Gewerkschaftsbewegung und Gewerkschaftsapparat 2005
Eingegangene Kommentare zur Anmerkung von Wal Buchenberg vom 29.12.05 zum Artikel von Daniel Behruzi in junge Welt vom 27.12.2005 : "Weitere Polarisierung. Gewerkschaften 2005: Kampflose Zugeständnisse, Streit um Linkspartei, und bittere Auseinandersetzungen auf betrieblicher oder regionaler Ebene"
- "(...) WB hat ein Gewerkschaftsbild vor
Augen, das in der Realität nur selten Entsprechung findet. In
vielen Betrieben sind die Vertrauensleutekörper eingegangen
oder führen ein schlappes Dasein; freigestellte Betriebsräte
sind Co-Manager oder geben offen zu, daß sie deswegen
Betriebs- oder Personalrat sind, weil sie nicht mehr
Normalarbeit oder gar Schichtarbeit leisten wollen. Eine
Gewerkschaftslinke kann an der Basis, d.h. vor Ort oder im
Betrieb noch gar nicht „aktiv eingreifen“, sie muß erst
entstehen in den Abwehrkämpfen in den einzelnen Betrieben
und Orten..." Kommentar von Dieter Wegner, Hamburg
- Online-Umfrage zur Offenen Gewerkschaftsplattform
Hallo Leute,
um die Debatte um eine Offene Gewerkschaftsplattform etwas zu konkretisieren (sind nicht im Frühjahr überall Betriebsratswahlen??) habe ich folgende Umfrage vorbereitet. Mehr Optionen und Fragen wären da sicherlich wünschenswert, aber mehr gibt das Umfrage-Formular von Parrsimony nicht her.
Die Umfrage aktualisiert sich (mit Verzögerung) selbst. Umfrage
von Wal Buchenberg im Karl Marx-Forum gestartet am 05. Januar 2006
- Das Labournet erfüllt im Moment seine Anforderungen. Bei der Auswahl der
Meinungsbeiträge muß ich mich zwar manchmal wundern, aber das ist so bei
Redaktionen.
Wenn Wal das Labournet kritisiert und was Neues fordert, liegt das daran,
dass er von einem Medium mehr verlangt als von einer Organisation.
Offensichtlich ist für ihn "Organisation" etwas komplett politikfreies. Das
macht die Aussage von der "Parallelorganisation zum sozialdemokratisch
dominierten Gewerkschaftsapparat" deutlich.
Natürlich liegt die reale Stärke der Gewerkschaftlinken darin, was sie in
den Betrieben, Verwaltungen und auf der Strasse in Bewegung bringt. Aber
der OPEL-Strreik zeigt wie unzählige andere Beispiele, dass ein nur auf
einen Betrieb beschränkter Widerstand sich gegen den frontalen Angriff des
Kapitals nicht durchsetzen kann, wenn die betrieblichen und
gewerkschaftlichen Strukturen eine Ausweitung im Konzern oder der Branche
verweigern oder verhindern.
Da rettet uns kein Internet, es hilft nur bei der Verbreitung von Infos.
Für die systematische Organisierung von Solidarität und Widerstand gegen
die Isolierung solcher Kämpfe ist mehr nötig: Ein gewisses gemeinsames
Verständnis der Lage und des gemeinsamen Vorgehens, Vertrauen, gestützt auf
gemeinsame Erfahrungen, ein wissen über die eigene Stärke um
verantwortungsbewußt in Konflikte hineingehen zu können.
Das ist der Sinn von Organisierung. Eine Gewerkschaftlinke muss dafür
kämpfen, dass die Gewerkschaftsstrukturen entsprechend handeln und sie mus
selbst beginnen selbiges zu tun.
Die Tatsache, das die realexisitierenden Gewerkschaften so sind wie sie
sind, sorgt bei vielen Menschen für Enttäuschung, aber bei Wal für
komplette Verwirrung. Mit solidarischen Grüßen
Matthias Fritz; IGM-Vertrauenskörperleiter Mahle und Mitglied des Zukunftsforums
Gewerkschaften Stuttgart
- Also ich sehe an LabourNet auch wenig basisdemokratisches, wobei ich das
nicht problematisch finde... Mag sein, dass eigene Beiträge möglich sind. Aber das ist nicht
"basisdemokratisch". Mir scheint, "basisdemokratisch" wird hier von allen
falsch verwenden. "Basisdemokratisch" würde bedeuten, einen
Mehrheitsentscheidung an der Basis zu fällen, was auch - zum Glück -
Indymedia nicht macht (Basisdemokratie ist kein taugliches Konzept für
Bewegungen, sondern führt in aller Regel zur Durchsetzung und Entstehung von
Eliten - bunte Vielfalt ist anzustreben, nicht die Einfalt der Mehrheit).
Besser passend wäre die Frage, ob Indy bzw. LabourNet "von unten" gestaltet
werden. Dies würde bedeuten, überall darauf zu achten, dass die
Zugangshürden gering sind, die Verfahrensweisen so, dass das Verfassen
eigener Beiträge herausgefordert wird, dass möglichst wenig Steuerung "von
oben" stattfindet und Hierarchien gleich welcher Art erkannt und abgebaut
werden. Das kann man tun und transparent machen, selbst wenn man
möglicherweise auf irgendwelche zentrale Instanzen z.B. für einen
rechtlichen Check der Beiträge nicht verzichten kann. Gegenöffentlichkeit
definiert sich nicht nur als kritische Meinung, sondern auch als Auflösung
der Rollen "JournalistInnen" und "LeserInnen".
Bei LabourNet wird sich diesem "von unten"-Anspruch aber deutlich weniger
genähert als bei Indymedia. Mir erscheint die Hürde zum Veröffentlichen
verhältnismaßig hoch und Kommentare zu Artikeln werden eben nicht gleich
unten drunter gesetzt und sind mal eben über ein Formular eingebbar, sondern
es gibt so ein abgetrennten Bereich für die LeserInnen. LabourNet ist
strukturell genauso viel oder wenig "von unten" oder "basisdemokratisch" gemacht wie etwa eine Tageszeitung mit Leserbriefspalte - allerdings hat das
LabourNet eine wohlwollende Oligarchie, die ernsthaft an Austausch und
Mitarbeit der LeserInnen interessiert ist (noch zumindest, es käme ja auf
den Konfliktfall an).
Die rechtlichen Hinweise halte ich für vorgeschützt (außerdem hat der Schutz
vor Klagen nichts mit "Qualitätssicherung" zu tun)
Ja, finde ich gut so eine Zielorientierung. Gleichwohl ist die
Abgrenzungsproblematik schon schwierig. Sagt doch mal, was nicht mehr zum "social movement unionism" gehört: Flüchtlinge, Rassismus, die offizielle
Politik, Umweltschutz, Kriege, Antifa, Kultur...??? Es liegt die Befürchtung
nahe, dass nur die Redaktion weiß, was dazu gehört und was nicht.
Ich finde Foren auch doof. Ich lese die Kommentare bei Indymedia und
diskutiere über Mailinglisten. Aber Foren sind unpraktisch und ich kenne
kaum politische Foren, die funktionieren oder interessant wären.
Ich finde eine Mischung auch wenig sinnvoll. Beide Seiten haben ihre
Aufgaben, ein Zentralorgan ist nicht nötig (es ist ja gerade das besondere
am Internet, dass viele Dinge nebeneinander stehen können).
Ich finde das LabourNet und vor allem die Newsletter richtig gut. Ich finde
auch die thematische Orientierung gut und habe auch das Gefühl, dass Ihr
verhältnismäßig breit sucht und veröffentlicht. Aber Euer Engagement kann
mich eben auch nicht darüber täuschen, dass das LabourNet weder
basisdemokratisch noch von unten gemacht wird und eine Auswahl und Steuerung
durch einige wenige EntscheiderInnen stattfindet. Das ist faktisch
möglicherweise zur Zeit kein Problem, weil Ihr eben sehr offen und
dialogorientiert seid. Im Konfliktfall bzw. rein formal ist die
LabourNet-Struktur aber weit weniger demokratisch und viel stärker von der
Spitze bestimmt als etwa die Gewerkschaften.
Insofern fände ich es gut, wenn sich das LabourNet weiterhin als offene
Vernetzungs- und Informationsplattform versteht und keine Organisierung
unter gleichem Banner versucht. Wenn das nämlich passiert, es demnächst etwa
einen LabourNet-Block bei einer Demo gäbe, ist die schöne Webseite bald
deligitimiert und wird sich viel stärker "basisdemokratisch" entwickeln,
d.h. viel weniger Vielfalt zulassen können. Und das wäre ein großer Verlust!
Auf Wunsch ohne Namennennung
- Liebe KollegInnen beim LabourNet,
ich bin schwer enttäuscht von Euch! Warum schreibt
Ihr eine Antwort auf die abstruse Untestellung, Ihr hättet
ein "leninistisches Informationskonzept" und würdet
Meinungen unterdrücken? Habt Ihr nichts besseres
zu tun, als auf solchen Schwachsinn zu antworten?
Der Autor dieser Unterstellung will Euch entweder
absichtlich diskreditieren, oder er hat Sinn & Zweck
redaktioneller Arbeit nicht mal ansatzweise verstanden.
Eure täglichen updates sind Gold wert. Deshalb
müllt sie bitte nicht mit solchen Pseudodebatten zu.
Sonst könnte ich ja gleich die minderbemittelten
Kommentare lesen, die auf anderen sites stehen.
Mit solidarischen Grüßen
Henry Mathews
www.kritischeaktionaere.de
- seit einigen Jahren lese ich Labournet
regelmäßig. Ich kenne keine andere Publikation,
die den Klassenkampf und die Arbeitswelt so breit
und international schildert wie Labournet.
Dogmatische Verklemmungen, die eine solche
Bezeichnung verdienen, hab ich nicht entdecken
können. - Indymedia ist gut, Labournet auch. Ein
Mix könnte schädlich werden - für Beide.
Macht weiter so und viel Erfolg im Neuen Jahr, Euer Reinhard Helmers, Lund/Schweden.
- Ich denke dass die Zusammenarbeit zwischen labournet und indy gar nicht
sooo schlecht ist. Einige Leute die bei indy Beiträge zusammenstellen
lesen ganz offensichtlich Labournet und verlinken Eure Seiten (da wurde
sogar Euer Jahresendzeitmotto neulich gemopst ;-)), und Euch fällt es
ja auch auf, wenn bei indy Seiten zu Hartz IV oder anderen sozialen
Protesten stehen. Und im unwahrscheinlichen Falle dass es der
Labournet-Redaktion nicht auffällt kann ich immer noch eine mail mit
dem entsprechenden link an die Redaktion schicken... das ist also eine
prima Ergänzung.
Aber ständig irgendwelche Kommentare auf labournet-Seiten wäre echt
anstrengend, dafür gibt es Telepolis, unzaählige Foren wie das
Erwerbslosenforum und dasjenige von Wal oder eben indymedia. Qualität
und gute Recherche ist doch angenehm, und es hilft ja manchmal gute
Artikel bei indymedia zu veröffentlichen (wie es heute irgendwer zur
Agenturschluß- Pressekonferenz gemacht hat), dann werden auch andere
dazu motiviert und die Beiträge bessern sich wieder.
Also weiter so,
liebe Grüße,
alles vier
- Es geht gerade um praktischen Widerstand - Anmerkungen zur Kritik von Wal Buchenberg
"Nachdem Daniel Behruzi in der "Jungen Welt" am 27. Dezember mehr bundesweite Zusammenschlüssen der Gewerkschaftslinken forderte, kritisierte Wal Buchenberg vom Karl Marx-Forum dies mit der Feststellung: "Die Gewerkschaftslinke macht da und nur da Fortschritte, wo sie in den Betrieben und an der Gewerkschaftsbasis (VK-Leitungen, Ortsleitungen, Betriebsräte) aktiv eingreift." Hat hier Daniel Behruzi was anderes behauptet? Doch Wal Buchenberg konstruiert nicht nur Widersprüche. Er schlägt auch eine Kombination von Indymedia und Labournet vor, wobei ihm Indymedia mehr "basisdemokratischer" erscheint als LabourNet. Denn LabourNet würde ein "leninistisches" Informationskonzept darstellen." Artikel von Armin Kammrad vom 02.01.2006
|