Denkmalsenthüllung am 5. Juli 99 vor Mercedes durch den Solidaritätskreis der Freunde von Klaus Specht

 

Verehrte Anwesende,

wir weihen heute ein Denkmal von hoher künstlerischer Dichte ein. Anspielungsreich findet sich eine Fülle von Metaphern in diesem fast vier Meter in die Höhe ragenden Gerät, von dem wir uns eine gewisse Lebensdauer erhoffen. Es soll mindestens bis zu dem Zeitpunkt halten, an dem alle Fotografen ihre Bilder im Kasten haben, und längstens bis zu dem Zeitpunkt, an dem der oppositionelle Betriebsrat Klaus Specht wieder mit allen Rechten im Betrieb ist.

Anlaß für unsere Aktion ist nämlich seine Entlassung.

Im April hatte die Geschäftsleitung über die "Weiterentwicklung eines neuen Entgeltkonzeptes" informiert. Dabei handelte es sich mit Sicherheit nicht um eine konspirative Veranstaltung. In völliger Unschuld aber hatte Klaus Specht auf dieser außerordentlichen Betriebsrats-sitzung für eine halbe Stunde ein Tonband mitlaufen lassen, nachdem er am Vortage Schwierigkeiten gehabt hatte, dem Vortrag akustisch zu folgen. Aber das war's dann erst einmal für unseren Freund.

Denn sogleich gab es bei der Mehrheitsfraktion des Betriebsrates lautstarke Empörung. Und die Geschäftsleitung ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen. Klaus Specht wurde fristlos und außerordentlich mit Zustimmung der Mehrheit des Betriebsrats zum 16. April gekündigt.

Nun kann jeder dran fühlen, daß es sich bei dieser angeblich schwerwiegenden Verfehlung um einen Vorwand handelt. Die Geschäfts-leitung ist auf einigen Betriebs-versammlungen zu häufig von Klaus Specht in Verlegenheit gebracht worden, wenn er die Frage stellte, ob denn die Errichtung neuer Betriebs-teile in Mülheim und anderswo nicht den Düsseldorfer Standort gefährde. Da die Geschäftsleitung offenbar auch über die Mehrheit im Betriebs-rat verfügt, wurde meist auch diese Mehrheit blamiert, wenn ein Vertreter der "Vereinigten Alternativen", und dazu zählt Klaus Specht, auf Betriebsversammlungen in die Bütt stieg. Häufige Konfliktthemen waren Überstunden und Samstagsarbeit, gegen die die Mehrheit des Betriebsrats keine Einwände hatte.

Selbstverständlich klagt Klaus Specht gegen seine Entlassung. Der Gütetermin am 20. Mai führte erwar-tungsgemäß zu keiner Einigung, so daß wir - also der Solidaritätskreis der Freunde von Klaus Specht, der sich unverzüglich nach diesem Skan-dal gebildet hat - davon ausgehen, daß nach dem Kammertermin beim Arbeitsgericht, Berta-von-Suttner-Platz, am 13. Juli, 11.00 Uhr, Raum 004, Klaus Specht wieder in seine Rechte eingesetzt wird.

Nun zu den Intentionen dieses Denkmals. Vielfältig kommen hier die betrieblichen Probleme zum Ausdruck.

Wenn die Anwesenden ihre Köpfe drehten und das Bein von unten betrachteten, müßte bei einiger Phantasie in diesen Köpfen das Bild einer vollständigen Figur entstehen. Das wäre dann womöglich ein Kontrapost mit Standbein und Spielbein. Real zu sehen ist aber nur das Spielbein. Wo aber ist das Standbein?

Wir erkennen also, verehrte Anwesende, durch diese Standbeinlücke eine Anspielung auf die mangelnde Standfestigkeit des Mercedes-Lenkungen-Standortes.

Damit ist aber der Beziehungs-reichtum dieses Denkmals noch nicht vollständig ausgeschöpft. Denn bei genauer Beobachtung wird die leichte Bewegung erkennbar, die dieses Bein vollzieht. Der Fuß führt bis zu einem gewissen Punkt eine leichte Kurve in die Höhe aus. An diesem Punkt nun müssen wir uns das Hinterteil des Entlassenen vorstellen, das nun seinerseits die Kurve nach den Regeln der Ballistik in dem Bogen nach unten fortsetzt, welcher vom Fuß begonnen wurde. Das Bein, das wir eben noch als lockeres Spielbein charakterisieren durften, nimmt nun die triviale Eigenschaft eines ruppigen Tretbeins an. Indessen wandelt sich ein Bein zum Tretbein nicht durch einen einmaligen Tritt. Erst das wieder-holte Treten verändert den Charakter eines Beins. Solche Trittwieder-holungen nun werden viele derjeni-gen treffen, die sich bislang ihres Arbeitsplatzes sicher wähnten. Hier nun wird die politische Tendenz dieses Kunstwerks, sein geradezu polemischer Charakter offenkundig. Der ist aber beabsichtigt. Es handelt sich um eine Anklage und eine Warnung. Denn dieser Rausschmiß ist nur der Anfang eines offenkundig schon geplanten Arbeitsplatzabbaus bei Mercedes Lenkungen.

Auch diese Mahnung nimmt mit dem Denkmal plastische Gestalt an. Denn ein Bein hat bekanntlich keine Hand. Und da es keine Hand hat, verfügt es auch über keinen Zeigefinger. Allerdings ist unter dem Schuh verborgen ein Zeigezeh. Und der weist anklagend in Richtung des Mercedessterns auf dem Dach der Fertigungshalle.

Düsseldorf, den 5. Juli 1999

Am 14. Juli 1999, gibt es eine weitere Solidaritätsversammlung. Ort: Weisses Haus, Ratherstr. 49, um 14.30 Uhr in direkter Werksnähe. Der Solidaritätskreis wird vom Prozess berichten. Klaus Spechts Anwältin wird zugegen sein.

 

Spenden: BfG Düsseldorf, BLZ 300 101 11, Konto Nr. 25 62 15 29 01, Helmut Born "Solidarität mit Klaus Specht"

Solidaritätskreis der Freunde von Klaus Specht

V.i.S.d.P.: Hartmut Lohse, Arbeitslosen-Initiative, Flurstr. 45, 40235 Düsseldorf, Fax 0211 6911736