Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

Vermögensbesteuerung
für mehr Gerechtigkeit und mehr Beschäftigung

 

- Sondermemorandum -

Zusammenfassung:

1. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert die Wiedererhebung der Vermögensteuer auf private Vermögen mit einem Steuersatz von 2 vH. Hiermit soll ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit geleistet und die finanzielle Grundlage zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit gestärkt werden.

2. Vermögen begründet eine über das Einkommen hinausgehende, zusätzliche Leistungsfähigkeit des Eigentümers. Vor allem das Geldvermögen, aber auch das Immobilienvermögen sind sehr ungleich verteilt. So konzentrieren sich nach einer eher zurückhaltenden Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 28 vH des Geldvermögens auf 5 vH der reichsten Privathaushalte. Je höher der Anteil am Vermögen, um so üppiger fallen die Vermögenseinkünfte aus, die wieder in die Vermögensbildung fließen. Die Vermögensteuer dient dem Ziel, diese soziale Ungerechtigkeit abzubauen und die öffentlichen Finanzen zu stärken.

3. Einnahmen aus der Vermögensteuer tragen dazu bei, den finanziellen Spielraum der Länderhaushalte für eine aktive Politik des Wirtschaftswachstums und den Abbau der Arbeitslosigkeit zu erhöhen.

4. Die Vermögensteuer verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Sie ist, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 22.6.1995 feststellte, allerdings nur dann grundgesetzkonform, wenn bei den Immobilien statt der viel zu niedrigen Einheitswerte die Ertragswerte die Besteuerungsbasis bilden.

5. Die Behauptung, die Besteuerung des Vermögens führe zur Diskriminierung des Sparens durch Doppelbesteuerung des Einkommens, unterstellt fälschlicherweise, daß die Vermögensbildung bei Beziehern hoher Einkommen Ausdruck eines besonderen Konsumverzichts sei. Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß die unteren Einkommensschichten, die ihre Einkünfte ganz überwiegend für den Konsum ausgeben müssen, durch die Mehrwertsteuer zusätzlich belastet werden. Eine steuerliche Freistellung der Vermögen würde daher eine ungerechtfertigte Privilegierung der Gruppen bedeuten, die ihre Einkünfte vorwiegend zur Vermögensbildung nutzen können.

6. Es wird ein Freibetrag von 700.000 DM pro Haushalt, zusätzlich 100.000 DM je Kind vorgeschlagen. Dabei wird das Immobilienvermögen mit dem Ertragswert angesetzt, der auf der Grundlage vergleichbarer Mieten ermittelt wird.

7. Das jährliche Aufkommen aus der Vermögensteuer wird auf mindestens 30 Mrd. DM geschätzt.

8. Zusätzlich schlägt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik die Wiedereinführung der Kapitalverkehrsteuer sowie eine unbefristete Besteuerung von Spekulationsgewinnen vor. Die hieraus erzielbaren Steuereinnahmen belaufen sich auf rund 25 Mrd. DM (Kapitalverkehrsteuern) und 11 Mrd. DM (Besteuerung der Spekulationsgewinne).

9. Das Aufkommen aus diesen Steuern von insgesamt mindestens 66 Mrd. DM soll vorrangig für sozial- und beschäftigungspolitische Maßnahmen eingesetzt werden.

1. Hintergrund: starke Ungleichheit der Vermögensverteilung

Schon Oswald von Nell-Breuning erkannte 1967, "daß weitgehend Übereinstimmung darüber besteht, daß die heute bei uns bestehende Verteilung der Vermögen in entscheidendem Maße durch die politischen Katastrophen der letzten Jahrzehnte geprägt und in viel höherem Maße durch glückliche oder unglückliche Zufälligkeiten als durch Leistung und Verdienst bestimmt ist und sich damit als fragwürdig erweist." Hieran hat sich in den letzten drei Jahrzehnten nichts geändert. Im Gegenteil: Der massive Druck auf die Lohneinkommen, der sich auch in einem Absinken der bereinigten Lohnquote von 1980 bis 1998 von 65 auf 60 vH niederschlägt, macht es den Arbeitnehmern kaum noch möglich, eigenes Vermögen aufzubauen. Hier muß eine Umverteilung stattfinden, da ansonsten die Spanne zwischen den Vermögenden und den Vermögenslosen weiter ansteigt.

Über die Vermögensverteilung und ihre Entwicklung in Deutschland liegen nur sehr unvollständige statistische Informationen vor, die sich zudem nur auf Immobilien- und Geldvermögen und nicht auf die Verteilung des Produktivvermögens beziehen. Schon aus diesen Angaben läßt sich jedoch die starke und steigende Ungleichverteilung des Vermögens unmittelbar ablesen oder schlußfolgern. Die enorm gewachsene Geldvermögensbildung konzentriert sich in zunehmendem Maße auf die privaten Haushalte mit hohen und höchsten Einkommen. So ist es beispielsweise einsichtig, daß die in Abbildung 1 dargestellte starke Steigerung des Geldvermögens zwischen 1980 und 1998 auf fast das Vierfache von 1,5 Billionen DM auf 5,7 Billionen DM in erster Linie in den Haushaltsgruppen stattgefunden hat, die über ein besonders hohes Einkommen verfügen. Während nämlich in dieser Zeit das Sozialprodukt und Volkseinkommen jeweils auf rund das Zweieinhalbfache zunahmen, stiegen die Arbeitnehmereinkommen nur auf weniger als das Doppelte (das 1,9-fache), die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen aber auf fast das Vierfache (das 3,9-fache). Unter Berücksichtigung der Preissteigerungen (das 1,6-fache) bedeutet dies, daß die realen Arbeitnehmereinkommen um rund 30 vH, die Gewinne und Vermögenseinkommen aber um rund 230 vH zugenommen haben. Es ist offensichtlich, daß unter diesen Bedingungen Geldvermögen im wesentlichen bei den Unternehmen und höheren Einkommensschichten gebildet wird.

Die Ungleichverteilung der Vermögen wird auch aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 1993 deutlich. Sie ist allerdings insofern verharmlosend, als der Erfassungsgrad der Geldanlagearten nur zu ca. 60 vH erfüllt ist und Haushaltsgruppen mit einem Monatseinkommen ab 35.000 DM nicht erfaßt werden.

Die erfaßten 5,5 vH der Haushalte (1,556 Millionen, früheres Bundesgebiet) mit einem Nettogeldvermögensbestand von 200.000 DM und mehr verfügten über 31,7 vH des gesamten Nettogeldvermögens und besaßen im Durchschnitt 359.600 DM. 31,1 vH dieser Haushalte hatten ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von 7.500 bis 35.000 DM.

Auch die Verteilung der Vermögen privater Haushalte nach Vermögensklassen im Jahre 1993 spiegelt eine starke Ungleichheit wider: Danach verfügt fast die Hälfte (46,0 vH) aller Haushalte nur über ein Zehntel des Geld- und Immobilienvermögens, während auf nur 5,1 vH aller Haushalte deutlich mehr als ein Viertel (27,8 vH) des Vermögens entfällt.

 

Abb. 1: Die Entwicklung des Geldvermögens der privaten Haushalte von 1980 bis 1998

- in Mrd. DM nach verschiedenen Geldanlagen -

Abb. 2: Vermögensverteilung in der Bundesrepublik 1993

- Prozentanteile des Vermögens und der Haushalte -

Schließlich können zur Verdeutlichung der Disparität die letztmalig erhobenen Vermögensteuerstatistiken von 1989 und 1993 herangezogen werden. Aus diesen geht hervor, daß ca. 11 vH der Steuerpflichtigen mit einem Gesamtvermögen von 1 Mio. DM und mehr über 58 vH des Gesamtvermögens verfügten. 2,5 vH dieser Haushalte besaßen zum größten Teil Betriebsvermögen bzw. land- und forstwirtschaftliches Vermögen.

2. Entwicklung und rechtliche Bewertung der Vermögensteuer

Am 22. Juni 1995 hat das Bundesverfassungsgericht (BStBl. II 1995, S. 656-671) die Einheitswerte als Grundlage der Vermögen- und Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt. Mit dieser Entscheidung wurde die Ungerechtigkeit gerügt, daß die Wertansätze für Grundvermögen und andere Nichtgeld-Vermögenswerte seit langem nicht mehr den realen Verkehrswerten entsprachen. In der Besteuerungspraxis hatten sich seit der letzten Hauptfeststellung der Einheitswerte zum 1. Januar 1964 und der pauschalen Erhöhung um 40 vH im Jahre 1974 die Einheits- und Verkehrswerte immer weiter auseinander entwickelt. Im Durchschnitt erfaßten die Einheitswerte (ohne den 40-prozentigen Zuschlag nach § 121a BewG) im Vergleich zu den durchschnittlichen Kaufpreisen für verschiedene Objekte laut einer Berechnung des Bundesministeriums für Finanzen nach dem Ertragswertverfahren für das Jahr 1992 zwischen 8,9 vH für ein unbebautes Grundstück und 12,5 vH für ein Einfamilienhaus der Verkehrswerte. Demgegenüber wurden die Geldvermögen zu 100 vH in die Besteuerung einbezogen. Diese ungleichgewichtige Besteuerung mußte als verfassungswidrig eingestuft werden, so daß die bisherige Vermögensteuer zum 1.1.1997 auf Haushalts- und Betriebsvermögen ausgesetzt (und eben nicht abgeschafft!) wurde bis die Regierung für eine verfassungsgemäße Bewertung der Vermögen sorgt. Da dies nicht bis zum 31.12.1996 geschah, wurde die Vermögensteuer aufgehoben.

Der Vorschlag der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik zielt auf eine Wiedererhebung auf verfassungskonformer Bemessungsgrundlage.

Im Jahr 1996 betrug das Aufkommen 9,035 Mrd. DM, d.h. 1,07 vH des gesamten Steueraufkommens entstammte der Vermögensteuer. Seit 1962, als der Steueranteil noch 2,08 vH betrug, ist diese Quote stetig gesunken. Der Anteil der Vermögensteuer, der auf Privatvermögen entfiel, betrug konstant ca. 25 vH.

Nach dem Grundgesetz ist die Vermögensteuer eine Ländersteuer. Für die Länderhaushalte sind die daraus zu erzielenden Einnahmen von elementarer Bedeutung. In den westlichen Bundesländern entfiel 1995 23,8 vH der Einnahmen aus den reinen Ländersteuern auf die Vermögensteuer; in den neuen Bundesländern wurde die Vermögensteuer bisher noch nicht erhoben. Im selben Jahr betrug der Anteil der Vermögensteuer an den gesamten Ländersteuern für Hamburg 35 vH, für Hessen 27,7 vH, für Bremen 26,4 vH, für NRW 24,6 vH und für Baden-Württemberg 23,9 vH.

Immer wieder wird die verwaltungs- und kostenaufwendige Erhebung der Vermögensteuer als Gegenargument zu deren Wiedereinführung angeführt. Nach Schätzungen für die alte Steuererhebung betrug der Verwaltungskostenanteil 20 vH des Vermögensteueraufkommens (für das Jahr 1983 wurden nur 11 vH ausgewiesen), hinzu kommen ca. 12 vH an Befolgungskosten bei den Steuerpflichtigen; für die private Vermögensteuer wurde das Verhältnis von Aufwand und Aufkommen noch deutlich schlechter eingeschätzt. Damit weist die Vermögensteuer eine im Vergleich zu anderen Steuern niedrige fiskalische Ergiebigkeit auf. Durch eine vereinfachte Erhebungstechnik läßt sich jedoch der Verwaltungsaufwand reduzieren. Dies wird der Fall sein, wenn die Vermögensteuer, wie wir sie vorschlagen, auf der Basis von Ertragswerten erhoben wird, die schon in anderen Steuerarten (Schenkung- und Erbschaftsteuer) Anwendung finden. Ohnehin darf das Kriterium fiskalische Ergiebigkeit keine Begründung darstellen, finanzwissenschaftlich sinnvolle Bemessungsgrundlagen von der Besteuerung freizustellen, da dies den Gleichheits- und Gerechtigkeitsprinzipien der Besteuerung widersprechen würde.

Das Aufkommen aus der Vermögensteuer hat sich im Zeitablauf wie folgt entwickelt:

 

Abb. 3: Das Aufkommen an Vermögensteuer absolut und in vH der gesamten Steuereinnahmen

 

Das deutliche Absinken der Vermögensteuerquote seit Ende der sechziger Jahre hängt mit den nicht mehr den Verkehrswerten entsprechenden Einheitswerten zusammen. Diese Entwicklung ist um so verwunderlicher als die Freibeträge kaum angehoben wurden und deshalb das zu versteuernde Vermögen immer größer werden mußte. Wie auch in den anderen Steuergesetzen, so war auch hier keine automatische Dynamisierung der Freibeträge vorgesehen.

3. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995

Für die Besteuerung des Vermögens setzt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber deutliche Schranken. Das normale Gebrauchsvermögen, auch als Lebensführungsvermögen bezeichnet, darf dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zufolge nicht besteuert werden. Das bedeutet für die Masse der Haushalte, die ein Ein- oder Zweifamilienhaus bzw. eine Eigentumswohnung besitzen und nur über ein geringes Finanzvermögen verfügen, daß sie von der Vermögensteuer weitestgehend freigestellt werden sollten.

Auch für Haushalte mit größerem Vermögen setzt das Bundesverfassungsgericht wichtige Grenzen für den steuerlichen Zugriff des Staates. Die Steuer darf nicht mehr in die Vermögenssubstanz eingreifen, sondern sie muß aus den normalen Erträgen bestritten werden können. Offen bleibt, ob dies auch für die Besteuerung des Geldvermögens gilt, denn hier greift der Staat schon bei mäßiger Inflationsrate und hohen Grenzsteuersätzen in der Einkommensteuer eventuell in den realen Wert ein.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem sog. "Halbteilungsgrundsatz" gegenüber dem zu versteuernden Einkommen darauf hingewiesen, es gäbe keinen Spielraum für eine Vermögensteuer. Dieser Halbteilungsgrundsatz ist jedoch theoretisch nicht begründet, empirisch diffus und verfassungsrechtlich zweifelhaft. Auf den letzten Punkt weist ein Minderheitenvotum zu dieser Entscheidung ausdrücklich hin. Theoretisch wie empirisch ist nicht klar, ob sich die Steuerbelastung, die nicht mehr als die Hälfte der Sollerträge überschreiten soll, auf den (formalen) Tarifsatz oder die effektive Besteuerung bezieht. Ein sinnvoller Ansatzpunkt kann jedoch nur die effektive Steuerbelastung sein. Da jedoch die einkommensstarken Vermögenden derzeit effektiv durch die großzügige Reduktion der Bemessungsgrundlage im Durchschnitt mit 30 vH belastet werden, gibt es genügend Spielraum für die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Unklar bleibt auch, ob diese Bestimmung für die einzelne Einkunftsart gelten soll oder für die gesamte jährliche Belastung aller Einkunftsarten, wie es herrschende Meinung ist. Da alle Einkunftsarten steuerlich gleich zu behandeln sind, sind die Nettoerträge ("Gewinne" im weiteren Sinne) zu betrachten. Der Sollertrag, der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht weiter definiert wurde, kann nach sachlogischer Interpretation des Sinnes der Ausführungen nur der Bruttoertrag abzüglich erwerbsbedingter Aufwendungen und sonstigen Entlastungen sein, die als Einsatz für die Erzielung des Reinertrags gelten. Dazu gehören nach den Vorstellungen über die steuerliche Leistungsfähigkeit ebenfalls die Reproduktionskosten, d.h. existenzsichernde Ausgaben. Dieser Nettoertrag darf dann keiner höheren Durchschnittsbelastung als 50 vH unterliegen.

Neuerdings werden auch beim Bundesfinanzhof Zweifel laut, ob der Halbteilungsgrundsatz mit der Steuersystematik und den innewohnenden Prinzipien konform geht. In seinem Urteil vom 11.8.1999 (DB 1999, S. 2291/2) wird die Bindungswirkung des Urteils allein auf den Tatbestand der Vermögensteuer bezogen und nicht auf die Addition von Einkommen- und Gewerbeertragsteuer. Damit wird grundsätzlich einer Begrenzung der Belastung mit Ertragsteuern laut Art. 14 Abs. 2 GG widersprochen; eine Quantifizierung einer zulässigen Steuerbelastung ist demnach nicht möglich.

Bemerkenswert ist der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts, daß auch der Alterssicherung dienendes Vermögen bei der Vermögensteuer zu berücksichtigen ist. Hier sollen Maßnahmen initiiert werden, die private Vorsorge für das Alter zu erleichtern und den Menschen, die eigenverantwortlich für das Alter vorsorgen, die Sicherheit zu geben, daß ihnen die Mittel später nicht durch staatliche Umverteilung wieder entzogen werden. Scheinbar soll der Weg in das Kapitaldeckungsverfahren eingeleitet werden und indirekt eine Rechtfertigung für den Abbau von vermögensbezogenen Steuern gegeben werden, mit dem Argument der Aufhebung der steuerlichen Diskriminierung von privater Kapitalbildung als Grundlage der Altersvorsorge gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung.

In Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG wird ausdrücklich die Vermögensteuer erwähnt und in der finanzwissenschaftlichen Literatur ist es unstrittig, daß das Vermögen an sich bereits eine steuerlich relevante Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen darstelle. Verfassungsrechtlich ist die Vermögensteuer aus Gründen gerechter Lastenverteilung gerechtfertigt. Bereits aufgrund von Gerechtigkeitsargumenten kann der im Vermögen verkörperte "Vermögenszugang in der Vergangenheit" einer Substanzbesteuerung unterzogen werden. Der Vermögende hat eine größere steuerliche Leistungsfähigkeit als der Vermögenslose. Mit einer Vermögensbesteuerung werden verschiedene Nutzkomponenten, welche die steuerliche Leistungsfähigkeit definieren, einer Belastung unterzogen, z.B. Sicherheit, Liquidität, Macht oder Sozialprestige; dem Postulat der Verteilungsgerechtigkeit wird damit genüge getan.

Der Hinweis, Ersparnisse würden durch die Vermögensbesteuerung zuerst über die Einkommensteuer und dann nochmals belastet werden, übersieht: Einerseits wird auch die konsumtive Verwendung der Einkommen nochmals über die Mehrwertsteuer belastet. Dabei fällt die relative Belastung für untere Einkommensbezieher erheblich stärker aus als bei reichen Haushalten. Andererseits ist die Vermögensbildung nicht das Ergebnis von Konsumverzicht, sondern Ausdruck einer höheren ökonomischen Leistungsfähigkeit. Schließlich müßte, wenn Sparkapital von der Vermögensbesteuerung freigestellt werden soll, dies auch für die Ausgaben gelten, die das Arbeits-Vermögen (Humankapital) erhöhen.

Der Einwand, daß bei der Wiedererhebung vielfältige kreative Steuervermeidungsstrategien entstehen werden, kann im Grundsatz nicht greifen. Der Versuch, durch Verschuldungsstrategien das Immobilienvermögen in seinem Wert zu minimieren bzw. das mobile Vermögen ins vermeintlich vermögensteuerfreie Ausland zu transferieren, greift zu kurz. Eine geeignete Besteuerungstechnik kann dem entgegenwirken. Die Möglichkeit das Privat- in Betriebsvermögen zu transformieren wird dann für den Steuerschuldner zu einer höheren Steuerlast führen, wenn der umgekehrte Weg beschritten wird und der gesamte Wertzuwachs dem Einkommensteuerrecht zugeführt wird.

4. Vermögensteuer im internationalen Vergleich

Innerhalb der Europäischen Union befindet sich Deutschland bei der Steuerquote (Steuern in vH des Bruttosozialprodukts) mit 24 vH 1998 im unteren Drittel. Nur Griechenland, Portugal und Spanien liegen niedriger. Selbst wenn die Sozialabgaben einbezogen werden, bleibt Deutschland im Mittelfeld. Mit einer Steuer- und Abgabenquote von 42,6 vH liegt Deutschland deutlich unter den Werten Frankreichs (44,2 vH), der Niederlanden (47,5 vH) und Schwedens (50,4 vH).

In Deutschland haben im internationalen Vergleich die vermögensbezogenen Steuern (Vermögensteuer, Grundsteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuern, Steuern auf Vermögenstransaktionen) ein relativ unbedeutendes Gewicht, wie aus Untersuchungen der OECD hervorgeht.

Ein internationaler Vergleich zeigt zwar, daß in vielen EU-Staaten (Belgien, Italien, Griechenland, Großbritannien, Irland, Portugal, Österreich) sowie in den USA und Japan keine allgemeine Vermögensteuer für natürliche Personen erhoben wird, dafür aber andere vermögensbezogene Steuern. Juristische Personen besteuern neben Deutschland nur noch Luxemburg, die Schweiz sowie Italien und Schweden.

 

Abb. 4: Vermögensteuern1) im internationalen Vergleich für das Jahr 1994

Land

in vH des Bruttoinlandsprodukts

in vH des

Steueraufkommen

USA

3,3

12,0

Japan

3,2

11,5

Kanada

4,0

11,0

Großbritannien

3,7

10,8

Australien

2,8

9,3

Schweiz

2,5

7,4

Frankreich

2,3

5,3

Deutschland

1,1

2,8

OECD insg.

1,9

5,2

1) Vermögensteuern, Grundsteuer, Erbschaftsteuer und andere Steuern auf Eigentum

Quelle: OECD: Revenue Statistics 1965 - 1995, Paris, Tabelle 6 und 7

 

Abb. 5: Vermögensteuer im europäischen Vergleich im Jahr 1995

 

Natürliche Personen

 

Juristische Personen

 
 

Vermögen-steuersätze

Persönliche Freibeträge

Vermögen-steuersätze

Bewertung Grundvermögen

Dänemark

1,0 vH1)

1.424.500 dkr

(367.735 DM)

 

Einheitswerte

Deutschland

0,5/1,0 vH1)

120.000 DM und zzgl. 60.000 DM

0,6 vH1)

Einheitswerte

Frankreich

0,5-1,5 vH

1.000 FF von Steuer-schuld je Kind (290 DM)

   

Italien

   

0,75 vH

Buchreinvermögen abzgl. Handelsbilanzgewinn des laufenden Jahres

Luxemburg

0,5 vH

100.000 lfr (4.870 DM)

0,5 vH

Einheitswerte

Niederlande

0,8 vH

68.000 hfl - 136.000 hfl verheiratet(60.000-121.500 DM)

 

Verkaufswert (eigengenutzte Grundstücke 60 vH)

Schweden

   

1,5 vH

75 vH des Marktwertes

Spanien

0,2-2,5 vH

15 Mio./20 Mio. Ptas (175/235.000 DM)

-

Katasterwert (70 vH des Marktwertes)

1) = abgeschafft/bzw. aufgehoben mit dem 1.1.1997

In anderen Staaten ist die Bedeutung der Vermögensteuer wegen relativ hoher Freibeträge, breiter Tarifeingangszonen mit niedrigen Sätzen oder Befreiung bestimmter Vermögensarten (z.B. Betriebsvermögen, Kunstwerke, Sammlungen) sehr niedrig. In einigen Ländern hat die Vermögensteuer auch nur den Charakter einer Ergänzungssteuer zur Einkommensteuer, da Zinsen und Dividenden nur vergleichsweise niedrigen Quellensteuersätzen mit Abgeltungscharakter unterliegen. Aber man muß bedenken, daß in vielen Ländern zum Teil hohe Verkehrsteuern auf die Übertragung von Vermögen erhoben werden. Man erkennt hieran, wie schwierig es ist, historisch gewachsene und kulturell unterschiedliche Steuersysteme in einer einzigen Maßzahl vergleichen zu wollen.

 

5. Konkrete Ausgestaltung der Vermögensteuer

6. Abschätzung des Steueraufkommens

Das letzte "normale" Steueraufkommen an Vermögensteuer betrug 1996 rund 9 Mrd. DM, bei einem 1-prozentigen Steuersatz für natürliche Personen und 0,5 vH für juristische Personen, mit einem Grundfreibetrag von 70.000 DM je Haushaltsmitglied (Ehepartner und Kinder). Insbesondere durch die weit vom Verkehrswert entfernten Einheitswerte war dieses Volumen sehr gering. Steuerpflichtig waren nach der letzten Erhebung 1993 1,133 Millionen Personen (= 1,4 vH der Bevölkerung) mit einem Rohvermögen von 983,5 Mrd. DM bzw. einem Gesamtvermögen von 833,4 Mrd. DM. Das Grundvermögen machte hier einen Betrag von 190 Mrd. DM aus. Unter der Annahme, daß der Ertragswert ca. das Vierfache beträgt, würde allein unter den alten Bedingungen mit den Ertragswerten ein neues zu besteuerndes Volumen von ca. 700 Mrd. DM entstehen, und die Vermögensteuer hätte unter diesen Bedingungen ebenfalls ein Volumen von mindestens 30 Mrd. DM annehmen können.

Insgesamt kann man sagen, daß ein Kennzeichen der deutschen Behandlung der Vermögen ist, daß eine nur sehr ungenügende Erfassung der steuerlichen Bemessungsgrundlage "Vermögen" bestand. Auf der Grundlage neuer definierter Ertragswerte, die keine Bewertungsdifferenz zwischen Geld- und Sachvermögen aufweisen, ist ein hohes Volumen an Steuern zu erwarten. Gleichzeitig kommt man der finanzwissenschaftlichen Forderung nahe, nicht nur den Konsum und das Einkommen, sondern auch das Vermögen als Bemessungsgrundlage zu nehmen.

Beispielrechnungen

a. Angenommen sei eine Familie mit 2 Kindern, die ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von 150 qm hat, ein Aktienpaket von 100.000 DM hält und über ein Sparguthaben von 200.000 DM verfügt. Die ertragsabhängige Bemessungsgrundlage für die Vermögensteuer wird folgendermaßen berechnet:

Für das eigengenutzte Haus wird laut Mietspiegel oder im Vergleich zum Nachbargrundstück die mögliche erzielbare Miete ermittelt; sie sei in unserem Beispiel: 15.- DM je qm

-> 15.- DM * 150 qm = 2.250 DM/Monat, d.h. Jahresmiete von 27.000 DM.

Der Ertragswert ist das 18-fache der Jahresmiete, d.h. 486.000 DM (evtl. unbebaute Grundstücksteile werden zu entsprechend niedrigeren Werten berücksichtigt)

Damit ergeben sich folgende Werte:

Einheitswert für das Gebäude

486.000 DM

Aktienpaket

100.000 DM

Sparguthaben

200.000 DM

Summe:

786.000 DM

Der Freibetrag hat folgende Höhe:

 

je Haushalt 700.000 DM, d.h.:

700.000 DM

je Kind 100.000 DM, d.h.:

200.000 DM

Summe:

900.000 DM

In diesem Fall sind keine Vermögensteuern zu zahlen, da der Freibetrag höher ist als die Summe aller Werte.

b. Eine Familie mit 2 Kindern besitzt neben einem freistehenden Eigenheim mit 200 qm Wohnfläche und 5.000 qm Garten, ein Aktienpaket von 500.000 DM, Termingelder in Höhe von 2.000.000 DM und zwei Mehrfamilienhäuser mit 20 Mietparteien, die im Durchschnitt eine Miete von 1.400 DM bezahlen.

Damit ergeben sich folgende Werte

Einheitswert für das Gebäude (200 qm * 15.- DM)*12*18:

648.000 DM

Einheitswert für das Grundstück (5.000 qm*4.-DM)*12*18:

4.320.000 DM

Aktienpaket

500.000 DM

Termingelder:

2.000.000 DM

Mietshäuser (20 Parteien*1.400 DM)*12*18:

6.048.000 DM

Summe:

13.516.000 DM

./. Freibetrag:

900.000 DM

= zu versteuernde Werte:

12.616.000 DM

Höhe der Vermögensteuer: 2 vH von 12.616.000 DM:

252.320 DM

Dies entspricht einer durchschnittlichen Belastung auf das gesamte Vermögen von 1,87 vH. Demgegenüber beträgt die durchschnittliche Verzinsung von Eigenkapital ca. 5-6 vH .

 

 

Die Grundlage für die Abschätzung bilden die Untersuchungen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im Gutachten vom Mai 1997, die ständigen Erhebungen, zuletzt mit Daten für das Jahr 1998 (DIW-Wochenbericht 30/99), die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1993, die Erhebungen der Deutschen Bundesbank und die Vermögensteuerstatistiken 1989 und 1993.

Die Deutsche Bundesbank weist für das Jahr 1997 ein Nettoreinvermögen (Geld-, Immobilien- und Gebrauchsvermögen) von ca. 12,1 Billionen DM aus. Aus den Erhebungen des DIW zur Geldvermögensbildung ergibt sich, daß für 1998 ein Wert von 12,5 Billionen DM realistisch ist. Von diesem Wert ist das Gebrauchsvermögen zu subtrahieren, welches vom Bundesverfassungsgericht als Lebensführungsvermögen definiert wurde und keiner Besteuerung unterliegen darf. Somit verbleiben 11 Billionen DM.

Durch den Vergleich der einzelnen Statistiken, welche mit unterschiedlichen Volumina beim Geld- und Immobilienvermögen arbeiten, läßt sich ableiten, daß für das Jahr 1998 das Nettoreinvermögen zu 25 vH von 4 vH der Haushalte gehalten wird, die über ein Gesamtvermögen von jeweils mehr als 1 Mio. DM verfügen. Nach Abzug der Freibeträge für diese Haushalte (1,2 Millionen Haushalte mit im Durchschnitt einem Kind) verbleiben ca. 1,5 Billionen DM als Bemessungsgrundlage.

Hieraus ergibt sich ein an der unteren Grenze angesetztes Volumen an Vermögensteuer von ca. 30 Mrd. DM.

Die Vermögensteuer muß als bundeseinheitliche Steuer für alle Bundesländer wieder eingeführt werden. Hier den einzelnen Ländern lediglich die Möglichkeit zur Einführung zu geben, müßte zu einem steuerpolitischen Flickenteppich führen und würde die Kohäsion der Bundesrepublik belasten.

 

7. Flankierende Maßnahmen

a.) Kapitalverkehrsteuern

Der Kapitalverkehr zwischen den Industrie- und den sogenannten Schwellenländern sowie innerhalb der Industrieländer selbst hat sich in den letzten Jahrzehnten beträchtlich ausgeweitet. Dieser Anstieg ist auf internationaler Ebene durch eine Reihe von Öffnungs- und Liberalisierungsmaßnahmen sowie auf nationaler Ebene durch zahlreiche Deregulierungen ermöglicht worden. Die wachsende Verfügbarkeit liquider Mittel bei gleichzeitig sich verschlechternden Nachfrage- und damit realwirtschaftlichen Investitionsbedingungen sind die ökonomische Voraussetzung dafür, daß das Volumen der finanziellen Transaktionen auf nationalen wie internationalen Finanzmärkten mittlerweile ein Vielfaches der realen Transaktionen auf den Faktor- und Gütermärkten erreicht hat.

Die Anleger auf den Finanzmärkten realisieren - ebenso wie die Finanzmarktinstitutionen, die mit dem Umsatz und der Abwicklung dieser Geschäfte befaßt sind - erhebliche Gewinne durch die Erträge aus den Wertpapieranlagen selbst und durch eventuelle Kurssteigerungen. Anders als bei Gütern und Dienstleistungen werden Umsätze auf den Kapitalmärkten jedoch nicht steuerlich erfaßt, obwohl die Verfügung über ein Vermögen, das den Erwerb von Wertpapieren zur Vermögensanlage ermöglicht, als Indikator für finanzielle und damit auch steuerliche Leistungsfähigkeit des Anlegers interpretiert werden muß. Mit der Einführung von Steuern auf den nationalen wie auch auf den internationalen Kapitalverkehr kann eine ergiebige Finanzierungsquelle erschlossen werden, die das Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit berücksichtigt. Gleichzeitig sind diese Steuern ein Instrument zur Unterstützung der Stabilität auf den Finanzmärkten.

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik plädiert daher für die (Wieder-) Einführung nationaler Kapitalverkehr- (Börsenumsatz-) Steuern als zusätzliche Einnahmequelle für notwendige beschäftigungspolitische Maßnahmen.

Kapitalverkehrsteuern existierten in Deutschland bis Anfang der 90er Jahre. Als Gesellschaftsteuer betrafen sie die Zuführung von Eigenkapital in inländische Kapitalgesellschaften; der Ersterwerb von Rechten an inländischen Kapitalgesellschaften sowie weitere Leistungen der Gesellschafter (z.B. Nachschüsse in GmbH) wurden mit einem Steuersatz von 1 vH besteuert. Eine Börsenumsatzsteuer wurde auf die dem Ersterwerb folgenden Umsätze von Anteilsscheinen der Kapitalanlagegesellschaften (0,2 vH), von Aktien und Industrieobligationen (0,25 vH) sowie von öffentlichen Schuldverschreibungen (0,1 vH) erhoben. Abbildung 6 zeigt, daß das Aufkommen aus diesen Steuern zwischen 1970 und 1990 stetig angestiegen ist, auf zuletzt knapp 1,6 Mrd. DM. Der Vergleich mit dem gesamten Steueraufkommen, das sich 1990 auf ca. 567 Mrd. DM belief, macht jedoch deutlich, in welch verschwindend geringem Umfang die zugrundeliegenden Transaktionen zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte herangezogen worden sind.

EU-weit wurde die Gesellschaftsteuer 1969 durch eine EG-Richtlinie harmonisiert, die ihre Abschaffung durch einzelne Mitgliedsländer ab 1985 zuläßt. Die konservativ-liberale Koalition beseitigte mit dem Finanzmarktförderungsgesetz 1990 sämtliche Kapitalverkehrsteuern (seit 1991 wird keine Börsenumsatzsteuer, seit 1992 keine Gesellschaftsteuer

 

Abb. 6: Aufkommen aus Kapitalverkehrsteuern in Deutschland 1970 bis 1990 in Mio. DM und Anteil am gesamten Steueraufkommen in vH

 

1970

1975

1980

1985

1990

Kapitalverkehrsteuern

374

360

392

986

1 579

Anteil am gesamten Steueraufkommen

0,24

0,15

0,11

0,23

0,28

Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2000, Tab. 12.

mehr erhoben), um die angeblich gefährdete internationale Wettbewerbsfähigkeit des "Finanzplatzes Deutschland" sowie die Eigenfinanzierungsmöglichkeiten der Kapitalgesellschaften zu verbessern. In einigen EU-Ländern, u.a. in Großbritannien als einem der größten internationalen Finanzplätze, existiert sie jedoch nach wie vor, mit einem Steuersatz von i.d.R. 1 vH.

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik schlägt vor, den Ersterwerb von Wertpapieren nach wie vor steuerfrei zu stellen, um die Finanzierung von Investitionen nicht zu verteuern, jedoch eine Börsenumsatzsteuer für Sekundärumsätze zu erheben. Für angemessen halten wir eine Börsenumsatzsteuer für Aktien und Industrieobligationen in Höhe von 1 vH; dieser Steuersatz sollte auch für den Umsatz öffentlicher Schuldverschreibungen gelten. Sicherlich werden diese erhöhten Steuersätze eine Reduzierung der besteuerten Finanztransaktionen bewirken, jedoch dürfte dies keine negativen, sondern eher positive Auswirkungen auf die Allokationseffizienz der Finanzierungsmärkte haben. Der Handel mit Aktien und Industrieobligationen dient nicht zur Finanzierung unternehmerischer Aktivitäten, sondern umfaßt lediglich Sekundärumsätze, die zur Erzielung von Kursgewinnen bzw. dem Erwerb dividenden- und zinstragender Finanzanlagen getätigt werden. Für die folgende Schätzung der Bemessungsgrundlage werden die Angaben der "International Federation of Stock Exchanges" über das Volumen des Handels mit Aktien sowie öffentlichen und privaten Anleihen in Deutschland verwendet. Es wird angenommen, daß sich die Umsätze halbieren, da die Wertpapiere zu einem erheblichen Teil kurze Umschlagszeiten aufweisen und deshalb durch die Umsatzsteuer überdurchschnittlich verteuert werden. Abbildung 7 stellt das geschätzte Aufkommen unter den gemachten Annahmen dar, das sich für 1998 auf knapp 24,7 Mrd. DM belaufen hätte.

Abb. 7: Geschätztes Aufkommen bei Wiedereinführung einer Börsenumsatzsteuer in Deutschland (in Mio. DM)

Steuerart

BGL1)

Höhe der
Brutto-BGL

Höhe der
effektiven BGL2)

Steuerauf-kommen

 

Aktien

2.481.751

1.240.876

12.409

 

Öffentliche Anleihen

2.355.402

1.177.701

11.777

 

Unternehmensanleihen

100.454

50.227

503

∑ Börsenumsatzsteuer

 

4.937.607

2.468.854

24.689

1) Bemessungsgrundlage.

2) Bemessungsgrundlage nach Anpassungsreaktionen.

Quelle: International Federation of Stock Exchanges (Hrsg.), Yearbook 1998, Paris 1999, Tables I.4.B and II.4.B.

b.) Unbefristete Besteuerung der Spekulationsgewinne

Die Gewinne, die Anleger durch den Verkauf im Kurs gestiegener Wertpapiere realisieren, werden in Deutschland nach wie vor steuerlich nur unvollständig erfaßt. Dabei sind die Erträge aus diesen Wertsteigerungen gerade bei dem andauernden Börsenboom der letzten Zeit mittlerweile vielfach bedeutender als etwa Dividendenausschüttungen, also die Erträge aus diesen Finanztiteln im eigentlichen Sinne. Die weitgehende steuerliche Verschonung von Kursgewinnen ist erstens ein Verstoß gegen das Gebot der individuellen Leistungsfähigkeit, da die Möglichkeit, in solche Wertpapiere zu investieren, eine gewisse Einkommenshöhe voraussetzt: Während im ersten Halbjahr 1998 nur 1,8 vH der Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 1.500 DM und 2.500 DM überhaupt Aktienbesitz hatten, waren es in der Gruppe über 8.000 DM monatliches Nettoeinkommen über 21 vH. Zweitens wird die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzt, denn Gewinne, die durch den Verkauf von im Kurs gestiegenen Wertpapieren realisiert werden, stellen ebenso wie Arbeitseinkommen einen Einkommenszufluß dar und sind daher ebenso steuerlich zu behandeln.

Während die Verlängerung der Spekulationsfrist im Immobilienbereich durch die rot-grüne Bundesregierung von einem Jahr auf nunmehr zehn Jahre eine sinnvolle und ausreichende Neuregelung darstellt, besteht im Bereich von Finanzanlagen nach wie vor dringender Handlungsbedarf. Die Ausdehnung der Spekulationsfrist von bislang sechs Monaten auf ein Jahr ist nur ein zaghafter und inkonsequenter erster Schritt. Eine umfassende und gleichmäßige steuerliche Erfassung von realisierten Kursgewinnen steht immer noch aus. Wir schlagen daher vor, Kursgewinne unbefristet zu besteuern; dabei sollen in der gleichen Steuerperiode anfallende Kursverluste allerdings gegengerechnet werden können.

Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung betrugen die Wertsteigerungen bei Aktien, Investmentzertifikaten und Rentenpapieren in dem Vierjahreszeitraum von 1995 bis 1998 netto insgesamt gut 390 Mrd. DM; im Jahresdurchschnitt also knapp 98 Mrd. DM. Es kann angenommen werden, daß ein Drittel dieser Zuwächse durch die vollständige Aufhebung der geltenden Spekulationsfrist zusätzlich im Rahmen der Einkommensteuer erfaßt werden könnten: Dann können auch realisierte Gewinne aus Finanztiteln, die länger als ein Jahr gehalten worden sind, besteuert werden. Darüber hinaus besteht derzeit das Problem, daß vielfach die Steuerpflicht auch während der Spekulationsfristen umgangen wird; hier müssen verschärfte Kontrollen zur Durchsetzung eingeführt werden. Eine unterschiedslose Behandlung aller Gewinne aus Wertsteigerungen würde effektive Kontrollen erheblich erleichtern. Der durchschnittliche Einkommen- bzw. Gewinnsteuersatz der Anleger dürfte, da diese sich überdurchschnittlich häufig in den oberen Einkommensbereichen befinden, vorsichtig geschätzt 35 vH betragen. Damit ergibt sich ein potentielles Steueraufkommen von über 11 Mrd. DM im Jahresdurchschnitt.

 

Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Postfach 33 04 47, 28334 Bremen

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