freischichten widerstandslos ab. Kritik linker Gewerkschafter

Artikel von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 30.10.2008

Wie sollen linke Belegschaftsvertreter mit den aktuellen Produktionskürzungen in der Autoindustrie umgehen? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Treffens der »Daimler-Koordination«, das am Montag und Dienstag in dem Siegerländer Örtchen Hilchenbach stattfand. Die Berichte der aus verschiedenen Werken des Stuttgarter Autobauers angereisten Aktivisten ähnelten einander deutlich: Leiharbeiter und befristet Beschäftigte werden auf die Straße gesetzt, die Minusstunden auf den Arbeitszeitkonten großer Teile der Belegschaften quellen über. Doch statt dem etwas entgegenzusetzen, segnen die Betriebsratsspitzen die geforderten Freischichten widerstandslos ab und tragen weitere Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten mit.

Die Produktionsreduzierungen in der Endmontage ziehen naturgemäß die Streichung von Schichten in den Zuliefer- und Komponentenwerken nach sich. Zum Beispiel bei Daimler in Kassel: Weil in Düsseldorf, Ludwigsfelde und im spanischen Vitoria weniger Achsen gebraucht werden, wurden auch hier die Werksferien verlängert und zusätzliche freie Tage angeordnet. Die ersten Leidtragenden sind Leiharbeiter und Befristete, deren Verträge allesamt beendet werden. Die paradoxe Folge der kurzfristig wirksamen »Personalanpassung«: Andere Arbeiter müssen trotz Krise Überstunden machen. »Es kann doch nicht sein, daß die Betriebsratsmehrheit so etwas auch noch zuläßt«, kritisierte Erich Bauer, Betriebsrat der Gruppe »AlternativeMetaller« bei Daimler in Kassel. Die Beschäftigtenvertretung habe ihre Möglichkeiten nicht genutzt, das Abwälzen der Krise auf die Beschäftigten zu verhindern. Die Chancen hierzu standen nämlich gerade in dem hessischen Werk nicht schlecht. Wegen Lieferengpässen war hier im Vorjahr eine Betriebsvereinbarung ausgehandelt worden, die festlegt, daß das Unternehmen die Hälfte der ausgefallenen Schichten auf eigene Kosten ausgleicht. »Auch die jetzigen Produktionskürzungen wurden nicht von den Beschäftigten verursacht, es gibt also keinen Grund, auf die Regelung zu verzichten«, betonte Bauer. Genau das aber tat die Mehrheit des Betriebsrats: Sie stimmte den geforderten Freischichten zu - jetzt geht der Produktionsausfall auch in Kassel allein auf Kosten der Belegschaft.

In Hamburg und Untertürkheim akzeptierte der Betriebsrat die Forderungen des Managements, mehr Schichten als zuvor einseitig anordnen oder streichen zu können. »Das ist ein weiterer Mosaikstein in der seit Jahren betriebenen Politik der Standortlogik«, erklärte Ulf Wittkowski aus Hamburg. »Die Betriebsratsmehrheit macht sich damit schlicht zum Erfüllungsgehilfen des Vorstands.« Michael Clauss, Betriebsrat im Daimler-Werk Untertürkheim, stellte fest, daß die aktuelle Flaute auf Dauer nicht allein über Arbeitszeitkonten aufgefangen werden kann. »Und dann stellt sich die Frage: Geht sie zu Lasten der Beschäftigten oder zu Lasten der Rendite? - Wir sollten dafür streiten, daß letzteres der Fall ist.« Zentrale Forderung der in der »Daimler-Koordination« zusammengeschlossenen Aktivisten ist die nach einer drastischen Reduzierung der Arbeitszeit. Konkret will die Gruppe unter anderem für die 30-Stunden-Woche und die Rente mit 60 eintreten.

Die Frage der Arbeitszeitverkürzung könnte demnächst auch von den Betriebsratsspitzen gestellt werden - allerdings mit entsprechendem Einkommensverzicht. Diese Möglichkeit sieht der sogenannte Beschäftigungssicherungstarifvertrag vor, der bei einer längeren Flaute zur Anwendung kommen könnte. »Damit würden die Beschäftigten aber ebenfalls für die kapitalistische Krise bezahlen. Deshalb ist es wichtig, daß wir bei Arbeitszeitverkürzung immer für vollen Lohnausgleich eintreten«, argumentierte Mustafa Efe aus Berlin. »Die Krise ist auch eine Chance für uns, solche Positionen wieder in den Belegschaften zu verbreiten«, so der Betriebsrat.

Klar ist aus Sicht der linken Kritiker, daß die von den Betriebsratsspitzen in den vergangenen Jahren betriebene Politik, Investitionszusagen durch Verzichtsangebote zu erkaufen, gescheitert ist. »All der Standortsicherungsvereinbarungen zum Trotz werden heute mit viel kleineren Belegschaften deutlich mehr Autos produziert - die Pakte haben den Arbeitsplatzabbau also nicht verhindert«, betonte Clauss. »Gegen diese gigantische Rationalisierung ist Arbeitszeitverkürzung letztlich das einzige Mittel.«


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