Verkündet am: 13.07.1999
Geschäfts-Nr.: 6 Ca 2528/99
In dem Rechtsstreit
des Klaus Specht ….
Klägers,
Prozellbevollmächtigte: |
Rechtsanwälte Bell & Windirsch, |
gegen
die |
Mercedes Benz Lenkungen GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Norbert Fulling, Rather Straße 51, 40476 Düsseldorf, |
Beklagte,
Prozeßbevollmächtigte: |
Assessoren Schmidt u.a. i. Arbeitgeberverband Metall- und Elektroindustrie Düsseldorf und Umgebung e.V., Achenbachstraße 28, 40237 Düsseldorf, |
hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 13.07.1999 durch den Richter am Arbeitsgericht Schmitz-Scholemann als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter König und Voßen für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Streitwert: 18.012,51 DM.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger wendet sich gegen die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 16.04.1999.
Der 1957 geborene Kläger ist verheiratet und hat ein Kind. Am 09.07.1984 trat er als Schlosser in die Dienste der Beklagten. Er erzielte zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 6.004,17 DM. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die metallverarbeitende Industrie in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Blatt 4 der Gerichtsakten Bezug genommen. Die Beklagte gehört zum Daimier-Chrysler-Automobilkonzern. Sie stellt Lenkungen für Automobile her. Sie beschäftigt 1.500 Arbeitnehmer. Es ist ein mit fünfzehn Mitgliedern besetzter Betriebsrat eingerichtet. Der Kläger wurde bei den letzten Wahlen in diesen Betriebsrat gewählt und gehört einer dort gebildeten Minderheits-"Fraktion" an, der eine mehr zur IG Metall geneigte Mehrheits-"Fraktion" gegenübersteht. Die Minderheit nennt sich "Vereinigte Alternative". Sie gibt eine Zeitung (VAZ) heraus, die der Betriebsratsvorsitzende R., Angehöriger der Mehrheit, gelegentlich als "Schmierblatt" bezeichnet.
Bei der Beklagten wird seit längerem eine Neuordnung des Vergütungssystems erwogen. Hierzu fand am 08. und 09.04.1999 eine außerordentliche Betriebsratssitzung im Westerwald statt, an der neben zwölf Betriebsratsmitgliedern (darunter der Kläger) der erste Bevollmächtigte der IG Metall in Düsseldorf sowie von Arbeitgeberseite der Personalleiter D., einer seiner Mitarbeiter und ein Abteilungsleiter teilnahmen. Am 09.04.1999 ließ der Kläger bei Ausführungen der Arbeitgeberseite etwa eine halbe Stunde lang mit Hilfe eines Diktiergeräts ein Band mitlaufen. Das Diktiergerät lag vor ihm auf dem Tisch. Der Kläger hatte zuvor weder das Einverständnis der Sitzungsteilnehmer eingeholt noch darauf hingewiesen, daß er aufnahm. Nachdem aufgefallen war, daß der Kläger das Bandgerät hatte mitlaufen lassen, etwa gegen 10:15 Uhr, bracht der Betriebsratsvorsitzende die Sitzung ab. Der Kläger gab die Kassette heraus und machte den Versuch, sich zu entschuldigen, was aber nicht allseits akzeptiert wurde. Am 14.04.199g stellte die Beklagte den Kläger von der Arbeitsleistung frei. Am gleichen Tag bat sie den Betriebsrat um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers. Am 15.04.1999 stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zu. Am Tag darauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.
Mit der am 19.04.1999 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger im wesentlichen geltend: Die Grundsätze des neuen Entgeltsystems würden seit mehreren Jahren in verschiedenen Betrieben des Konzerns kontrovers diskutiert und seien teilweise - so in Kassel auch schon eingeführt. Die Gespräche in Kassel seien niemals geheim/vertraulich gewesen. Es habe auch Zeitungsartikel und sogar ein Buch zu dem Thema gegeben. Zu Beginn der Sitzung im Westerwald habe der Betriebsratsvorsitzende R. gesagt, wenn es zu Angriffen (gemeint: verbale Angriffe) gegen den Arbeitgeber komme, werde er den Betreffenden "am Kragen packen und rausschmeißen". An die Adresse der Alternativen Liste gerichtet habe Herr R. in einem seiner üblichen Ausfälle gesagt, der Inhalt der Besprechung solle nicht in "irgendein Schmierblatt" kommen. Hintergrund dafür sei gewesen, daß eine Rede des Klägers auf einer Betriebsversammlung zur Empörung bei Arbeitgeber und Betriebsratsmehrheit geführt hätten und sich die Zeitung der Alternativen List kritisch mit dem Arbeitgeber auseinandergesetzt habe. Ein Hinweis auf besondere Vertraulichkeit sei nicht gegeben worden, wohl aber habe der Personalleiter auf Nachfragen des Betriebsrast K. gesagt, Unterlagen würden nicht verteilt, weil es noch Veränderungen geben könne. Am 08.04. habe er, Kläger, aufgrund seiner mäßiggradigen Schwerhörigkeit und weil leise gesprochen worden sei und Nebengeräusche gestört hätten, den Ausführungen akustisch nur schwer folgen können. Am 09.04. habe er sich um 09:00 Uhr spontan entschlossen, das Gerät mitlaufen zu lassen, das ihm von seiner Frau und seiner Tochter geschenkt worden sei und mit dem er erst zwei- bis dreimal gearbeitet habe. Er habe gewisse Knöpfe gedrückt, wisse aber aufgrund seiner Unerfahrenheit mit dem Gerät nicht, ob wirklich aufgenommen worden sei. Er bestreite mit Nichtwissen, daß überhaupt etwas aufgenommen worden sei. Da die Verständigung am 09.04.1999 aber deutlich besser als am Vortag gewesen sei, habe er gegen 09:30 Uhr den Ausknopf betätigt. Nach der Pause gegen 10:15 Uhr sei er dann von Herrn Müller angesprochen worden, habe wahrheitsgemäß Auskunft und dem Protokollanten von sich aus das Band gegeben. Keineswegs sei er bei einem Kassettenwechsel überrascht worden. Der Betriebsrat sei von der Beklagten nicht zutreffend unterrichtet worden. Weder habe der Kläger nach Unterlagen gefragt, noch sei besondere Vertraulichkeit vorgesehen gewesen, noch sei ein Kassettenwechsel gegen 10:15 Uhr erfolgt, noch eine Aufforderung zur Herausgabe der Kassette, noch eine Feststellung des Betriebsratsvorsitzenden, daß keine Berechtigung für Aufzeichnungen dieser Art vorliege. Außerdem sei die Einladung zur Betriebsratssitzung mündlich ohne Mitteilung der Tagesordnung erfolgt. Der gesamte Vorgang könne unabhängig von der Frage, ob ein Straftatbestand verwirklicht worden sei, schon deshalb nicht als Kündigungsgrund herangezogen werden, weil der Kläger weder abgemahnt worden sei noch sich sein etwaiges Fehlverhalten auf das Arbeitsverhältnis konkret auswirke. Es handele sich im übrigen um einen Vorgang im Bereich seiner Tätigkeit als Betriebsrat, so daß allenfalls an einen Ausschluß aus dem Betriebsrat, nicht aber an eine Kündigung gedacht werden könne. Schließlich sei er sich auch nicht darüber im klaren gewesen, etwas Verbotenes zu tun.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 16.04.1999 beendet wird,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 16.04.1999 fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt im wesentlichen vor: Der Personalleiter der Beklagten habe die Bitte des Betriebsratsmitglieds Kuhnke auf Aushändigung von Unterlagen mit dem Hinweis abgelehnt, es müsse im vorliegenden Stadium möglich sein, ins "unreine" zu sprechen. Dadurch und durch den Hinweis des Betriebsratsvorsitzenden ("Schmierblatt") sei die besondere Vertraulichkeit noch einmal betont worden. Am 09.04. gegen 10:15 Uhr sei durch das Projektgruppenmitglied Müller beobachtet worden, wie der Kläger einen Kassettenwechsel vorgenommen habe. Das habe Herr Müller dem Personalleiter D. gesagt, der sich an den Betriebsratsvorsitzenden gewandt habe, der seinerseits den Kläger um Aufklärung gebeten habe. Der Kläger habe gesagt, er habe das Gerät zur Aufnahme genutzt, weil er einzelne Ausführungen nicht habe verstehen können. Aufgefordert durch den Personalleiter habe der Kläger das Band herausgegeben, woraufhin die Sitzung abgebrochen worden sei. Die Beklagte habe den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 16.04.1999 aufgelöst worden.
Es liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB (1.) vor, und der Betriebsrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden (2.).
1.
Eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Der Kündigungssachverhalt muß zum einen - unabhängig von den Besonderheiten des Falles - an sich geeignet sein, einen wichtigen Grund abzugeben; daneben müssen die beiderseitigen Interessen unter Einbeziehung der jeweiligen Besonderheiten des Falles, soweit sie vernünftigerweise in Betracht kommen, abgewogen werden.
Strafbare Handlungen im Betrieb, insbesondere, wenn sie sich gegen Rechtsgüter des Arbeitgebers richten, sind regelmäßig an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG - Urteil vom 30.09.1993 - 2 AZR 188/93 -; Urteil vom 12.03.1987 - 2 AZR 176/86 und öfter).
Für Mitglieder des Betriebsrats gelten gewisse Modifizierungen, die ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechen: Wenn dem Betriebsratsmitglied lediglich die Verletzung einer Amtspflicht zum Vorwurf gemacht wird, ist die Kundigung unzulässig und nur ein Ausschlußverfahren nach § 23 BetrVG möglich. Sofern eine Handlung sowohl eine Amtspflichtverletzun9 als auch einen Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhaltnis darstellt oder die Vertragsverletzung nur deshalb eingetreten ist, weil der Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglied tätig geworden ist, dann kann ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs.1 BGB vorliegen. In den beiden zuletzt genannten Fallgruppen ist die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt, wenn unter Anlegung eines besonders strengen Maßstabes das pflichtwidrige Verhalten als ein schwerer Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu werten ist. Die Anlegung eines besonders strengen Maßstabes ist in den Fällen der zuletzt genannten Art geboten, um die freie Betätigung des Betriebsratsmitgliedes in seinem Amte nicht zu beeinträchtigen (BAG 12, 141 = AP Nr. 16 zu § 13 KSchG). Soweit hiergegen im Schrifttum (vgl. KR-Etzel, § 15 KSchG Rz 26) vorgebracht wird, das Erfordernis einer schweren Vertragspflichtverletzung sowie das Anlegen eines strengen Prüfungsmaßstabes bedeute eine nach - § 78 BetrVG verbotene Begünstigung des Amtsträgers, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Auffassung verkennt, daß betriebsverfassungsrechtliche Amtsträger gerade aufgrund ihrer Betriebsratstätigkeit leichter in Gefahr geraten können, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten (zum Beispiel durch beleidigende Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber) zu verletzen (vgl. BAG - Urteil vom 31.08.1994 - 7 AZR 893/93; vom 26.01.1994 - 7 AZR 640/92; Beschluß vom 16.10.1986 - 2 ABR 71/85 -; Urteil vom 25.05.1982 - 7 AZR 155/80 -; Urteil vom 11.12.1975 - 2 AZR 426174). Zu beachten ist, daß diese besonderen Grundsätze nicht zu einer Besserstellung des Betriebsratsmitglieds gegenüber anderen Arbeitnehmern führen darf. Es ist nicht etwa so, daß sich ein Betriebsratsmitglied "mehr" oder gar "alles" erlauben darf. Die besonders strengen Maßstäbe dienen gerade umgekehrt dazu, eine Schlechterstellung des Betriebsratsmitglieds zu verhindern, also die freie Betätigung des Betriebsratsmitglieds in seinem Amt zu gewährleisten (vgl. BAG, Beschuß vom 16.10.1986- 2 ABR 71/85).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt zu dem Ergebnis, daß die Kündigung gemäß 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist.
Der Kläger hat durch die Tonbandaufnahme am 09.04.1999 eine strafbare Handlung begangen, nämlich ein Vergehen nach 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Nach dieser Norm wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft, wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt. Ob, was der Kläger in Abrede stellt, die Beklagte indes behauptet, für die Veranstaltung besondere Vertraulichkeit vereinbart war, ob es sich etwa um Betriebsgeheimnisse oder dem Datenschutz unterliegende Erklärungen handelte, kann dahinstehen. Voraussetzung dafür, daß ein Wort "nichtöffentlich" im Sinne des §201 StGB gesprochen wird, ist weder besondere Vertraulichkeit der Sprechsituation, noch muß hinsichtlich des Inhalts des Gespräches ein Geheimhaltungsbedürfnis oder -wille bestehen. Allein maßgeblich ist, daß es sich um einen abgeschlossenen Zuhörerkreis handelt und der Sprechende die Reichweite seiner Äußerung kontrollieren kann bzw. berechtigterweise glaubt, sie kontrollieren zu können (Tröndle, StGB, 48. Auflage, Rz 2 zu §201 StGB).
Eben dieses Vertrauen soll durch die Strafandrohung geschützt werden, um die Freiheit und Unbefangenheit der zwischenmenschlichen Kommunikation als ein sowohl für das Privatleben als auch für das Arbeits- und Geschäftsleben und die politische Entfaltungsfreiheit fundamental wichtiges Gut zu sichern. Von diesem Sinn der Vorschrift her ist es auch geboten, prinzipiell jedes nichtöffentlich gesprochene Wort dem Schutz des §201 StGB gleichermaßen zu unterstellen, also nicht etwa nach Personengruppen zu differenzieren. Auch und gerade in politischen Auseinandersetzungen oder bei betrieblichen Konflikten gewinnt diese Strafvorschrift ihre Brisanz, indem sie Einbrüchen in die Vertraulichkeit der Kommunikationssphäre des Gegners vorbeugen soll und insbesondere den immer bereiten Vorwand nicht gelten läßt, der Gegner verdiene etwa wegen seiner politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Stellung keinen oder nur einen minderen Schutz der Vertraulichkeit des Worts. Deshalb ist der vom Kläger hervorgehobene Gesichtspunkt, daß er, Kläger, etwa der Betriebsratsmehrheit und/oder dem Arbeitgeber ein "Dorn im Auge" war, kein Umstand, der etwas daran ändern könnte, daß er mit seinem Verhalten den Tatbestand des § 201 StGB erfüllt hat.
Die Einlassung des Klägers, er wisse nicht, ob überhaupt etwas aufgenommen
worden sei, ist weder besonders überzeugend noch würde sie, wenn sie
denn doch zuträfe dem Kläger nützen, weil gemäß §
201 Abs. 4 StGB auch der Versuch der Tathandlung unter Strafe steht. Daß
aber der Kläger alles nach seiner Kenntnis Notwendige getan hat, um aufzunehmen,
räumt er selbst ein.
Übrigens ändert es auch nichts, daß das Diktiergerät vor dem Kläger auf dem Tisch lag. Damit war zwar für jeden erkennbar, daß der Kläger ein Diktiergerät hatte, nicht aber, daß er damit Aufnahmen machte. Eben dies bildet aber den Vorwurf, um den es hier geht.
Der Kläger ist weder gerechtfertigt noch entschuldigt.
Weder handelte er in Notwehr, denn niemand griff ihn an, noch lag ein rechtfertigender Notstand vor noch war sein Verhalten sozialadäquat oder kann der Kläger überwiegende Interessen für sich in Anspruch nehmen.
Soweit der Kläger mäßiggradige Schwerhörigkeit geltend macht, kann dies sein Handeln nicht rechtfertigen. Es ist für die Kammer kaum glaublich, daß jemand die Schwäche eines Körperorgans durch ein technisches Hilfsmittel auszugleichen hofft, von dem er behauptet, es gar nicht bedienen zu können. Außerdem gab es - leicht erkennbar- ein einfacheres und die Interessen der übrigen Versammlungsteilnehmer weniger berührendes Mittel, diesem Umstand abzuhelfen: er hätte nämlich nur die Sprechenden bitten müssen, etwas lauter zu reden. Vor allem aber ist keiner der vom Kläger ins Feld geführten Gesichtspunkte geeignet zu erklären, warum er, wenn er denn schon aus unverfänglichen Motiven glaubte, aufnehmen zu sollen, nicht um Genehmigung fragte. Gerade, daß er dies nicht tat, ist auch ein Hinweis auf die fehlende Stichhaltigkeit seiner nun gegebenen Erklärungsversuche.
Auf einen - im übrigen unbeachtlichen - Verbotsirrtum kann der Kläger sich nicht berufen. Die Kammer kann sich nicht vorstellen, daß ein politisch engagierter, gewandter und intelligenter Betriebsrat, als den die Kammer den Kläger einschätzt, nicht weiß, daß das heimliche Mitschneiden nichtöffentlich gesprochenen Wortes unerlaubt ist. Immerhin hat ein in dieselbe Kategorie einzuordnender Vorgang zu einem der folgenreichsten politischen Skandale in der Demokratiegeschichte geführt (Watergate) und sind die Abhörmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden seit Jahrzehnten Gegenstand heftigster rechts- und der innenpolitischer Auseinandersetzungen in Deutschland. Bei solcher Lage kann niemand im Ernst geltend machen, er glaube, es sei "nichts dabei".
Hat der Kläger also rechtswidrig und schuldhaft den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht, so liegt auch ein nan sich" geeigneter Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor (vgl. Verwaltungsgericht Meiningen, Beschluß vom 14.07.1994 3 P 50026/93.Me -; LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.03.1980 - 9 Sa 67/80 für den Fall des Mitschneidens einer Betriebsversammlung).
Nach Auffassung der Kammer handelt es sich nicht nur um eine Verletzung der Amtspflichten des Klägers als Betriebsrat, sondern zugleich um einen besonders schweren Verstoß des Klägers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten.
Richtig ist, daß der Kläger an der Sitzung am 08./09.04.1999 in seiner Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrates teilnahm. Richtig ist auch, daß er mit der Anfertigung der Bandaufnahme gegen das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit gröblichst verstieß. Falsch wäre es anzunehmen, es habe eine irgendwie besonders gespannte Lage zwischen den Betriebspartnern am 08./09.04.1999 bestanden, so daß das Fehlverhalten des Klägers als "Amtspflicht-Exzeß"- eingestuft werden könnte. Der Kläger selbst macht derartiges auch nicht geltend. Falsch wäre es aber auch, mit dem Kläger anzunehmen, daß die Verpflichtung, die Privatsphäre der Arbeitskollegen und der für den Arbeitgeber handelnden Personen nicht durch Straftaten zu beeinträchtigen, eine speziell auf das Betriebsratsamt zugeschnittene Verpflichtung wäre. Diese Verpflichtung hat vielmehr selbstverständlich jeder Arbeitnehmer. Gerade dies ist der Grund, warum die Rechtsprechung in der Begehung einer strafbaren Handlung zum Nachteil des Vertragspartners in aller Regel auch einen Grund für eine außerordentliche Kündigung sieht: Das Strafrecht schützt nicht alle berechtigten Interessen und alle Rechtsgüter, sondern allein diejenigen, deren Bestand als soziales oder ethisches Minimum angesehen wird und die deshalb mit dem besonderen Schutz der Strafbewehrung eines Verstoßes ausgestattet sind. Wer nicht nur die - in der Regel - weiteren Grenzen des zivilrechtlich Geschützten überschreitet, sondern gegenüber seinem Vertragspartner, dem er durch das Vertragsband besonders verpflichtet ist, noch nicht einmal vor dem zurückschreckt, was unter staatlicher Strafandrohung jedem gegenüber verboten ist, zeigt eben auch einen besonderen Mangel an Vertragstreue. Daß gerade auch die Strafnormen des § 201 StGB die Pflichten der Partner des Arbeitsvertrages mitbestimmen, zeigt sich im übrigen auch daran, daß sogar die heimliche Tonbandaufnahme von Gesprächen mit Personen, die nicht dem Betrieb angehören, zum Beispiel Kunden, als schwerwiegender Vertragsverstoß angesehen wird. So hat etwa das Landesarbeitsgericht Nümberg festgestellt, daß der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer das Anfertigen heimlicher Tonbandaufnahmen nicht verlangen und der Arbeitnehmer sich rechtens weigem kann, einer solchen Anweisung Folge zu leisten (LAG Nümberg - Urteil vom 30.01.1996 - 6 Sa 467/95). Im übrigen mag der Kläger sich die Frage vorlegen, ob er es nicht als einen nachgerade skandalösen Vertragsbruch der Beklagten sähe, wenn sie ihrerseits seine Erklärungen auf der Klausurtagung vom 08./O9.04.1999 heimlich aufgenommen hätte.
Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert nicht daran, daß ihr eine Abmahnung nicht vorausgegangen ist. Richtig weist zwar der Kläger darauf hin, daß nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch bei Verstößen im Vertrauensbereich eine Abmahnung nicht grundsätzlich entbehrlich ist (BAG - Urteil vom 04.06.1997 2 AZR 526/96). Wie aber in demselben Urteil nachzulesen ist, braucht eine Abmahnung dann nicht ausgesprochen zu werden, wenn der Arbeitnehmer nicht annehmen konnte, sein Verhalten sei vertragsgemäß (vgl. BAG - Urteil vom 30.06.1983 - 2 AZR 524/81; Beschluß vom 09.01.1986 - 2 ABR 24/85 -). So liegt es nach Auffassung der Kammer hier. Wie oben bereits ausgeführt, gehört die Wahrung der Vertraulichkeit des Wortes zum Grundbestand der Rechtsregeln, die jedenfalls bei heutiger technischer Entwicklung Voraussetzung für ein Zusammenleben sind. Niemand kann annehmen, sein Vertragspartner werde "vielleicht nichts dagegen haben" oder die Dinge "nicht so eng sehen". Jedenfalls die Beklagte hat dem Kläger keinerlei Anlaß zu einer solchen Annahme gegeben.
Auch die Abwägung der wechselseitigen Interessen führt zu keinem dem Kläger günstigen Ergebnis. Auf der Seite des Klägers fallen sein Interesse am Erhalt seines Arbeitsplatzes, ferner seine familiäre Lage und auch sein langjährig unbeanstandet gebliebenes Arbeitsverhalten im Betrieb in Gewicht. Dagegen ist seine Mitgliedschaft im Betriebsrat im Rahmen der Interessenabwägung nicht berücksichtigungsfähig; dies würde zu einer gemäß § 78 BetrVG verbotenen Bevorzugung führen (BAG - Beschluß vom 16.10.1986 2 ABR 71/85). Wesentlich schwerer wiegt nach Auffassung der Kammer jedoch das Interesse der Beklagten, ihre Mitarbeiter, die zugleich Arbeitskollegen und/oder Vorgesetzte des Klägers sind, vor Angriffen auf ihre strafrechtlich geschützte Privatsphäre zu schützen. Eine Betriebsgemeinschaft ist gerade wegen des verdichteten Zusammenseins und der damit gesteigerten Gefahr von Rechtsverletzungen darauf angewiesen, daß wenigstens der Grundbestand an Regeln für das Zusammenleben, nämlich körperliche Unversehrtheit, Schutz des persönlichen Eigentums und eben auch die Integrität der Sphäre des persönlichen Gesprächs strikt gewahrt wird. Die Beklagte darf im eigenen und im Interesse der Mitarbeiter nicht den Eindruck aufkommen lassen, sie nehme es mit dem Schutz der Privatsphäre "nicht so genau"; andernfalls würde sie, auch wegen der fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten heimlichen Lauschens, einer Vergiftung des Betriebsklimas Vorschub leisten. Was die der Kammer nicht entgangene "politische" Färbung der Ausgangslage betrifft, in die der Kündigungssachverhalt gewissermaßen eingebettet ist, so spricht auch dieser Umstand nicht für, sondern gegen den Kläger. Gerade weil es nämlich in derartigen Auseinandersetzungen kein objektives "Wahr" und "Falsch" der Meinungen und kein gesetzlich vorgeschriebenes "Gut" und "Böse" der Inhalte gibt, sondern es sich eben um einen inhaltlich offenen Meinungskampf handelt, der nicht von Gerichten oder anderen staatlichen oder privaten Stellen, sondern im Wettbewerb der Argumente entschieden wird, muß darauf geachtet werden, daß er fair verläuft und nur mit erlaubten Mitteln geführt wird.
2.
Die Kündigung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen §103 BetrVG unwirksam.
Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß und vollständig unterrichtet. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe dem Betriebsrat eine andere als seine, des Klägers, Schilderung des Sachverhaltes gegeben, betreffen zum einen die Unterschiede nur Nuancen, die aber am entscheidenden Kern, nämlich der Verwirklichung der Tathandlungen des § 201 StGB, nichts ändern.
Abgesehen davon war dem Betriebsrat selbstverständlich aus eigener Beobachtung der Sachverhalt bekannt. Der Kläger vergißt hier, daß die gesamten Vorgänge sich in Gegenwart des versammelten Betriebsrates abgespielt haben. Etwaige Mängel im Verfahren des Betriebsrates - die Kammer sieht solche Mängel nicht - würden die Wirksamkeit der Kündigung nicht berühren. Der Arbeitgeber ist für das vom Betriebsrat zu beachtende Verfahren nicht verantwortlich. Mängel gehen deshalb - von seltenen Ausnahmen abgesehen - auch nicht zu seinen Lasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Den Streitwert hat das Gericht gemäß §§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO festgesetzt.