letzte Änderung am 16. Juli 2003

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Abkommen mit Paramilitärs - Menschenrechtsverbrechen vergessen und Koka-Gelder steuerfrei?

Von Dario Azzellini

Wie überraschend am Anfang der Woche bekannt gegeben wurde ,wollen die rechtsextremen kolumbianischen Paramilitärs bis Ende 2005 ihre Waffen vollständig abgeben. Der Prozess der Demobilisierung soll nach Angaben des "Friedensbeauftragten" Luis Carlos Restrepo bereits in 90 Tagen beginnen und beträfe 13.000 Mitglieder des Paramilitär-Dachverbandes Autodefensas Unidas de Colombia (AUC). Eine Zahl die weit übertrieben scheint, da es nach unterschiedlichen Schätzungen nur etwa 11.500 Paramilitärs gibt, von denen 3.000 Angehörige des 'Bloque Metro' und des 'Bloque Elmer Cárdenas' ohnehin nicht am Verhandlungsprozess teilnehmen und weitere getrennt verhandeln. Es drängt sich also die Frage auf wer im Zuge dieser Maßnahmen noch alles legalisiert werden soll.

Mit dem nun erzielten "Abkommen von Santa Fe de Ralito um zum Frieden Kolumbiens beizutragen” wird die Sondierungsphase der Gespräche zwischen Paramilitärs und Regierung abgeschlossen und die konkreten Verhandlungen zum Demobilisierungsprozess beginnen.

Die Paramilitärs sollen sich möglichst bald in gewissen Regionen sammeln, die aber nicht entmilitarisiert werden sollen.

Die Abmachungen im Hintergrund bleiben jedoch ebenso unbekannt und undurchsichtig wie der gesamte Verhandlungsprozess es war. Seit der Beginn der Gespräche im Januar diesen Jahres war so gut wie nichts über die Inhalte und den Verlauf in die Öffentlichkeit gedrungen. So wird in dem Abkommen nicht erwähnt, wie mit offenen Verfahren, verurteilten Paramilitärs und vor allem schwere Menschenrechtsverbrechen und Verstöße gegen das internationale humanitäre Recht umgegangen werden wird. Allein im vergangenen Jahr verübten die Paramilitärs mehr als 400 Massaker mit mehr als 2000 Toten. Die schwammige Formulierung, dass "die Regierung sich verpflichtet die notwendigen Maßnahmen durchzuführen, um sie (die Paramilitärs) wieder in das zivile Leben zu reintegrieren” lässt das schlimmste befürchten. Zumal Präsident Uribe im Zusammenhang damit verkündete eine Gesetzesinitiative einzureichen, die Straffreiheit für die grausamsten Menschenrechtsverbrechen vorsieht. Angehörige der US-Botschaft in Bogotá hatten sich in der Vergangenheit wohl ebenfalls mehrmals mit Carlos Castaño und Salvatore Mancuso, respektive politischer und militärischer Führer der AUC getroffen. Dabei sollen sie den beiden im Zuge des Antiterrorkrieges auf die Terroristenlisten gerutschten langjährigen Partnern der US-Aufstandsbekämpfungsstrategien attraktive Angebote gemacht haben, damit diese sich der US-Justiz stellen, von der sie per Haftbefehl gesucht werden. Vollständige Straffreiheit soll es nicht sein, wohl aber besondere Haftbedingungen und Strafminderung. Schließlich leisteten die ab 1980 unter Mithilfe von US-Geheimdiensten aufgebauten Paramilitärs jahrelange treue Dienste, übernahmen die "schmutzige Kriegführung" und leisteten damit einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Rehabilitierung des kolumbianischen Staates.

Überraschend wären solche Vereinbarungen mit Castaño und Mancuso nicht. Der im Jahr 2000 in den USA festgenommene und kurze Zeit später wieder freigelassene kolumbianische Modefotograf Baruch Vega erklärte er habe im Auftrag der DEA Gespräche mit kolumbianischen Drogenunternehmern geführt, um diese von einem US-amerikanischen "Resozialisierungsprogramm" zu überzeugen. Das Angebot, das bei der Zahlung von drei bis 40 Millionen Dollar an die US-Behörden, Straffreiheit, den Umzug der kolumbianischen Drogenunternehmer in die USA und Visa für weitere 15 Familienangehörige vorsieht, soll von insgesamt 114 Drogenhändlern angenommen worden sein, darunter 20 Paramilitärs. Das Geld sei zur Hälfte in bar oder Gütern und zur anderen Hälfte in Drogen bezahlt worden, so Drogenunternehmer Fabio Ochoa Anfang 2003 vor Gericht in Miami. Das Geld floss wiederum ­ so wie bei der Finanzierung der nicaraguanischen Contra in den 80er Jahren - in die Kassen der Paramilitärs. So heißt es in der gemeinsamen Erklärung von AUC und Regierung "Die AUC teilt das Vorhaben der Regierung eines Kolumbiens ohne Drogenhandel und unterstützt die Aktionen des kolumbiansichen Staates gegen diese Erscheinung”. Dass dies wirklich der Fall sein wird, ist stark anzuzweifeln, schließlich kontrolliert die AUC schätzungsweise 70 Prozent der Kokain-Exporte. Die Organisation selbst könnte nun vielleicht tatsächlich auf eine Finanzierung aus dem Drogenhandel verzichten, schließlich hatte Carlos Castaño schon vor einigen Jahren angeboten das Drogengeschäft einzuschränken, wenn andere Finanzierungsquellen bereitgestellt werden würden, doch die einzelnen Drogenunternehmer werden dies wohl kaum tun. Die Masse der gewöhnlichen Paramilitärs und der mittleren Ränge wird indes wohl legalisiert werden, indem sie ­ wie bereits mehrmals während der Gespräche angedeutet ­ in die von der Uribe-Regierung neu geschaffenen Repressionsstrukturen integriert werden. Dies könnte einerseits im Rahmen eines Spitzelnetzwerkes geschehen, über das im gesamten Land eine Million Menschen, teilweise bewaffnet, die Informationsstrukturen der Armee eingebunden werden sollen oder ­ wie es auch der konservative US-Thin-Tank "Rand Corporation" 2001 bereits vorschlug über das "Bauernsoldaten-Programm". Das bereits gestartete Programm soll letztlich 20-30.000 sogenannte Bauernsoldaten ausbilden, die den Dienst an der Waffe neben ihrer Landarbeit an ihrem Herkunftsort leisten sollen. Ein Muster das dem der türkischen oder guatemaltekischen Dorfschützer ähnelt.

Da dafür weiterhin große Geldsummen notwendig sind, wurde aus kolumbianischen Regierungskreisen bekannt, dass Präsident Uribe der Öffentlichkeit bald einen "Plan Colombia Phase II” vorstellen wolle. Eine Fortsetzung des Ende 2005 auslaufenden "Plan Colombia” über den in den vergangenen Jahren mehrer Milliarden US-Dollar zur vermeintlichen Drogenbekämpfung nach Kolumbien geflossen sind, davon allein über 2,5 Milliarden US-Dollar aus den USA. Die massive Militärhilfe hat den Krieg in Kolumbien in den vergangenen Jahren massiv eskaliert, während das Drogengeschäft in seinem Umfang kaum davon berührt wurde. Häufig wurde der "Plan Colombia” daher als "Krieg gegen die Bevölkerung” beschrieben. "Plan Colombia Phase II” soll nun sicher stellen, das auch im Jahr 2006 weiterhin reichlich Militärhilfe, augenblicklich um die 800 Millionen Dollar jährlich, aus den USA nach Kolumbien fließt.

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