Die Aldous Huxley Revival Serie Brave new world (9)

ENDE DER BESCHEIDENHEIT

 

Die Aufregung - außerhalb Österreichs - hat sich etwas gelegt, Zeit für ein paar Anmerkungen zur Haiderei - und wohin sie paßt.

Die Börse, der Haider und der Esser. Die Besetzungsliste für das Remake von "The good, the bad and the ugly" ? - Das wäre eine Möglichkeit. Die andere Variante: Ein Tryptichon. Die Börse: explodiert, alle spekulieren in Aktien, die Kurse seit langem Bestandteil der Tagesschau: Die zentrale Institution des Wahns, wie nie zuvor.

Der Haider: fängt antikapitalistischen Protest auf, sofern er marktwirtschaftlich-demokratisch inspiriert ist. Jenen Protest, der Erscheinungen kritisiert, nicht Zustände.

Der Esser: bedient seine Aktionäre - wie er es soll, sahnt ab und wird dafür zum Kanzlerberater.

Während sich die politischen Parteien im wesentlichen durch den Umfang ihrer Geldbeschaffung und Vorteilsnahme unterscheiden (und ihren Einfallsreichtum bei Wortschöpfungen zum Zwecke der Vernebelung), wollen sie dem Wähler und der Wählerin klar machen, daß sie Haiders Jörg nicht wählen dürfen. Wohl aber müssen sie zur Wahl gehen, denn das ist auch schon das Höchste, was diese Demokratie anzubieten hat. Wähle Berlusconi und Mussolinis Nichte in Italien, Aznar und den Opus Dei in Spanien, Chirac und Charles Pasqua in Frankreich. Wähle Stoiber Edmund. Den Schröder oder Fischer. Seht die Unterschiede. Seht sie! Nun seht sie endlich!

Nun ja: Schröder und Fischer haben Bomben auf Chemiefabriken zu verantworten, auf Züge und Sendeanstalten. Stoiber schmeißt raus wie Haider in seinen kühnsten Träumen. Pasqua ließ über zwei Millionen Menschen von der Polizei kontrollieren. Und während Fini eindeutig faschistischer war als es Haider ist, sitzen bei Aznar die Gespenster Francos am Kabinettstisch.

Schöne neue Welt: Demokratie eben, die sich gegen Haider wehrt.

Die Börse als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens: Das mag der nostalgische Sozialdemokrat naserümpfend zur Kenntnis nehmen und seinem Keynes nachtrauern. Dabei ist die neue Rolle der Börse nur die Antwort auf die Frage: Wollt ihr den totalen Markt? Und der kennt eben keine Parteien mehr, nur noch Investitionsbedingungen.

Vom Parteibuch abgesehen, die Nostalgie überwindend, ganz ehrlich: Wo ist der Unterschied zwischen Tony Blair und Jörg Haider? Beide sorgen dafür - wie Schröder - daß die Herren Esser ihren Leistungslohn nicht mehr so hoch versteuern müssen. Daß es keine sozialen Netze für arbeitsscheue Arbeitslose gibt. Null Toleranz für Asoziale, die keine Aktien kaufen. Dann sollen sie wenigstens den Aktienbesitzern die Schuhe putzen: Sie, die Anderen.

Haider ist so wenig ein Gestriger wie Esser. Fit, cool und abgezockt - Ende der Bescheidenheit. Wenn in den Reden Standort gegen Volk ausgetauscht wird, schwinden die letzten Unterschiede. Soziale Gerechtigkeit schaffen sie alle: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.

Wer von Haider redet und vom System schweigt, hat keine großen Aussichten für seinen Protest. Alternativen ? Klima vielleicht? Das ist Haider bis wolkig.

Denn Haider ist vor allem eins: Der Esser der Politik. Wie stehen meine Aktien? Welche Position gebe ich heute auf? Wie verkaufe ich meine Ware am besten und lasse die rassistischen Aktien weiter steigen?

Den Haider bekämpfen? Das heißt, den modernisierten Nationalismus bekämpfen, den aufgeklärten Rassismus, der den des Stammtischs längst in seinen Bann gezogen hat. Wer aber diesen Nationalismus bekämpfen will, kann schlecht mit Sozialdemokraten zusammengehen.

Den Haider bekämpfen? Das hieße, den gesunden Menschenverstand, der die WählerInnen zum großen Inszenator treibt, bekämpfen - den kleinen Mann, der regelgerecht und teutsch in den Hintern getreten werden möchte, der sich gar nicht über mehr beklagt - und aktiv wird : Nach unten.
Haider in seiner Medienshow treibt er die Liberalen vor sich her: Weil er deutlich macht, daß seine politischen Grundlagen dieselben sind, wie ihre - er aber spricht sie aus.
Wer Haider bekämpfen will, darf sich nicht darauf beschränken, seine politischen Antworten zu kritisieren, sondern muß - "Guten Tag, Herr Marx" - die Fragen kritisieren.

Helmut Weiss

 


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