| letzte Änderung am 23. Sept. 2002 | |
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"Das letzte Mal, als (der aktuelle US-Verteidigungminister, Anm.) Donald 
  Rumsfeld den irakischen Präsidenten Saddam Hussein gesehen hat, gab er 
  ihm einen herzlichen Händedruck. Das war vor fast 20 Jahren, am 20. Dezember 
  1983 ; ein Team des offiziellen irakischen Fernsehens hat diesen geschichtlichen 
  Moment festgehalten." So beginnt ein Beitrag in der aktuellen USA-Ausgabe 
  des Wochenmagazins Newsweek  (die nicht identisch ist mit der Ausgabe, 
  die an europäischen Kiosken zu erhalten ist, aber auf der Webpage der Zeitschrift 
  einzusehen ist) vom 23. September 02. Der Untertitel lautet : America helped 
  make a monster - Amerika (gemeint sind allein die USA) hat dabei geholfen, 
  ein Monster zu erzeugen.
  
  Was darauf an Information erfolgt, ist weniger anekdotenhaft als die Geschichte 
  vom Händedruck. So erfährt der Leser beispielsweise : "Es ist 
  schwer zu glauben, dass Amerika den größten Teil der 80er Jahre hindurch 
  dem Irakischen Atomenergie-Kommissariat bewusst erlaubt hat, Bakterienkulturen 
  zu importieren, die zur Herstellung biologischer Waffen verwendet worden sein 
  können. But it happened."
  
  Bereits am 18. August 2002 hatte die New York Times ihrerseits u.a. berichtet: 
  "Während der Amtszeit von US-Präsident Ronald Reagan versorgte 
  ein geheimes amerikanisches Programm den Irak mit für die Kriegsführung 
  dringend benötigter Hilfe. Und das zu einer Zeit, als die amerikanischen 
  Nachrichtendienste wußten, daß irakische Kommandeure in entscheidenden 
  Schlachten des Iran-Irak-Krieges chemische Waffen einsetzten." Der entsprechende 
  Bericht kann in den Archiven der Zeitung (www.nytimes.com) 
  unter dem Titel Officers say U.S. aided Iraq in war despite use of gas 
  (Offizieren zufolge halfen die USA dem Irak im Krieg trotz Gaseinsatz) ausfindig 
  gemacht, und für drei Dollar heruntergeladen werden.
  
  60 Offiziere des US-Militärgeheimdienst DIA (Defense Intelligence Agency) 
  waren demnach in den frühen Achtziger Jahren ständig dafür abgestellt, 
  um den Irak mit Satellitenbildern über den iranischen Aufmarsch, geheimdienstlichen 
  Informationen und anderem, militärisch wichtigen Material zu versorgen. 
  Zwei Tage nach der New Yorker Zeitung folgte auch der US-Nachrichtensender NBC 
  mit Enthüllungen. Demnach war Donald Rumsfeld seit 1982 als Sonderbeauftragter 
  des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan in Sachen Mittlerer Osten unterwegs, 
  und in dieser Eigenschaft hielt er sich auch 1983 in Bagdad auf, wo er dem irakischen 
  Präsidenten die Pranke drückte. Dem Dokumentarfilm zufolge waren die 
  USA auch am C-Waffenprogramm des Irak beteiligt. In einem Untersuchungsbericht 
  des US-Senats aus dem Jahr 1994 heißt es: "Spätesten ab 1985, 
  und noch bis 1989 haben amerikanische Firmen (...) ein wahres Hexengebräu 
  an biologischen Substanzen in den Irak exportiert." Erwähnt werden 
  unter anderem die Anthrax-Bazille, auch als Milzbranderreger bekannt geworden, 
  oder der Einzeller Clostridium botulinum, der ein starkes bakterielles Gift 
  absondert.
  
  Nun ist bekannt, dass die USA - zusammen mit Israel unter seinem damaligen Verteidigungsminister 
  Ariel Sharon (ausführlich dazu: Süddeutsche Zeitung vom 28. 
  Mai und 22. Oktober 1982) - in den frühen Achtziger Jahren bedeutende Mengen 
  an Waffen an den Kriegsgegner Iran geliefert hatten. Nach ihrer Aufdeckung im 
  Jahr 1987 hörte die Operation auf den Namen Irangate, und hätte beinahe 
  die Karriere des Hardliner-Präsidenten Ronald Reagan unterbrochen. - Ein 
  Widerspruch? Mitnichten. Denn wie andere westliche Großmächte auch, 
  folgten die USA während des Iran-Irak-Kriegs zwischen 1980 und 1988 der 
  Maxime, dass möglichst viele Waffen in die Mittelost-Region gepumpt werden 
  sollten und der mörderische Krieg zwischen den beiden Regionalmächten 
  möglichst lange andauern solle. Diente doch der damalige "erste Golfkrieg" 
  u.a.. einem riesigen Petrodollar-Recycling. 
  
  Das bedeutet, dass man die finanziellen Ressourcen aus der Ölrente für 
  gigantische Waffekäufe in die Metropolen, ob in die USA oder die BRD, zurückfließen 
  ließ. Die militarisierten und hochgerüsteten Regime in der Region 
  wurden auch dadurch geprägt. Daraus folgt als notwendige politische Schlussfolgerung, 
  dass man sich auf keinen Fall positiv auf diese Regime als "antiimperialistische" 
  Gegenmächte beziehen kann - ihr "Antiimperialismus" beschränkte 
  sich darauf, Waffen und Vernichtungstechnologien im Westen zusammenzukaufen 
  und gegen ihre eigenen Bevölkerungen (etwa die Kurden in Halabja 1988) 
  zum Einsatz zu bringen. Aber genauso logisch muss daraus folgern, dass jene, 
  die das Giftzeug lieferten, erst recht keinerlei Legimität haben, heute 
  (im Namen des Kampfs "gegen Diktatoren, die über Massenvernichtungswaffen 
  verfügen") durch eine kriegerische Intervention einzugreifen.
  
  So wie beschrieben, sieht der gemeinsame Grundsockel der Politik der westlich-imperialistischen 
  Staaten aus. Daneben gibt es am Rande noch einige Rivalitäten unter ihnen, 
  was den jeweiligen Marktanteil und Einfluss vor oder nach einer kriegerischen 
  Neuordnung der Region betrifft. So hatte sich Frankreich in den 80er Jahren 
  sehr weit aus dem Fenster gelehnt, was die politische Kumpanei mit dem irakischen 
  Regime betrifft. Einige Sektoren seiner politischen Klasse wollen davon heute 
  nicht ablassen, da sie eigene Interessen gegen die USA geltend machen wollen. 
  Drei Rechtsaußen-Konservative, von denen zwei bereits explizit mit den 
  Neofaschisten unter Jean-Marie Le Pen geflirtet hatten - die Abgeordneten Didier 
  Julia, Thierry Mariani und Eric Diard - hielten sich am 15. und 16. September 
  2002 in Bagdad auf, da sie Frankreich gerne eine imperialistische Sonderrolle 
  spielen sehen wollen. Paris soll ihrer Meinung nach auf eigene Inititiative 
  einen Kompromiss zwischen dem Irak und den UN aushandeln, und damit für 
  seine Eigeninteressen die Kastanien aus dem Feuer holen. Doch seitens der Staatsführung 
  glaubt man derzeit daran nicht so richtig : Staatspräsident Jacques Chirac 
  und Premierminister Jean-Pierre Raffarin verurteilten die Reise entschieden.
   
  1991 hatte es noch größere Absatzbewegungen innerhalb der herrschenden 
  Kreise des französischen Imperialismus gegenüber dem US-Krieg gegeben 
  - bis hin zum Rücktritt des linksnationalistischen (und pro-irakischen) 
  Verteidiungsministers Jean-Pierre Chevènement mitten im laufenden Golfkrieg. 
  Ihre Protagonisten woll(t)en, dass im Fall der Vermeidung eines Krieges Frankreich 
  eine besonders gute Stellung im Irak erhält. Doch die vorherrschende Linie 
  innerhalb der französischen Rechtsregierung geht derzeit eher davon aus, 
  dass es zu einem solchen Krieg kommen wird - und dass man im Anschluss daran 
  bei der Neuaufteilung des mittelöstlichen Kuchens nicht zu kommen darf. 
  
  
  Sympathie verdient weder die Haltung der einen, noch die der anderen. Der Internationalismus 
  muss notwendig auf Seiten des irakischen Volkes stehen: gegen die semi-faschistische 
  Diktatur im Irak, gegen jene, die ihr früher Mordgeräte verkauften, 
  und gegen jene (die oft die gleichen sind), die das Land heute einem imperialistischen 
  Krieg unterziehen möchten.
  
Historisch lautete die Losung der Arbeiterbewegung, dass man im Falle des Losbrechens 
  eines Krieges durch die "eigenen" Herrschenden die Gewehre umdrehen 
  solle. Das ist nun heute leider wenig realistisch, da die Kriege der imperialistischen 
  Vormächte heutzutage nicht mehr durch Wehrpflichtigenarmeen - in denen 
  die Arbeiter die Gewehre umdrehen könnten - geführt werden, sondern 
  durch hochtechnisierte Spezialistenkommandos und Freiwilligenarmeen. Dennoch 
  lässt sich der alte, und noch immer richtige, Slogan im übertragenen 
  Sinne anwenden: Dreht die (argumentativen) Waffen der Kritik um, nach hinten 
  gegen die Verantwortlichen im eigenen Land !
  
  Die zentrale Frage bei einer Mobilisierung wäre, was sie ihrem "eigenen" 
  Imperialismus dabei vorwerfen kann. Nun kann es nicht dabei gehen, die Kritik 
  an zwei Formen der Barbarei der Großmächte - etwa das Giftgas, das 
  vorgestern an den Diktator geliefert wurde, gegen die Bomben, die morgen auf 
  die Bevölkerung fallen - auszuspielen. Vielmehr sind beide Seiten der Medaille, 
  die Hochrüstung eines durch und durch verurteilungswürdigen Regimes 
  gestern und der militärische Angriff auf das Land heute, als Ausdrücke 
  ähnlich gelagerter Interessen zu verstehen. Dabei ist die Kritik auf die 
  Verhältnisse im eigenen Land zuzuspitzen. 
  
  Von selbst verbietet sich hingegen die positive Bezugnahme auf eine massenmörderische 
  Diktatur, die dereinst vom (us-amerikanischen, französischen, deutschen) 
  Imperialismus hochgerüstet worden ist, weshalb ihre Bezeichnung als `antiimperialistisch` 
  - angesichts ihrer aktuellen Konflikte mit den USA - sich von selbst ad absurdum 
  führt. Das amtierende Regime hat in Wirklichkeit nichts getan, um mit den 
  internationalen ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen zu brechen 
  und eine andere soziale Entwicklungs-Logik zugunsten ihrer Bevölkerung 
  durchzusetzen. Im Gegenteil hat es die abgeschöpfte Ölrente zum größten 
  Teil dafür eingesetzt, um beträchtliche Reichtümer in die westlichen 
  "Metropolen" zurückfließen zu lassen, nämlich als 
  Ausgaben für Rüstungskäufe und Vernichtungstechnologie, die es 
  anschließend gegen Teile der eigenen Bevölkerung (wie die Kurden 
  1988) einsetzte. Das ist nun alles andere als eine antiimperialistische, antikapitalistische 
  Handlung - auch wenn die Ausrüster von gestern sich nun heute gegen ihren 
  ehemaligen Bündnispartner wenden.
  
  Reiner Wahnsinn ist es dabei, wenn etwa Klaus von Raussendorff in der jungen 
  Welt vom 20. September 02 messerscharf zu beweisen versucht, dass irakische 
  Kommunisten Vaterlandsverräter seien. Dort schreibt er: "Nicht alle, 
  die sich Kommunisten nennen, haben dasselbe Verständnis von antiimperialistischer 
  Solidarität wie Fidel Castro. Spitzenfunktionäre der Kommunistischen 
  Partei Iraks (IKP) etwa (...) Der Sekretär des Zentralkomitees der IKP, 
  Hamid Majid Mousa, hatte im Interview mit junge Welt (...)  geantwortet: 
  "Sollen diese drei Parteien stillhalten oder die neuen Bedingungen für 
  ihren Kampf ausnutzen?" Ausnutzen? Wozu, fragt man sich. Zu einem Putsch? 
  Zu einem Bürgerkrieg? Und auf die Frage, ob die Sanktionen nach seiner 
  Meinung erst aufgehoben werden sollten, wenn das »Regime« in Bagdad verschwindet, 
  antwortete er: "Wir fordern gleichzeitig Aufhebung des Embargos und Demokratie 
  für den Irak." So spricht, wer die Sanktionen solange beibehalten 
  möchte, bis sie schließlich zum Sturz der Baath-Regierung »ausgenutzt« 
  werden können, mögen auch noch so viele Iraker sterben." (Soweit 
  O-Ton) 
Eine solche Argumentation gegen die irakischen "Verräter an ihrer 
  Nation" hat wenig mit Internationalismus, und viel mit nationalrevolutionärer 
  Argumentation zu tun. Dass Zehntausende irakische Kommunisten hingerichtet oder 
  zu Tode gefoltert wurden, ist diesem Autor selbstverständlich gleichgültig, 
  und keiner Erwähnung würdig. 
   
  Nun zu den Aufgaben der Linken und einer konsequenten Anti-Kriegs-Bewegung: 
  Primär zu fordern wäre die radikale Entwaffnung der Rüstungs- 
  und Giftindustrien im "eigenen" Land. Denn sei es, dass das Militär 
  eines zentralen imperialistischen Landes wie Deutschland - der Begriff ist bezogen 
  auf seine ökonomische Rolle in der Welt - daraus seine Waffen bezieht und 
  seinen internationalen Aktionsradius erweitert. Oder sei es, dass die mörderischen 
  Erzeugnisse dieser Industrien (der Rüstungs-, der Atom-, bestimmter Zweige 
  der Chemieindustrie) an Regime wie das irakische weitergegeben werden, bei denen 
  man ökonomischen Einfluss zu nehmen gedenkt. Es handelt sich in beiden 
  Fällen um Varianten imperialistischer, und Tod bringende Konsequenzen für 
  viele Menschen habender, Politik. Dem Dilemma zwischen "Opposition gegen 
  den westlischen Krieg" oder "Opposition gegen die irakische Diktatur" 
  entgehend, sollte die Linke sich die Kampfparole zu eigen machen: Entwaffnung 
  der Todesproduzenten im eigenen Land !
   
  Wichtig wäre dabei die Konvergenz zwischen verschiedenen gesellschaftlichen 
  Bewegungen, die jede für sich legitime Anliegen haben. Die Kritik am militärischen 
  Eingreifen führender imperialistischer Staaten muss daher zusammengeführt 
  werden mit jener an der dereinstigen Aufrüstung der semi-faschistischen 
  Diktatur im Irak durch dieselben (und noch einige weitere) Staaten. Denn auch 
  diejenigen, die sich über die Anwendung von Giftgas gegen die irakischen 
  Kurden empören, haben ein legitimes Anliegen vorzubringen. Oder auch diejnigen, 
  die Drohungen des irakischen Regimes bezüglich des Einsatzes von C-Waffen 
  gegen Israel beängstingend finden (auch wenn man dabei das militärische 
  Kräfteverhältnis zwischen beiden Ländern berücksichtigen 
  sollte, um ein realistisches Bild zu haben und nicht simplen Hitler-Analogien 
  aufzusitzen). Diese jeweiligen Sorgen und Anliegen dürfen nicht gegeneinander 
  gestellt oder ausgespielt werden, wie im Zweiten Golfkrieg 1991, als diese Gegenüberstellung 
  nahezu die gesamte Linke blockierte.
  
  Beide Aspekte sind nötige Bestandteile einer Anti-Kriegs-Bewegung, die 
  diesen Namen verdient und sich zuerst gegen die Hersteller tödlicher Erzeugnisse 
  im eigenen Land richten, und auf die Entwaffnung des Imperialismus des eigenen 
  Landes zielen muss. Beide Anliegen müssen mit einem dritten zusammenfließen, 
  nämlich dem Kampf gegen den Umgang mit Asylsuchenden aus dem Irak und dem 
  irakischen Kurdistan hierzulande.
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