27. November 1999

Abschlußerklärung der Konferenz Lichter der Großstadt - für soziale BürgerInnenrechte

Jedes Jahr aufs Neue dreht sich auch in Hamburg die Sparspirale. Nicht nur in Berlin, auch hier wird kräftig von unten nach oben umverteilt: SozialhilfeempfängerInnen werden zur Kasse gebeten, Drogenhilfeeinrichtungen und Deutsch-Ausländische Begegnungsstätten müssen ihr Angebot zusammenstreichen oder werden ganz geschlossen. Für Kinder und Jugendliche werden Kindergartenplätze und Betreuungsmaßnahmen nicht mehr finanziert. Zwangsmaßnahmen und staatlich durchgesetzte Dumpinglöhne eröffnen düstere Perspektiven für eine sinnvolle kommunale Beschäftigungspolitik. Obdachlosigkeit, Armut, Perspektivlosigkeit wachsen genauso rasant wie der Reichtum in dieser Stadt. Unter rot-grün ist die Grundtendenz dieser Entwicklung weder im Bund noch in Hamburg gestoppt oder gar umgekehrt worden. Soziale Grund- und BürgerInnenrechte werden weiter massiv eingeschränkt. Das Recht auf menschenwürdige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wird Makulatur.

Haushaltskonsolidierung und "intelligentes Sparen" heißt nicht nur Armut, sondern auch Ausgrenzung, Zwangsmaßnahmen, Demütigung und Entrechtung. Höchste Zeit also für Opposition, für Kritik und für die Entwicklung von Gegenpositionen. Höchste Zeit für eine laute Stimme gegen die Durchdringung aller gesellschaftlicher Bereiche durch den Neoliberalismus. Und höchste Zeit für ein deutliches Signal gegen den Abbau sozialer Grundrechte und gegen rigorose Sparpolitik. Die Konferenz "Lichter der Großstadt" will dieses Signal setzen, Opposition aus den unterschiedlichsten Bereichen – von GewerkschafterInnen, politischen Organisationen, sozialen Trägern bis hin zu sozialen Basisinitiativen -zusammenführen, gemeinsame Diskussionen und voneinander Lernen anstoßen und Widerstand sichtbar machen.

Die Auseinandersetzungen in Frankreich zeigen, daß eine unabhängige vielfältige soziale Bewegung in der Lage ist, Druck auf eine Regierung auszuüben. Sozialpolitische Opposition kann daher positive Veränderungen oder zumindestens soziale Korrekturen bewirken.

Dabei stehen in der Auseinandersetzung mit dem Senat folgende Überlegungen im Mittelpunkt:

Die Garantie sozialer BürgerInnenrechte braucht materielle Absicherung. Im Sozial- und Jugendbereich sind die Grenzen kommunaler Sparpolitik längst überschritten – die Substanz des kommunalen Sozialstaats steht zur Disposition. Daher ist ein Moratorium des Kürzens und Einsparens im sozial- und jugendpolitischen Budget der Stadt unverzichtbar.

Wir verkennen nicht, daß die konservativ-liberale und nun rot-grüne Finanz- und Wirtschaftspolitik auf Bundesebene, die Unternehmen und die wohlhabende Privathaushalte begünstigt, die Armen und die Erwerbslosen bedrängt und die Spielräume der kommunalen Haushalte einschränkt, nicht autonom und vollständig in einem Bundesland korrigiert werden kann. Gleichwohl gibt es auch in Hamburg nicht genutzte Möglichkeiten Einnahmen im Bereich der Gewerbesteuer, des Steuereinzugs, der Hafenmieten etc. zu erhöhen. Auch auf der Ausgabenseite gibt es im Bereich der Struktur- und Wirtschaftspolitik – wie das milliardenschwere DASA-Engagement des Senats zeigt – Möglichkeiten, in andere, für eine solidarische Stadt wichtigere, Bereiche umzuverteilen.

Gleichzeitig suchen wir den Streit mit der Bundesregierung, die in der Finanz- und Sozialpolitik an die Kohlregierung anknüpft. Wirksamer Widerstand gegen die Sozial- und Finanzpolitik der Bundesregierung lebt von der Bewegung in den Kommunen und davon, daß vor Ort Ansätze einer sozialpolitischen Alternative zum neo-liberalen mainstream auch praktisch sichtbar werden.

Sozialabbau stoppen und BürgerInnenrechte erstreiten

Unsere Diskussionen auf der Konferenz "Lichter der Großstadt" haben aber deutlich gemacht, daß die Fragen von sozialen BürgerInnenrechten, Partizipation und Gerechtigkeit nicht nur von der Höhe der Fachetats abhängen. Genauso wichtig wie eine andere Verteilung der Ressourcen ist die institutionelle Absicherung von Rechten von Erwerbslosen, SozialhilfeempfängerInnen und Flüchtlingen. "Die Stadt gehört allen" ist eine klare und notwendige Antwort auf den Diskurs und die Praxis der Vertreibung.

Wenn die Durchsetzung von schlichten betriebswirtschaftlichen Modellen in der sozialen Arbeit und bei öffentlichen Diensten nicht aufgehalten wird, werden die sozial- und arbeitsmarktpolitischen Probleme in diesen Bereichen eskalieren.

Forderungen und Ergebnisse der KonferenzIn den Arbeitsgruppen und in der Diskussion im Plenum wurden folgende Forderungen an Bundesregierung und den Hamburger Senat erarbeitet, die exemplarisch für die alternative Sozialpolitik stehen, für die wir streiten wollen:

Sozial- und Arbeitsmarktpolitik
Kinder-und Jugendpolitik
Pflege

Wenn Menschenwürde und Selbstbestimmung in der Pflege praktisch werden sollen:

Außerdem muß die Freie und Hansestadt Hamburg für die Förderung und Finanzierung von selbstbestimmtem Wohnen im Alter einstehen.

Tarifliche Standards in der sozialen Arbeit

Die Beschäftigten im der Sozial-, Jugend- und Gesundheitsbereich müssen mit tarifvertraglicher Absicherung der Spirale von Markt, Konkurrenz und Lohndumping entgegentreten. Die BAGS muß tarifliche Standards (auf BAT-Niveau) bei der Höhe ihrer Zuwendungen als Qualitätsmerkmal bei Freien Trägern berücksichtigen.

Die "öffentliche Armut" ist durch die steuerpolitischen Umverteilungsprozesse verursacht. Die Dynamisierung marktwirtschaftlicher Kriterien in der Sozial-, Jugend- und Arbeitsmarktpolitik sind eine Konsequenz.

Für die gesellschaftliche Integration der sogenannten Modernisierungsverlierer jenseits der Verwertungslogik muß mehr Geld bereitgestellt werden - durch Umverteilung zu Lasten der "Modernisierungsgewinner".

Die Vernetzung der sozialpolitischen Akteure ist dringend erforderlich. Utopien und neue, kooperative Konzepte sind nötig.Nehmen wir den Kampf auf um die Begriffe und die Köpfe der Menschen. Lassen wir nicht zu, daß durch betriebswirtschaftliche Kalküle parteiliche soziale Arbeit zerstört wird.

Im nächsten Jahr werden wir die Konferenz Lichter der Großstadt fortsetzen und bilanzieren wie weit wir mit unseren gemeinsamen Initiativen, programmatischen auch kontroversen Diskussionen um eine solidarische Stadtpolitik gekommen sind. Wir sind sicher – wie in dem Film city lights von und mit Charlie Chaplin gibt’s am Schluß ein happy end.