Home > Gewerkschaftslinke > Veranstaltungen > Kongress2005 > abschluss
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Abschlusserklärung der Konferenz der Gewerkschaftslinken
in Stuttgart, am 14./15.1.05

Sozialkahlschlag braucht Gegenwehr!

Die Angriffe der SPD/GRÜNEN-Bundesregierung, der bürgerlichen Parlamentsopposition von CDU/CSU und FDP sowie der Kapitalverbände auf das Sozialsystem haben eine neue Qualität erreicht. Ob Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung oder gewerkschaftliche Flächentarifverträge, ausnahmslos werden sie unter dem verharmlosenden Namen Agenda 2010 systematisch ausgehöhlt und in ihrer Substanz grundsätzlich in Frage gestellt. Durch diese als „Reform“-Politik getarnten Angriffe wird sich die Situation von vielen Millionen Menschen in und außerhalb der Betriebe drastisch verschlechtern. Noch mehr Armut wegen Erwerbslosigkeit und noch mehr Armut trotz Arbeit werden die Folge sein. In dieser Situation gilt es, die sozialen Errungenschaften mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen.
Die EU-Kommission will mit einer Richtlinie den gesamten Dienstleistungssektor in der EU deregulieren. Bei diesem antidemokratischen Kahlschlagsprojekt geht es um nichts anderes als dem Kapital neue Anlagefelder zu eröffnen und die Öffentlichen Dienstleistungen gewaltig einzuschränken, was nur auf Kosten der Lohnabhängigen und der Bedürftigen geht. Die zurzeit sich entwickelnde Kampagne gegen die so genannte Bolkestein-Richtlinie unterstützen wir und rufen die Gewerkschaften auf, allen Deregulierungsbestrebungen der EU entschlossenen Widerstand entgegenzusetzen.
Aber das allein reicht nicht aus! Selbst wenn z. B. die Hartz-Gesetze wieder abgeschafft werden, stellt sich die Frage, wie Erwerbslosigkeit und Armut zu bekämpfen sind und was wir der Ausdehnung ungeschützter Beschäftigungsverhältnisse sowie der steigenden Ausbeutung in den Betrieben entgegensetzen können.

Der Aushöhlung des Flächentarifvertrages entgegentreten

Die Gewerkschaftsführungen suchen den Flächentarifvertrag zu retten, indem sie dem Kapital Öffnungsklauseln anbieten. Die Folge ist eine Aushöhlung, was den Zielen der Unternehmer nach Verbetrieblichung entgegenkommt. Damit wird der Flächentarifvertrag seiner wichtigsten Wirkung, nämlich die Konkurrenz der Beschäftigten untereinander aufzuheben, beraubt, und er wird zu einer leeren Hülle entwertet. Dieser Tendenz müssen wir entgegentreten und versuchen sie rückgängig zu machen.
Massenerwerbslosigkeit, die Geisel des Kapitalismus
Allein mit der Androhung von Entlassungen, gelingt es dem Kapital ganze Belegschaften zum Verzicht auf ihre Ansprüche zu erpressen. Erwerbslose sind schon aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung weitgehend ausgegrenzt. Die Massenerwerbslosigkeit ist nicht nur die schlimmste Form gesellschaftlicher Ausgrenzung, sie ist auch das wichtigste Druck- und Erpressungsinstrument für das Kapital und seine parlamentarischen Interessenvertreter, um möglichen Widerstand zu unterdrücken und um dadurch die neoliberale Politik auf allen Ebenen der Gesellschaft und in den Betrieben möglichst ungestört und uneingeschränkt umsetzen zu können. Der Kampf gegen die neoliberale Politik beinhaltet somit als zentralen Kern den Kampf gegen die Erwerbslosigkeit.
Arbeitszeitverkürzung ist das Gebot der Stunde
Arbeitszeitverlängerung bedeutet einen weiteren Anstieg der Erwerbslosigkeit und einen Verlust an Lebensqualität, deshalb müssen wir uns dagegen zur Wehr setzen. Aber das reicht nicht aus. Wir dürfen nicht zulassen, dass die einen immer länger, oftmals unter schlimmsten Arbeitsbedingungen, arbeiten müssen, um sich ihre Existenz zu sichern, während die anderen immer weiter aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden, ohne jede Lebensperspektive. Nur über die Verteilung der Arbeit durch eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich kann die Massenerwerbslosigkeit wirksam bekämpft werden. Geld dafür ist genug da, wie z. B. die Rekordprofite von Daimler-Chrysler, Siemens und vielen anderen Konzernen zeigen.

Mindestlohn gegen weitere Lohnsenkungen

Gegen Lohndumping und um die Abwärtsspirale bei den Löhnen zu stoppen, muss ein Mindestlohn durchgesetzt werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen gezwungen werden, für 2,50 € brutto in der Stunde zu arbeiten! Um eine positive Wirkung entfalten zu können, muss ein Mindestlohn so hoch sein, dass er nicht als Begründung zum Absenken von Löhnen dienen kann. Ein Mindestlohn von 10 Euro/Stunde würde für über 30% der abhängig Beschäftigten eine deutliche Verbesserung der Einkommens- und Lebenssituation bedeuten. Gleichzeitig muss ein Mindestlohn dynamisiert werden, d.h. er muss jedes Jahr um den Prozentsatz des Anstiegs der Lebenshaltungskosten angehoben werden.
Widerstand ist möglich
Mit den Montagsdemonstrationen und anderen Anti-Hartz-Aktionen hat sich im letzten Sommer eine große Protestbewegung gegen den organisierten Sozialkahlschlag entwickelt. Auch der Widerstand der Belegschaften bei Daimler-Chrysler gegen das vom Management verordnete Einsparungsdiktat, insbesondere die Besetzung der B10 und die einwöchige Arbeitsniederlegung bei Opel Bochum gegen Massenentlassungen zeigen den vorhandenen Widerstandswillen von Betroffenen und beweisen: Widerstand ist möglich! Es ist aber nötig, die bisher nur vereinzelt und isoliert geführten Abwehrkämpfe auszuweiten und weiterzuentwickeln. Der soziale Protest muss mit dem betrieblichen Protest zusammengeführt werden, um sowohl mehr Durchschlags- als auch Anziehungskraft entfalten zu können.

Statt Co-Management, konsequenter Kampf

Um unsere Forderungen durchsetzen zu können, brauchen wir neben den Erwerbsloseninitiativen und Bünd-nissen gegen Sozialabbau, die gewerkschaftlichen Massenorganisationen. Die Gewerkschaften bleiben trotz der Co-Management Politik der Vorstände immer noch die stärkste Organisation der abhängig Beschäftigten in Deutschland. Gegen die katastrophale Politik des Stillhaltens der Gewerkschaftsvorstände organisieren sich derzeit Strömungen wie die Gewerkschaftslinke oder die ver.di-Linke, die versuchen, eine klassenkämpferische Alternative zu entwickeln. Es braucht die gemeinsame Organisierung aller kämpferischen Kräfte in den Gewerkschaften, um genug Druck für einen Kurswechsel –aufzubauen!
Gegen die fortgesetzte Umverteilungspolitik zu Lasten der Erwerbslosen und Lohnabhängigen setzen wir den gemeinsamen Abwehrkampf in den Betrieben und auf der Straße. Warten wir nicht darauf, dass andere für uns handeln. Werden wir selbst aktiv gegen die Agenda 2010, die Hartz-Gesetze und die Angriffe auf die Flächentarifverträge. Kämpfen wir gemeinsam für die Durchsetzung der 30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich als nächsten sichtbaren Schritt sowie für 10 Euro Mindestlohn!
Es wird uns jedoch nur gelingen, die Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen, wenn wir alternativen aufzeigen können. Ohne eine Vorstellung einer anderen Gesellschaft lässt sich keine vorwärts treibende Reformpolitik mehr machen. Dabei geht es nicht nur um Sachfragen, sondern um Machtfragen. Eine solidarische Gesellschaft ohne Ausbeutung und Krieg kann nicht erkämpft werden, ohne damit zu beginnen, die kapitalistische Wirtschaftsordnung in Frage zu stellen.
Die Gewerkschaftslinke ist heute wichtiger denn je!
Wir rufen auf, in allen Orten Gruppen und Foren zu bilden und zu stärken, Veranstaltungen durchzuführen und für eine Wende der Gewerkschaftsbewegung zu kämpfen. Wir haben beschlossen in den nächsten Monaten einen weiteren Kongress abzuhalten.

Wir werden eine Plattform entwickeln und Strukturen aufbauen, um

  • kämpfende Belegschaften solidarisch zu unterstützen,
  • aktive Gruppen vor Ort zu vernetzen und zu stärken,
  • öffentlich Position zu ergreifen
  • in Aktionsbündnissen für breite Mobilisierungen gegen die Angriffe der Regierung und der Unternehmer zu wirken und
  • eine politische Alternative zur Unterwerfung und Anpassung an dieses System, eine alternative zum Kapitalismus, seiner Ausbeutung und seiner Krisen zu entwickeln.


Stuttgart, den 15. Januar 2005


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang