Aufruf von Agim Hyseni, Vorsitzender der Kosovarischen Lehrergewerkschaft SBASHK

Übersetzung von Lars Stubbe

Das albanischsprachige Bildungswesen befindet sich in seiner schwersten Krise, und verdeutlicht damit gleichzeitig die Situation, unter der die albanische Bevölkerung lebt. Mehr als 1/3 der 1.8 Millionen Menschen des Kosovo wurden aus dem Land getrieben und leben als Flüchtlinge im Ausland. Mehr als 1/3 wurde innerhalb des Territoriums des Kosovo vertrieben.

Nach der gewaltsamen Aufhebung der verfassungsmässigen Autonomie des Kosovo im Jahre 1989 durch das serbische Regime, wurden auch alle grundlegenden Rechte der Kosovaren albanischen Ursprungs aufgehoben. Die verbreitetsten, gegen das albanische Erziehungswesen im Kosovo vorgenommenen, Massnahmen waren:

1/ Illegale, oder im Widerspruch zur jugoslawischen Bundesverfassung stehende, Auflösung legaler Institutionen, einschließlich des Bildungswesens in seinem umfassendsten Begriff.

2/ Willkürliche Verlängerung diskriminatorischer Gesetze, die sich gegen Albaner richten, und Notstandsmaßnahmen durch welche die Universitätsleitungen, Dekane und Schulrektoren entlassen wurden und durch Serben ersetzt wurden.

3/ Institutionalisierung der Trennung und nationalistisch begründete Apartheid.

4/ Vergiftung von mehr als 7000 Schülern im September 1990, durch vergiftete Lebensmittel, in dessen Folge 3 Schüler starben.

5/ Gesetzlich untermauerte Diskriminierung albanischer Lehrer, die zu Beginn nur ein Siebtel des Lohns der serbischen Kollegen erhielten, bis zur schließlichen Beendigung der Finanzierung allen Minimalunterrichtes auf allen Bildungsniveaus.

Am Ende wurden alle Schulen gewaltsam durch das serbische Militär geschlossen Um die Bildung albanischer Schüler und Studenten zu garantieren, organisierte meine Gewerkschaft Unterricht auf allen Niveaus für mehr als 400.000 Schüler und Studenten sowie ihre 22.000 Lehrer und Unterrichtenden in Privathäusern, Garagen, Läden, Moscheen und Kirchen und im Sommer sogar an der freien Luft. Um alle Lehrer meiner Gewerkschaft unterstützen zu können, hatten wir, in Absprache mit der Regierung des Kosovo, eine selbstfinanziertes Projekt aufgebaut, basierend auf Beiträgen von Albanern im Kosovo und von außerhalb. Wir haben darüberhinaus schulmedizinische Dienste zur Krankheitsvorbeugung aufgebaut, da aufgrund der allgemeinen Lebensbedingungen, Konsequenz der Massenentlassungen albanischer Arbeiter, einschließlich Beschäftigter des Gesundheitswesens, sich der physische Zustand der Kinder rapide verschlechterte. Wir waren schließlich für die Unterstützung der Familien gefolterter oder getöteter Lehrer verantwortlich.

Alle diese Aktivitäten wurden unternommen, um die grundlegenden Rechte auf Bildung zu garantieren, angesichts der vollständigen Außerkraftsetzung individueller und kollektiver Rechte durch die serbische Regierung. Lehrer wurden getötet, vor den Augen ihrer Schüler gefoltert, vergewaltigt, bedroht und zu willkürlichen Vernehmungen auf die Polizeistationen einberufen, nur aus dem Grund, daß sie auf Albanisch unterrichteten. Auch Schüler wurden in Klassenzimmern gefoltert, mit Messern verletzt und gezwungen, das Papier, auf dem sie ihre Aufzeichnungen gemacht hatten, zu schlucken. Es würde zu weit führen hier diese Verbrechen in ihrem ganzen Ausmaß und detailliert zu beschreiben.

Diese Situation hält jetzt seit mehr als 8 Jahren an. Seit 1998, nach dem Massaker von Drenica, hat sich dieser Prozeß enorm verschärft. Und sofort war der Kosovo auf der Tagesordnung der internationalen Gemeinschaft.

Seit Anfang letzten Monats versucht die serbische Regierung offen und ohne Zurückhaltung einen Genozid durchzuführen. Zwangsdeportationen (unsere Schulen wurden zu Konzentrationslagern für die Männer, die von ihren Familien getrennt wurden), Vergewaltigungen, Massenmord, systematische Plünderungen und Brandstiftungen von Häusern, ganzen Dörfern und Städten, in einem in Europa seit dem zweiten Weltkrieg nicht gekannten Ausmaß, wurden berichtet. Aber Ihr kennt diese neuen Entwicklungen so gut wie ich aus den Massenmedien.

Ich möchte besonders die Tatsache der Depersonalisiseruing der Bürger des Kosovo, die aus ihren Häusern vertrieben und ihrer Ausweise beraubt werden, und die dadurch zu Niemanden degradiert werden und so gezwungen sind die Grenze zu Mazedonien und Albanien zu überqueren, hervorheben. Zweitens möchte ich an das Massaker von Goden erinnern. Zwanzig Lehrer, Mitglieder unserer Gewerkschaft und ihr Rektor, wurden am 25. März gefoltert und schließlich vor den Schülern ihrer Grundschule aufgehängt.

Aber wir sind entschlossen unsere Arbeit unter den jetzigen Umständen fortzuführen.

1/ Das wichtigste Ziel für die Zukunft des Kosovo ist jetzt unsere Menschen nah am Land zu halten. Angesichts dessen hat unsere Gewerkschaft ein Programm gestartet, um unsere Mitglieder in den verschiedenen Lagern ausfindig zu machen, damit sie so früh als möglich die Unterrichtstätigkeit wieder aufnehmen können, wenn auch nur provisorisch. Aber die Lehrer hatten und werden eine sehr wichtige Rolle im Überleben meines Landes haben. Und Bildung ist ihre Waffe.

2/ Wir haben begonnen, sowohl Unterstützung für die Beschaffung von Unterrichtsmaterialien in den Camps zu suchen, als auch die Ressourcen, um den Lehrern die physische Verrichtung ihrer Arbeit zu ermöglichen.

3/ Wir suchen Unterstützung für die Familien von getöteten und verwundeten Lehrern.

4/ Wir sind der traumatischen Erfahrungen der Kinder gewahr. Deswegen wollen wir in der Entwicklung eines Programmes zur Reduzierung der Traumata und Entfremdung und zur Resozialisierung verstörter Kinder unterstützt werden.

5/ Wir werden unsere Mitglieder aufrufen die Verfolgung von Kriegsverbrechen durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu unterstützen und Augenzeugenberichte an das Gericht weiterzugeben.

Unser internationales Gewerkschaftsbüro, Education International in Brüssel, wird eine unterstützende und koordinierende Rolle bei all diesen Aktionen spielen.

Hochachtungsvoll, Agim Hyseni, 19/04/1999

Vorsitzender der Kosovarischen Lehrergewerkschaft SBASHK; fax: ++ 31 30 29 89 880 tel: ++ 31 62 27 89 338

übermittelt von: SOB (Secours Ouvrier pour la Bosnie), B.P. 51, 75861 Paris Cedex 18, France