Am 16. April hatte die Geschäftsleitung der Mercedes Lenkungen GmbH den Kläger fristlos und mit Zustimmung der Mehrheit des Betriebsrats gekündigt. Specht, Mitglied der IG Metall, gehört einer Minderheit im Betriebsrat an, den "Vereinigten Alternativen". Offenkundig war er der Geschäftsleitung zu kritisch. Beispielsweise hörte er nicht auf, nach der Sicherheit der Arbeitsplätze zu fragen, nachdem Tochtergesellschaften in Mülheim, in Schönebeck (Sachsen-Anhalt) und in Meseritz (Polen) gegründet worden sind, die als Niederlohnstandorte das Düsseldorfer Werk leicht niederkonkurrieren können.
Vorwand für seine Kündigung war folgendes: An 8. und 9. April hatte die Geschäftsleitung den Betriebsrat über ein neues Entgeltkonzept informiert. In der Absicht, seine Protokollnotizen zu ergänzen, und durch einen leichten Hörschaden beeinträchtigt, beging Klaus Specht den Fehler, zeitweise ein Tonbandgerät einzuschalten, ohne die Anwesenden darüber zu informieren. Das Gerät lag indessen offen auf dem Tisch. Das wurde bemerkt und die Sitzung sogleich abgebrochen.
In der ersten Instanz bewertete der Arbeitsrichter Schmitz-Schoelemann am 13. Juli diesen Vorgang als Straftat. Die Strafbarkeit schon der Absicht derartigen Mitschneidens nichtöffentlicher Worte sei jedermann bekannt. Wie bei Diebstahl, Urkundenfälschung und Betrug.
Richter Roden beim Landesarbeitsgericht formulierte dagegen in seiner mündlichen Begründung eine andere Rechtsauffassung. Der inkriminierte Vorgang falle unter die Rubrik Betriebsratstätigkeit und könne Spechts Status als Arbeitnehmer nicht berühren.
Daß es der Geschäftsleitung nur vorgeblich um den Schutz des nichtöffentlich gesprochenen Wortes ging, sondern in der Tat darum, einen unbequemen Betriebsrat loszuwerden, bewies sie noch in der Verhandlung durch die Ablehnung eines Vergleichs, der die Wiedereinstellung des Klägers vorsah für den Fall, daß er auf die Wahrnehmung seines Betriebsratsmandats in den nächsten zwei Jahren verzichtet hätte. Denn in diesem Zusammenhang verlangte der Vertreter des Arbeitgebers, der stellvertretende Personalchef Joachim Brix, vom Kläger den Verzicht auf eine Betriebsratskandidatur auch noch für die folgende Wahlperiode.
Der Saal 103 des Landesarbeitsgerichts konnte die gut 60 Besucherinnnen und Besucher kaum fassen. Die Zahl der Stühle reichte nicht. Es drängten sich die Interessenten in einer Menge, daß sich Richter Roden zu wundern Anlaß hatte. Am Ende flossen Freudentränen und erst allmählich faßte die Familie Specht das Glück des heutigen Sieges. Nicht nur dem Arbeitgeber war bescheinigt worden, daß er unrecht hatte. Leider hatte sich offenbar aus Rücksicht auf die Mehrheit des Betriebsrates die Düsseldorfer Ortsverwaltung der IG Metall in dieser Frage bedeckt gehalten und an einen Erfolg schon mal gar nicht glauben können.
In Erwartung einer baldigen Siegesfeier sind die Freunde von Klaus Specht nach einem kleinen Umtrunk an die heimischen Telefone geeilt, um die Nachricht zu verbreiten. Morgen früh indessen wird Klaus Specht seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber anbieten.