I 8: Erklärung zum NATO-Angriffskrieg in Jugoslawien

 

Der Vorstand der IG Metall wird aufgefordert, folgende Erklärung der 18. Jugendkonferenz als Anzeige in der überregionalen Tagespresse zu veröffentlichen.

 

NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien sofort beenden

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dieter Schulte, hat der Bundesregierung für die NATO-Intervention „die Unterstützung des Gewerkschaftsbundes zugesichert" (Frankfurter Rundschau v. 31.3.1999)

Wir, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 18. Bundesjugendkonferenz der IG Metall in der Zeit vom 14. bis 17. April 1999 in Sprockhövel erklären hierzu:

Für uns hat der Kollege Schulte nicht gesprochen - Wir unterstützen diesen Angriffskrieg nicht. Wir sind der Meinung, daß konsequente GewerkschafterInnen diesen Nato-Militärschlag mit deutscher Beteiligung verurteilen müssen.

 

  1. Der DGB hat noch in seinem Aufruf zum Antikriegstag, 1. September 1998, ausgeführt: „Um die Idee des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verwirklichen, brauchen wir internationale Regeln und Institutionen, die den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Teilhabe im weltweiten Maßstab Geltung verschaffen. In einer globalisierten Welt ist ein friedliches Zusammenleben langfristig nur auf der Basis gleicher Lebens- und Entwicklungschancen möglich. (DGB-Pressemeldung PM 157)
  2. Bei dem Krieg gegen Jugoslawien handelt es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, der gemäß Art. 26 Grundgesetz verboten ist. Die Völkerrechtswidrigkeit ergibt sich aus der UN-Charta, die auch für die Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit besitzt. Nach Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts. Der gegenwärtige Krieg ist ein Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta. Eine Ermächtigung durch den Weltsicherheitsrat hat es nicht gegeben. Um Weltpolizei spielen zu können, tritt die sozialdemokratisch-grüne Regierung internationales Recht mit Füßen.
  3. Nach Schätzungen US-amerikanischer Militärexperten, die in der Presse zitiert wurden, kostet jeder Tag der NATO-Angriffe allein an Waffen 500 Millionen DM. Wie mickrig sind demgegenüber die von der Bundesregierung für Flüchtlinge zur Verfügung gestellten 40 Millionen DM. Vor allem, wenn sie mit den 400 Millionen DM verglichen werden, die der Bundestag als erste Rate für die deutsche Kriegsbeteiligung bewilligt hat.
  4. Nach offiziellem Bekunden sollte das Ziel des NATO-Angriffskrieges sein, eine humanitäre Katastrophe abzuwenden. Doch diese ist erst recht durch die NATO-Angriffe verschärft worden. Friedensbewegung und Friedensforschung hatten vor Kriegsbeginn genau vor der Vertreibung der albanischen Bevölkerung als Folge eines Angriffs gewarnt.
  5. Neben der sofortigen Beendigung des Krieges muß den Flüchtlingen wirksam geholfen werden. Sicherer Friede kann vorbereitet werden, „wenn so viel, wie jetzt der Krieg kostet, dafür verwendet wird, daß Kosovo nicht länger das Armenhaus Europas bleibt" (aus dem Beschluß der a. o. Landesdelegiertenversammlung der GEW Berlin v. 25.3.1999). Die NATO-Angriffe haben die Flüchtlingszahlen wesentlich erhöht. Bisher tragen Albanien und Mazedonien die Kosten der Versorgung in den Camps. Wir fordern, daß die Bundesregierung die deutschen Grenzen für Kosovo-Flüchtlinge öffnet, statt darüber zu diskutieren, daß Flüchtlinge „heimatnah" versorgt werden sollen, damit sie möglichst nicht bis nach Deutschland gelangen. Unter ihnen wären dann immerhin eine Reihe von Personen, die als ehemalige Asylbewerber von deutschen Behörden wieder in ihr „sicheres Heimatland" abgeschoben wurden. Was könnte die Willkür und den Widersinn der derzeitigen Asylgesetzgebung deutlicher zeigen!
  6. Es ist nicht wahr, daß es zwischen Wegschauen und Bomben keine Alternative gibt. Statt den Krieg fortzusetzen, muß ganz neu verhandelt werden. Das kann und darf nicht die Aufgabe der NATO sein. Es muß eine Lösung für die Konflikte auf dem Balkan gefunden werden, die nicht Krieg und mörderische Gewalt heißt, weder von seiten des jugoslawischen Staates oder der UCK noch von seiten der NATO.

Wir fordern:

  1. die sofortige Beendigung der NATO-Luftangriffe;
  2. das sofortige Ende von Verfolgung und Vertreibung der Menschen im Kosovo;
  3. die Einberufung einer Balkan-Konferenz unter Beteiligung der Regierungen und Vertreter aller nationalen Gemeinschaften dieser Staaten;
  4. eine Konfliktregulierung unter Regie der Vereinten Nationen;
  5. eine wirksame Soforthilfe für Flüchtlinge aus dem Kosovo;
  6. Hilfe zum Wiederaufbau für Jugoslawien.

Entscheidung der Konferenz: Annahme

 

I 9: Sofortige Beendigung der NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien/Serbien

Mit den Luftangriffen vom 25. März 1999 ist Deutschland erstmals seit dem 8. Mai 1945 wieder aktiv und unmittelbar an einem Krieg beteiligt. Was bis vor kurzem für viele von uns noch undenkbar schien, ist bittere Realität geworden. Die Lehren aus unzähligen militärischen Auseinandersetzungen, daß Kriege keine Konflikte lösen können, scheinen vergessen. Krieg als Mittel der Politik wird zur Normalität erhoben und als alternativlose Handlung dargestellt. Selbst der offensichtliche und unbestrittene Bruch des Völkerrechtes, das militärische Eingriffe ohne UN-Mandat als Angriffskrieg ausdrücklich untersagt, wird billigend in Kauf genommen. Auch das in Artikel 26 des Grundgesetzes festgelegte ausdrückliche Verbot der Beteiligung deutscher Soldaten an solchen Kriegen wird mißachtet. Als moralische Rechtfertigung wird von Seiten der Bundesregierung und der NATO angeführt, man dürfe nicht tatenlos bei einem Völkermord zusehen und eine „humanitäre Katastrophe" müsse verhindert werden.

Die dem aktuellen Konflikt um das Kosovo zugrundeliegenden Ursachen und Gründe sind jedoch nicht plötzlich im letzten halben Jahr aufgetreten. Vertreibung und „ethnische Säuberungen" wurden zum von allen Konfliktparteien angewendeten Mittel bei der Herausbildung neuer Nationalstaaten bzw. neuer autonomer Regionalverwaltungen. Selbst die wenigen verbliebenen multiethnischen Enklaven sind in sich tief gespalten zwischen den jeweiligen Bevölkerungsgruppen. Mit jeder militärischen Auseinandersetzung wurden die Gräben zwischen den Bevölkerungsgruppen tiefer und schwerer zu überbrücken. Die zerstörte Brücke in Mostar ist hier ein geradezu klassisches Symbol geworden.

Die mit den NATO-Luftangriffen gegen Serbien verbundene einseitige Parteinahme ist somit zwar nicht die Ursache für die augenblickliche Flüchtlingskatastrophe, sie hat jedoch die Situation entscheidend verschärft. Die bei Kriegsbeginn von der NATO verkündeten Ziele - insbesondere den Menschen im Kosovo zu helfen - sind allesamt gescheitert. Ein friedliches Zusammenleben des serbischen und albanischen Bevölkerungsteils in dieser Region wird, je länger die militärischen Auseinandersetzungen anhalten, von Tag zu Tag schwieriger. Wir fordern daher die NATO auf, die Luftangriffe gegen Serbien sofort zu beenden. Ein Ende der militärischen Intervention heißt keineswegs tatenlos Zusehen, wie oftmals unterstellt wird. Die nichtmilitärischen Mittel zur Einflußnahme sind vielfältig und wurden bislang keineswegs ausgeschöpft. Nicht einmal ein wirksames Embargo von Waffenlieferungen in Serbien konnte in Kraft gesetzt werden. Auch weitergehende Wirtschafts- und politische Sanktionen (Handelsembargo, Ausschluß von Sportveranstaltungen und staatlichen Organisationen in Wissenschaft und anderen Bereichen, die z.B. gegen das Apartheids-Regime in Südafrika wirksam waren) wurden kaum als Druckmittel eingesetzt. Zur militärischen Intervention gab und gibt es somit nach wie vor Alternativen. Die Fortsetzung der NATO-Luftangriffe ist jedoch derzeit das größte Hindernis für die Deeskalation und die Neuaufnahme von Verhandlungen. Die UCK fühlt sich durch das militärische Eingreifen der NATO bestärkt und gleichzeitig ist die serbische Armee weit davon entfernt zu kapitulieren. Bei der diesen militärischen Auseinandersetzungen eigenen Logik und der mit der von Woche zu Woche wachsenden Gefahr durch die von den USA bereits diskutierte Einbeziehung von Bodentruppen, droht die Situation weiter zu eskalieren. Als erster Schritt ist ein Waffenstillstand zwingende Voraussetzung, um einen Flächenbrand auf dem Balkan mit unabsehbaren Folgen zu verhindern.

Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf:

Die Delegierten der 18. IG Metall-Jugendkonferenz sind sich der tiefen Verunsicherung der Bevölkerung über die Frage der militärischen Beteiligung deutscher Soldaten in diesem Konflikt bewußt. Selbstkritisch muß festgestellt werden, daß auch innerhalb der Gewerkschaften und der IG Metall-Jugend zu wenig über friedenspolitische Alternativen diskutiert wurde. Nur vor diesem Hintergrund ist der von der Mehrheit der Medien und der Mehrheit der Politiker/innen aller Parteien erweckte und entstandene Eindruck „entweder militärisch eingreifen oder tatenlos zusehen" in der Bevölkerung nachvollziehbar.

Die Bundesjugendkonferenz fordert deshalb den Vorstand der IG Metall auf, gerade auch in den eigenen Medien (metall-Zeitung) wieder verstärkt über friedenspolitische Alternativen zu berichten und den friedenspolitisch engagierten Gruppen und Wissenschaftler/innen ein publizistisches Forum zu ermöglichen.

Die Aufgabe, sich auch weiterhin mit der grundsätzlichen Fragestellung zu nichtmilitärischen Alternativen auseinanderzusetzen, bleibt eine wichtige Aufgabenstellung für die IG Metall-Jugend. Die Veranstaltungen der Gewerkschaften am 1. Mai, zum 8. Mai, zum 1. September aber auch anstehende Jugend- und Auszubildendenversammlungen, Betriebsversammlungen usw. sollten genutzt werden, um die Problematik auch im Sinne einer Gegenöffentlichkeit zu thematisieren.

Die ersten Ansätze auch der deutschen Regierung aus der militärischen Sackgasse herauszukommen und Versuche einer neuen politischen Verhandlungsaufnahme werden trotz der noch nicht erkennbaren Erfolgsaussichten von der 18. Jugendkonferenz als Schritt in die richtige Richtung bewertet.

Entscheidung der Konferenz: Annahme

 

Resolution

Wir leben an der Schwelle des 21. Jahrhunderts. Wir haben große technische Errungenschaften und der technische Fortschritt geht weiter. Wir leben in einer zivilisierten Welt. Andere Sprachen und Kulturen gehören zu unserem Alltag.

Doch bei den Problemen zwischen den Völkern und Volksgruppen haben wir immer noch nichts dazu gelernt. Kriege und Auseinandersetzungen mit Waffengewalt sind auch heute noch die Problemlösungsstrategie Nr. 1 der Politiker überall auf dieser Welt. Wir fragen uns, ob die Verantwortlichen immer noch nichts aus der Geschichte gelernt haben. Wie zivilisiert ist unsere Welt wirklich, wenn sich Politiker und Generale noch wie Barbaren aufführen, um die Macht zu erlangen oder sie zu behalten. Wann sollen Kinder es endlich lernen, daß Gewalt nicht die Lösung für Probleme ist, wenn selbst die „Großen" dieser Welt es ihnen nicht vorleben.

Kriegerische Auseinandersetzungen als Mittel zum Profit? Egal ob es sich dabei um Macht, Geld oder Land handelt, die Leidtragenden und Opfer sind immer dieselben. Wann hat dies endlich ein Ende, wann lernen die Menschen endlich dazu, oder geht das nicht im kapitalistischen System? Muß Macht- und Geldgier immer in eine Form von Rassismus ausarten?

Wir als IG Metall-Jugend lehnen jede kriegerische Auseinandersetzung ab. Wir als multikulturelle Jugendorganisation können Auseinandersetzungen mit Waffengewalt nicht nachvollziehen, denn wir zeigen auch, wie man gemeinsam friedlich kämpfen, aber auch streiten kann.

Wir fordern die sofortige Beendigung aller kriegerischen Auseinandersetzungen auf dieser Welt. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, alle Soldaten, die nicht mit humanitären Aufgaben betraut sind, zurück in die Kasernen zu beordern. Weiter fordern wir eine aktive Friedenspolitik, wo sich die Bundesregierung intensiv für die Beendigung aller kriegerischen Auseinandersetzungen einsetzt. Hierbei ist klar, daß die Bundeswehr keine Angriffskriege führt. Diese sind nicht mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. Wir verstehen unter einer aktiven Friedenspolitik aber auch eine aktive humanitäre Hilfe in Krisenregionen, was natürlich finanzielle Hilfe beinhaltet.

Ebenso verurteilen wir aufs Schärfste den Völkermord in allen Ländern dieser Welt.

Wir hoffen auf ein baldiges friedliches Zusammenleben aller Menschen, denn wir wollen gemeinsam ins nächste Jahrtausend!!

Dafür machen wir uns stark!!!

Entscheidung der Konferenz: Annahme