Offener Brief an Bündnis 90/Die Grünen und SPD

12.05.1999

Seit sieben Wochen führt die NATO einen Angriffskrieg gegen Jugoslawien.

Zu Beginn als chirurgische Eingriffe dargestellt, die die jugoslawische Regierung zum Einlenken zwingen und Verfolgung und Vertreibung im Kosovo beenden sollte, wird der Luftkrieg offensichtlich systematisch mit dem Ziel geführt, Fabriken, Infrastruktur, Regierungsanlagen und Wohngebiete zu zerstören. Die Tötung von Zivilpersonen in täglich wachsender Zahl wird billigend in Kauf genommen oder ist sogar beabsichtigt.

Wie immer in Kriegen, sind es die kleinen Leute in den betroffenen Ländern, indirekt aber auch in den an diesem Krieg beteiligten NATO-Ländern, die die Zeche zahlen werden.

Und die Auswirkungen für die Umwelt in der Balkanregion und die gesundheitlichen Spätfolgen für die Bevölkerung sind heute noch gar nicht absehbar.

Die Strategie, einen verfassungswidrigen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu führen, um politische Veränderungen durchzusetzen, ist weder sozial und ökologisch verantwortbar noch historisch begründbar. Sie ist genau das Gegenteil davon!

Als aktive Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter haben wir mit dem Regierung-Wechsel im September 1998 auch erwartet, daß ein Politikwechsel im Interesse der arbeitenden Bevölkerung und der Umwelt eingeleitet wird. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen, die ihre Stimme für SPD oder Die Grünen gegeben haben, sind massiv enttäuscht worden. Und auf keinen Fall haben sie Euch ein Mandat für einen Angriffskrieg erteilt!

Dabei hat sich die Lage der Menschen im Kosovo seit Beginn des Luftkrieges und letztlich als Folge der täglichen Bombardements erheblich verschlechtet. Wohin sollen nach einer Beendigung des Krieges denn die Flüchtlinge zurückkehren, wenn die Städte im Kosovo täglich Hauptzielscheibe der NATO-Bomber sind? Wer will denn noch auf einer "Sondermülldeponie Kosovo" leben?

Mit jedem weiteren Kriegstag wächst - gerade auch nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad - die Gefahr der Ausweitung dieses Krieges, mit nicht absehbaren Folgen. Daß die neue Bundesregierung mit Unterstützung der Spitzen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen diesen Angriffskrieg mit initiert oder zumindest gerechtfertigt hat, hat bei uns Vertrauen und Hoffnung zerstört, ebenso übrigens auch die beim NATO-Jubiläumsgipfel mit Eurer Unterstützung erfolgte Neudefinition der NATO-Ziele.

Wir fordern Euch auf: Zieht Eure Zustimmung zum NATO-Angriffskrieg zurück!

Sofortiger Abzug der Bundeswehr! Von deutschem Boden darf kein einziges Militärflugzeug mit tödlicher Last mehr starten! Die NATO hat auf dem Balkan nichts zu suchen! Sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen, damit eine politische Lösung auf dem Verhandlungsweg gefunden werden kann!

Mit freundlichen Grüßen
Industriegewerkschaft Metall
Verwaltungsstelle Frankfurt

Bern Rübsamen
1. Bevollmöchtigter
Katinka Poensgen
2. Bevollmächtigte
Volker Fröhlich
Geschäftsführer GHK