letzte Änderung am 27. November 2003

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Winfried Wolf

"Sturzflug in die Krise. Die Weltwirtschaft, das Öl, der Krieg"
Konkret Literatur Verlag (2003, 238 Seiten,16.50 €)

Kapitel 11: Überproduktion? Unterkonsumtion? Krise des Profits!

Soweit Millionäre ihre Befriedigung darin finden, mächtige Paläste zur Beherbergung ihrer Leiber während ihres Lebens und Pyramiden zur Bergung nach dem Tode zu errichten, oder in der Bereuung ihrer Sünden Kathedralen erbauen und Klöster und Missionen beschenken, kann der Tag, an dem die Fülle des Kapitals auf die Fülle der Produktion stören einwirkt, aufgeschoben werden. "Das Graben von Löchern im Erdboden", bezahlt aus Ersparnissen, wird nicht nur die Beschäftigung, sondern auch das reale Einkommen der Volkswirtschaft an nützlichen Gütern und Dienstleistungen vermehren.

John Maynard Keynes 1936

 

Es existieren verschiedene Lehrmeinungen, was denn nun "schlußendlich" die kapitalistischen Krisen verursachen würde. In den Analysen der offiziellen Institute und bürgerlichen Fachleute werden meist sehr spezifische Krisenursachen angeführt – für jede Krise eine besondere. Die Weltwirtschaftskrise wurde von Ernst Wagemann, dem damaligen Leiter des Berliner Konjunkturforschungsinstituts, im Jahr 1931 wie folgt bilanziert: "Die empirische Betrachtung verweist einen... mit aller Eindringlichkeit auf einen doppelten Sachverhalt, der der jetzigen Wirtschaftskrise auf der Güterseite vorausgegangen ist, und der sie ... verursacht hat. Das ist einerseits die agrarische und sodann die industrielle Überproduktion... Der Umbruch im Jahr 1929 (erscheint) als die logische Konsequenz eines Mißverhältnisses zwischen Produktion und Konsumtionskraft... Das Geldeinkommen der breiten Massen (reicht) nicht aus, um mit dem Tempo der Produktion Schritt zu halten... Damit hat für dieses Mal die Unterkonsumtionstheorie die Palme errungen." Damit wird offen gelassen, welche Theorie beim nächsten Mal "die Palme erringen" wird.

Bei der japanischen Krise Anfang der neunziger Jahre hieß es, die Zentralbank habe "zu spät" reagiert und zu spät die Zinsen gesenkt. Nun liegt jedoch der Leitzins in Japan seit Ende der neunziger Jahre bei Null Prozent, doch kaum etwas rührt sich. Gilt hier: "Wer zu spät senkt, den bestraft das Leben?" Im Fall der US-Krise 2001 kann niemand einen vergleichbaren Vorwurf erheben – die Zinsen wurden, wie beschrieben, mit Beginn erster rezessiver Tendenzen massiv und schnell gesenkt. Was sind nun die Gründe für die US-Rezession 2001, für das geringe Wachstum 2002, für die Gefahr des "double dip" 2003? Es kann auch an der Nachfrage nicht gelegen haben – sie wurde und wird, wie beschrieben, durch die US-Regierung gewaltig gepuscht. Das gilt auch für die japanische Ökonomie, in die im Zeitraum 1992 bis 2002 eine zusätzliche staatliche Nachfrage im Wert von umgerechnet mehr als 1000 Milliarden US-Dollar gepumpt wurde. Mit welchem Ergebnis? Mit dem Resultat, dass zwar eine tiefe Krise bisher vermieden wurde, es jedoch zu einer Stagnation kam, deren Länge historisch einmalig ist und die zu jedem Zeitpunkt in eine schwere Krise umzukippen droht.

Haben wir es bei den weltweiten rezessiven Tendenzen 2001-2003 mit einer Überproduktion zu tun? Ohne Zweifel gibt es gewaltige Überkapazitäten. Der vorhandene Produktionsapparat in der US-Wirtschaft war im ersten Vierteljahr 2003 mit weniger als 75 Prozent ausgelastet – mehr als ein Viertel der Produktionskapazität lag brach. Auch wenn bei der gegebenen Struktur des US-Kapitalismus eine Auslastung zu 100 Prozent auch in einer Phase überhitzter Konjunktur nicht erreicht wird, so lag diese Kapazitätsauslastung Mitte 2000 doch bei 83 Prozent – sie sank kontinuierlich bis auf 72 Prozent Ende 2001, stieg dann bis Mitte 2002 leicht auf 74 Prozent, um dann erneut abzusinken. Ähnlich ist die Lage in Europa. Dort hatte die Kapazitätsauslastung in der Industrie Anfang 2001 bei 85 Prozent gelegen; Anfang 2003 lag sie bei 81 Prozent – rund ein Fünftel der vorhandenen Produktionskapazitäten sind nicht ausgelastet. Oder: Mit den vorhandenen industriellen Kapazitäten könnte bis zu 20 Prozent mehr produziert werden. Die weltweiten industriellen Kapazitäten waren nach anderen Anfang 2003 nur zu 65 Prozent ausgelastet.

Es gibt also ohne Zweifel eine Überproduktion. Sie stellt einen erheblichen Krisenfaktor dar, da das insgesamt angelegte Kapital – das ausgelastete und das unausgelastete – abgeschrieben und verzinst werden muß und sich damit die gesamten Kosten dieser Produktionsanlagen auf weniger Output verteilen und dieses Output verteuern oder die Profite, die damit erzielt werden, reduzieren. Selbst wenn solche Überkapazitäten nicht mit einer offenen Krise verbunden sind, so erhöhen sie die volkswirtschaftlichen Kosten doch enorm.

Das trifft auch für die Ebene der Weltwirtschaft zu und läßt sich am Beispiel von vier großen internationalen Branchen verdeutlichen: der Autoindustrie, der IT-Branche, dem Telekommunikationssektor und den Fluggesellschaften.

 

Internationale Autoindustrie

Im Fahrzeugbau sind die Absatzzahlen seit 2002 rückläufig. 2002 wurden in Westeuropa 3,2 Prozent weniger Autos abgesetzt, in den USA lag der Rückgang bei vier Prozent. 2003 setzt sich der rückläufige Absatz fort. Dabei muß beachtet werden, dass ein erheblicher Teil des Absatzes auf massive Preisnachlässe und auf den massenhaften Pkw-Erwerb auf Kreditbasis – oft mit einer Null-Prozent-Verzinsung – zurückgeht. Ende 2002 gab General Motors auf seine Pkw einen durchschnittlichen Preisnachlaß von 3900 US-Dollar und die DaimlerChrysler-Tochter Chrysler einen von 2900 US-Dollar. Es handelt sich also vielfach um vorgezogene Verkäufe, die den Einbruch zunächst abmildern, aber später nochmals verschärfen können. Hier sind wir im übrigen erneut mit einem Vorgang konfrontiert, wie er in ähnlicher Form im Jahr 1929, am Beginn der Weltwirtschaftskrise, zu beobachten war. Damals schrieb Eugen Varga: "Ein Drittel aller neuen Automobile wurde im Jahr 1929 auf Raten verkauft – ein wichtiger Posten in der Verdeckung des Widerspruchs zwischen Produktions- und Konsumtionskraft."

Von den weltweiten Kapazitäten zum Pkw-Bau waren Anfang 2003 25 Prozent unausgelastet. Dabei gab es in den vorausgegangenen Jahren bereits einen massiven Abbau von Kapazitäten – so nach den Übernahmen von Nissan durch Renault, von Volvo durch Ford, von Saab und Subaru durch General Motors, von Alfa durch Fiat, von Chrysler durch Daimler-Benz und von Mitsubishi durch DaimlerChrysler. 2001 schloß der Weltmarktführer General Motors jedes zweite seiner Werke zeitweilig. Im Gefolge der Asienkrise wurden in Südkorea Kapazitäten abgebaut, indem die Hersteller Kia und Daewoo die Selbständigkeit verloren.

Im Frühjahr 2003 sind trotz all dieser vorausgegangenen "Bereinigungen" die industriellen Kapazitäten im internationalen Fahrzeugbau nur zu 70 Prozent ausgelastet. Es bestehen gewaltige überflüssige Anlagen, die zuvor in einem anarchischen Kampf der internationalen Konkurrenz zur Eroberung der Märkte geschaffen wurden. Dabei sei erwähnt, dass trotz dieser Überkapazitäten neue Kapazitäten geschaffen werden – und daß dieser ökonomische Widersinn noch mit massiven staatlichen Subventionen gefördert wird. So beschloß BMW Ende 2002 die Errichtung eines neuen Werks bei Leipzig, wofür die Stadt Leipzig, das Land Sachsen und die EU-Kommission erhebliche Steuermittel beisteuern, so dass der hochprofitable BMW-Konzern am Ende nur zwei Drittel der rund eine Milliarde Euro teuren Gesamtinvestition selbst trägt.

Im internationalen Fahrzeugbau wurden bereits 2002 massiv Arbeitsplätze abgebaut. Dieser Prozeß wird sich bei einer verlängerten Krise erheblich verstärken. Die vorgezogenen Pkw-Käufe, die zurückbleibenden Masseneinkommen, der Aufbau großer neuer Kapazitäten (beispielsweise in China), die verschärfte Konkurrenz und der Verfall des Dollar-Kurses mit entsprechender Einschränkung des US-Marktes für japanische und europäische Kfz-Importe können zum Aufbrechen einer offenen Krise der internationalken Autoindustrie führen, wie diese auch für die Krisen 1974/75 und 1980-82 charakteristisch war. Das Überleben einzelner Hersteller ist gefährdet. General Motors läßt 2003 bei Saab massiv Arbeitsplätze abbauen und das neue Modell Saab 9-2 bei Subaru, in Japan, produzieren. Der Fiat-Konzern erlebt 2003 ein Jahr, in dem seine Existenz als eigenständiger Autohersteller auf dem Spiel steht. Die Kapazitäten bei dem italienischen Marktführer und seinen Töchtern Lancia und Alfa Romeo wurden 2002 bereits erheblich reduziert. Der verbliebene britische Hersteller Rover wird eine neue internationale Branchenkrise nicht überleben.

 

IT-Branche

Noch weit größere Überkapazitäten gibt es offensichtlich im Sektor der Informationstechnologien (IT), also in derjenigen Branche, die 15 Jahre lang als Beleg für einen neuen, krisensicheren Kapitalismus, genannt "Informationsgesellschaft", herzuhalten hatte. Die Situation in der Branche zur Herstellung von Halbleitern, Computern und PC-Software wird am besten verdeutlicht mit einem Blick auf die IT-Messe, die Comdex in Las Vegas, USA. Bis zum Jahr 2000 pilgerten jährlich rund 200.000 Menschen zu dieser weltweit größten IT-Leistungsshow; im November 2002 waren es nur noch rund 100.000. Im Jahr 2000 waren auf der Comdex 2400 Firmen vertreten, die 110.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche belegten. 2002 waren es noch 1100 Firmen mit 35.000 Quadratmetern Fläche. Nach einer Untersuchung des maßgeblichen IT-Analysten Gartner vom November 2002 soll es Ende 2004 auf dem Weltmarkt nur noch die Hälfte der 2002 aktiven IT-Firmen geben – die andere Hälfte wird pleite gehen oder aufgekauft werden. Übernahmen wie die von Compaq durch Hewlett-Packard vom Mai 2002 werden zur Regel. Damit wird in dieser internationalen Branche aber auch der Abbau von mehreren Hunderttausenden Arbeitsplätzen vollzogen. Allein die IT-Konzerne Siemens (mit den Töchtern Infineon und Epcos), HP/Compaq, Intel, Motorola, SAP, Ericson und Cap Gemini kündigten für 2003 bis 2005 einen Abbau von 75.000 Arbeitsplätzen an. Gleichzeitig befindet sich die Branche seit Jahren in einem ruinösen Preiskrieg. Hersteller, die existentiell gefährdet sind, fluten den Markt mit elektronischen Produkten zu nicht kostendeckenden Preisen. Das trifft beispielsweise zu auf den südkoreanischen Computerchip-Hersteller Hynix, den weltweit drittgrößten Hersteller von Speicherchips. Im April 2003 belegten US- und EU-Instanzen Hynix-Importe nach USA bzw. in die EU mit hohen Strafzöllen.

Ostern 2003 senkte der Chiphersteller Intel die Preise für mehrere Modelle um 38 Prozent; sein einziger relevanter Konkurrent AMD zog mit Preisnachlässen von 45 Prozent nach. Obgleich AMD mit einer neuen Prozessorengeneration, dem sogenannten Operon mit einer 64-Bit-Architektur, die weltweit fortgeschrittenste Technologie anbietet, befürchtet die Fachpresse, daß "wegen seiner Größe und der stärkeren Finanzkraft Intel bei diesem Preiskrieg den längeren Atem haben wird." Intel kontrolliert 80 Prozent des Weltmarktes für PC-Prozessoren. Es handelt sich hier um den klassischen Vorgang, daß sich in einer Krise und bei Preiskriegen meist keineswegs die technologisch am weitesten entwickelten, kreativsten und produktivsten Unternehmen durchsetzen, sondern diejenigen mit der größten Marktmacht. Außer im Fall Intel/AMB wird dies auch im Fall Microsoft/Apple demonstriert. Insofern fahren die großen Konzerne die Strategie, gewaltige Überkapazitäten auch in den Aufschwungphasen aufrechtzuerhalten, um im Falle des Aufkommens ernsthafter Konkurrenz jederzeit den Markt mit preiswerten Produkten fluten zu können und den finanzschwächeren Widerpart auszuschalten.

Im übrigen sind Preiskriege und protektionistische Maßnahmen in schweren kapitalistischen Krisen klassische Erscheinungsformen, die den Welthandel unterminieren und die Krise verschärfen können.

 

Telekommunikations-Sektor

Nicht zu übersehen sind Krise und ungenutzte Kapazitäten im Sektor der Telefongesellschaften. Wir erinnern uns daran, wie Anfang und Mitte der neunziger Jahre die Privatisierung der bis dahin staatlichen Telefongesellschaften als zukunftsweisender Schritt gepriesen wurde. Das Beispiel der deutschen Telekom ist exemplarisch. Mitte der neunziger Jahre wurde die Deutsche Bundespost in die "gelbe" Deutsche Post, die "blaue" Postbank und den "manganroten" Fernmeldebereich, die Deutsche Telekom AG, aufgespalten. Letztere erlebte in den Jahren 1996, 1999 und 2000 drei Börsengänge, mit denen 20 Milliarden Mark in die Staatskasse gespült und gleichzeitig der staatliche Anteil am Aktienkapital auf 43 Prozent gesenkt wurde. Ron Sommer und Manfred Krug wirkten als ideales Verkäufergespann, dem es gelang, Millionen Menschen als neue Kleinaktionäre für die "sichere Geldanlage" zu gewinnen. Der Ausgabepreis der Telekom-Aktie lag beim ersten Börsengang am 18.11.1996 bei 14,57 Euro, beim Verkauf der zweiten Tranche am 28.6.1999 bei 39,50 Euro und beim dritten Börsengang am 19.6.2000 bereits bei 66,50 Euro. Selbst danach setzte sich der Höhenflug der T-Aktie für kurze Zeit bis zum Rekordhoch von 103,50 Euro fort. 713 Millionen Aktien wurden verkauft, rund 3 Millionen (überwiegend neue) Kleinaktionäre gewonnen. Dieser Kursanstieg wurde von einer gewaltigen Einkaufstour des Telekom-Vorstands beflügelt. Allein für das US-Unternehmen Voicestream und die UMTS-Mobilfunklizenzen investierte Telekom 40 Milliarden Euro. Doch der Aufstieg gründete sich, wie der der gesamten Branche, vor allem auf Phantasie und Betrug. Mehrmals wurde – zuletzt vom Bundesrechnungshof im Juni 2002 – moniert, daß die Immobilienwerte der Telekom falsch – zu hoch – bilanziert sind. Einzelinvestitionen wie der Kauf von Voicestream und der Erwerb von UMTS-Lizenzen wurden weit überhöht bezahlt. Seit seinem Höhepunkt brach der Telekom-Aktienkurs um 90 Prozent (auf teilweise acht Euro je Aktie) ein; der Börsenwert des Konzerns reduzierte sich um 270 Milliarden Euro. Vorstand und Aufsichtsrat genehmigten Ron Sommer im April 2002 noch eine Gehaltserhöhung von 90 Prozent – mit Zustimmung des Hauptaktionärs Bundesregierung. Die Deutsche Telekom AG ist inzwischen mit 65 Milliarden Euro hoch verschuldet. Jeder neue Krisenfaktor – etwa ein späterer Einsatz der UMTS-Technik als geplant – kann die Deutsche Telekom in eine gefährliche Schieflage bringen.

Das Beispiel der Deutschen Telekom wird von einigen europäischen Konkurrenten noch übertroffen. Der Aktienkursanstieg der im gleichen Zeitraum teilprivatisierten France Telecom verfiel ähnlich deutlich – von 159 auf 12 Euro je Aktie. Dieser Konzern ist noch höher verschuldet – im Frühjahr 2003 mit 75 Milliarden Euro. Die Ratingagentur Moody´s stufte die Kreditwürdigkeit von France Telecom auf knapp oberhalb von sogenannten Schrottaktien (junk bonds) ab. Die Regierung in Paris erwägt sogar eine Renationalisierung von France Telecom, um einem Zusammenbruch zuvorzukommen. Andernorts kam es bereits zu großen Telecom-Pleiten. Der deutsche Mobilfunkanbieter MobilCom ging 2002 Konkurs. Im gleichen Jahr kollabierte der Mobilfunkbetreiber Quam, eine Tochter der Telecom-Gesellschaften Telefónica (Spanien) und Sonera (Finnland). Vor allem gab es in den USA im Juli 2002 die Pleite der zweitgrößten Telekommunikationsgesellschaft: Die WorldCom-Insolvenz, über die bereits berichtet wurde, war mit 41 Milliarden US-Dollar Schulden die bis zu diesem Zeitpunkt größte Firmenpleite in der US-Geschichte.

Seit der Privatisierungswelle und bis Ende 2002 wurden in der Telekommunikationsbranche weltweit bereits mehr als 200.000 Arbeitsplätze vernichtet. Der bis 2005 angekündigte weitere Arbeitsplatzabbau wird sich mindestens in einer vergleichbaren Größenordnung bewegen. Er wird ergänzt durch die Krise und den massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen im Sektor der Telekommunikations-Ausrüster. Konzerne wie Ericson, Alcatel, Cisco, Lucent, SEL oder Nortel haben für 2003 bis 2005 einen weiteren Abbau von 100.000 Jobs angekündigt.

Die internationale Telekommunikationsbranche ist damit in mehrerer Hinsicht eine Schlüsselbranche zum Verständnis weltweiter wirtschaftlicher Vorgänge. In dieser Branche konzentrierten sich die großen Privatisierungen von Staatsvermögen in Europa, Japan und in der Dritten Welt. Mit den riesigen Börsengängen binnen weniger Jahre wurde der allgemeine Börsenboom in erheblichem Umfang "befeuert". Die Banken liehen der weltweiten Telekom-Branche in den vergangenen zwölf Jahren Kredite in Höhe von 1000 Milliarden US-Dollar. Dies stellte ein gewaltiges "privatwirtschaftliches keynesianisches Konjunkturprogramm" dar: Die Kredite waren Teil des auf Pump finanzierten weltweiten Booms – in erheblichem Umfang auch des Booms der M&A-Geschäfte. Sie sind nunmehr Teil einer drohenden internationalen Bankenkrise. In der Telekom-Branche spielten die Bilanzfälschungen eine besonders große Rolle. Das WorldCom-Topmanagement gestand im Juli 2002 ein, in fünf Quartalen die Gewinne in einer Höhe von 3,9 Milliarden US-Dollar künstlich aufgebläht zu haben. Die weit kleinere US-Telecom-Gesellschaft Qwest – die bald darauf ebenfalls kollabierte – konzedierte zum selben Zeitpunkt, den Umsatz um 1,2 Milliarden US-Dollar erhöht wiedergegeben zu haben.

Mit den Privatisierungen im Telekommunikationssektor kamen in der Gesamtbilanz Sondereinnahmen in die Staatskasse, die in der Regel niedriger als die damit verbundenen Belastungen sind. Meist sind bereits die neuen staatlichen Verbindlichkeiten – etwa für die übernommene Altersversorgung – größer als die Privatisierungsgewinne (so im Fall France Telecom). Tatsächlich sind die Staaten nun "schlank"; weitere Privatisierungen sind nur noch beschränkt möglich und aufgrund der niedrigen Kurse auch wenig rentabel. Die regelmäßigen staatlichen Sondereinnahmen, die es zuvor unter anderem im Fernmeldebereich gab, gibt es nun auch nicht mehr. Die Krise des Telekom-Sektors wurde zum integralen Bestandteil der Krise der staatlichen Haushalte und deren Überschuldung. Eine interne Quersubventionierung, die es früher bei der Post gab, existiert nicht mehr, so daß die Ausdünnung der Postdienste (Schließung von Postfilialen und von Poststellen, Abbau von Briefkästen) eine Folge der Telekom-Privatisierungen ist.

Dabei steht die Krise in dieser Branche – zumindest in Europa – erst an ihrem Anfang. Mehrere Unternehmen sind völlig überschuldet. Die gewaltigen Investitionen in die UMTS-Technik könnten sich als Fehlinvestitionen herausstellen (die neue Mobilfunktechnik erwies sich in Japan bereits als Flop). Im Frühjahr 2003 kündigten mehrere führende Telekommunikationskonzerne – darunter France Telecom und die deutsche Telekom – Sonderabschreibungen und Verluste in einer Höhe an, wie es sie in der europäischen Wirtschaftsgeschichte bis dahin nicht gegeben hatte. Damit stehen neue Großfusionen und Megapleiten auf der Tagesordnung.

 

Fluggesellschafen

Wer in den neunziger Jahren verkündet hätte, dass bis zum Frühjahr 2003 die Airline mit dem weltweit besten Ruf für Service und Pünktlichkeit Konkurs angemeldet haben, zur selben Zeit die zweitgrößte Airline der Welt das Insolvenzverfahren beantragen und die weltweit größte Luftfahrtgesellschaft kurz vor der Pleite stehen würden, wäre schlicht für unzurechnungsfähig erklärt worden. Dabei sind Swissair, United Airlines und American Airlines nur beliebig herausgegriffene Beispiele dafür, wie im Verlauf des letzten Zyklus und mit der Krise 2001-2003 eine maßgebliche Weltbranche derart große Überkapazitäten auftürmte, dass es zu mehreren Megapleiten kam. Neben Swissair verschwand bereits die belgische Airline Sabena. Die griechische Fluggesellschaft Olympic Airways steht Anfang 2003 vor dem Aus. Ähnliches trifft auf Alitalia zu. Die argentinische Airline Aereas Argentinas wurde von Iberia aufgekauft, wie eine Weihnachtsgans ausgenommen und in die Pleite getrieben. In Brasilien schlossen sich im Frühjahr 2003 die beiden maßgeblichen Fluggesellschaften Varig und TAM zu einer Notgemeinschaft zusammen; beide sind konkursgefährdet. In Kanada begab sich die führende Luftfahrtgesellschaft Air Canada im April 2003 in das Insolvenz-Verfahren. Die Lufthansa kündigte für das erste Quartal 2003 einen hohen Verlust im operativen Geschäft an.

Besonders dramatisch ist die Lage auf dem größten Markt für Airlines, in den USA. Mit United Airlines und US Airways operieren Anfang 2003 bereits die zweit- und die siebtgrößte Fluggesellschaft der USA unter Gläubigerschutz. Das heißt, sie sind nach europäischem Recht pleite. Sie können sich jedoch in Kanada und in den USA in den Schutz des Insolvenzrechtes begeben, damit zunächst den Forderungen ihre Gläubiger entkommen und unter staatlicher Aufsicht einen Plan zur Umstrukturierung und zu einem Agreement mit den Kreditoren ausarbeiten und umsetzen.

Vieles spricht dafür, dass es zum Ausscheiden zumindest eines großen Anbieters aus dem Markt, zu neuen Großfusionen und damit zu einer Oligopolbildung kommt. Seit 2001 und bis Frühjahr 2003 hat die US-Branche der Airlines Verluste in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar aufgehäuft. Im Jahr 2003 fahren alle großen Airlines weitere Milliarden-Verluste ein – und dies, obwohl sie von den Beschäftigten – den Stewardessen, Pursern, Piloten und dem Bodenpersonal – Einsparungen in Form von Lohnverzicht, freiwilliger Gratisarbeit und Verzicht auf Rentenansprüche in Höhe von mehr als 15 Milliarden US-Dollar erpreßt haben.

Doch auch in dieser Branche steht das Schlimmste noch bevor. Der Irak-Krieg hat trotz seiner kurzen Dauer zu einem Einbruch von Interkontinentalflügen geführt. Die Lungenkrankheit SARS ließ die Nachfrage nach Flugreisen weiter einbrechen, was insbesondere die asiatischen Fluggesellschaften – so die Singapore Airlines, die Cathay Pacific und Dragonair - in die Krise treibt. Seit Jahren tobt in der Branche ein ruinöser Preiskrieg. Mit den "Billigfliegern" kam es sogar zur Herausbildung einer eigenständigen Dumping-Sparte. Absehbar ist jedoch, dass die neue Branche der Billigflug-Gesellschaften in einem Crash münden wird, da auch hier gewaltige Überkapazitäten aufgebaut werden. Gleichzeitig wird kein anderer Verkehrssektor derart massiv staatlich subventioniert wie der Flugzeugbau und die Airlines: Die zwei verbliebenen großen Hersteller ziviler Flugzeuge – Boeing in den USA und EADS/Airbus in Europa – sind gleichzeitig führende Rüstungskonzerne. Ihre zivilen Jets und Neuentwicklungen (im Fall von EADS/Airbus der Jumbo A380) werden über die Rüstungssubventionen quersubventioniert. Kerosin wird in der Regel nicht besteuert, was im Vergleich zur Straße und zum Schienenverkehr einer massiven Wettbewerbsverzerrung gleichkommt.

Kommentare, mit denen die Krise der Airline-Branche als "hausgemacht" bezeichnet wird, sind billig. So hieß es im April 2003 in der deutschen Ausgabe der "Financial Times": "Für viele Anbieter rächt sich nun, dass sie jahrzehntelang bedingungslos auf Expansion gesetzt haben – zeitweise wuchsen die Kapazitäten der Branche doppelt so schnell wie das Bruttoinlandsprodukt." Doch just ein solches Wachstum des Flugverkehrs – doppelt so hoch wie das BIP – wurde bis 2001 von allen regierungsnahen Verkehrsexperten in den G-7-Staaten und in der EU als eine Art ehernes verkehrspolitisches Gesetz vorgegeben. Dieses überproportionale Wachstum des Luftverkehrs findet sich eingespeist in den offiziellen Verkehrsentwicklungsplänen der EU-Kommission beziehungsweise in den Vorgaben des bundesdeutschen Bundesverkehrswegeplans (BVWP). Alle ökonomisch begründeten Warnungen, dass dieses Wachstum auf Dauer nicht durchzuhalten sei, wurden in den Wind geschlagen. Ökologische Bedenken, dass damit ausgerechnet dasjenige Verkehrssegment überproportional wachse, das der Umwelt einen überproportionalen Schaden zufüge und unter anderem verantwortlich für die Klimaverschlechterung sei, wurde in Debatten in der Regel erst gar nicht akzeptiert. Statt dessen kam es in Europa zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Flugzeugindustrie, Airlines und Vertretern der offiziellen Verkehrspolitik bzw. Top-Managern von staatlichen Bahngesellschaften. Ihr Ziel ist es, die Schiene weiter ins Aus zu steuern, im regionalen Verkehr und im Binnenverkehr verbliebene Marktanteile der Schiene auf den Luftverkehr zu verlagern und das Segment der Regionalfliegerei auszubauen. In diese Richtung wirkt das im Dezember 2002 eingeführte neue Preissystems der Deutschen Bahn AG, das ausgerechnet den Fernreiseverkehr unattraktiv macht und bereits in den ersten Monaten 2003 zu einem massiven Rückgang der Fahrgastzahlen führte.

 

Überproduktion oder Unterkonsumtion?

Bilanziert wurden vier weltweit wichtige Branchen. Bei der Autoindustrie handelt es sich um denjenigen Wirtschaftssektor, dem in der Industrie der G-7-Staaten das größte Gewicht zukommt. Die übrigen drei Branchen sind für den aktuellen Kapitalismus und den jüngsten Konjunkturzyklus besonders charakteristisch. Bei allen vier Branchen wurden massive Überkapazitäten und eine Überproduktion oder ein im Vergleich zur Nachfrage wesentlich zu großes Angebot festgestellt. Grob überschlagen machen die vier Branchen Autoindustrie/Fahrzeugbau, IT-Technologie, Telekommunikation und Fluggesellschaften mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandprodukts der G-7-Staaten und mehr als 25 Prozent des Welthandels aus. Die in diesen Sektoren besonders große Überproduktion ist also in erheblichem Maß verantwortlich für die Krise. Gibt es demnach eine solche Überproduktionskrise? Nach all dem Dargelegten kann dies bejaht werden. Doch fragen wir umgekehrt: Gibt es nicht etwa auch eine Unterkonsumtionskrise? Interessanterweise muß auch dies bejaht werden.

Tatsächlich erlebten wir im vergangenen Zyklus in allen hochindustrialisierten kapitalistischen Ländern ein Zurückbleiben der kaufkräftigen Massennachfrage hinter der Entwicklung von Produktion und Bruttoinlandsprodukt. So erhöhte sich die Wertschöpfung im deutschen produzierenden Gewerbe im Zeitraum 1993 bis 2000 um 22 Prozent. Im gleichen Zeitraum reduzierten sich die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden um 24 Prozent und realisierten die abhängig Beschäftigten Reallohnverluste von sechs Prozent. Die Kapitalgesellschaften konnten in diesem Zeitraum ihre nominalen Gewinne um 85 Prozent erhöhen. Im Jahr 2002 lag in der BRD die Summe aller ausbezahlten Nettolöhne und –gehälter nominal nur unwesentlich über der Höhe des Vorjahres; real gab es eine deutliche Reduktion. Das Bruttoinlandsprodukt wies jedoch erneut ein – wenn auch bescheidenes (+ 0,2%) – Wachstum auf. Wie in Kapitel 7 zur BRD-Konjunktur dargelegt, gab es 2001 und 2002 nur eine einzige Konjunkturstütze, den Export. Gleichzeitig blieb die Binnennachfrage zurück und erwies sich als Krisenfaktor. Ein dauerhafter Anstieg der Exporte und insbesondere der Außenhandelsbilanzüberschüsse ist jedoch nicht vorstellbar, weil diese immer zu Lasten anderer Staaten gehen und es über kurz oder lang zu Gegenreaktionen – zum Beispiel zu protektionistischen Maßnahmen – kommen würde.

Entsprechend kritisch reagierten keynesianische Wirtschaftspolitiker Mitte März 2003, als Bundeskanzler Schröder im Bundestag seine lange angekündigte Rede über die zukünftige Wirtschafts- und Sozialpolitik hielt. In dieser forderte er im wesentlichen weitere Kürzungen der Sozialleistungen und weitere Flexibilisierungen der Arbeitskraft, unter anderem eine Lockerung des Kündigungsschutzes. Er hielt diese Rede vor dem Hintergrund der neuen Rekordarbeitslosigkeit von 4,7 Millionen im Februar 2003. In der "Financial Times Deutschland" wurde darauf wie folgt gekontert: "Eine deutliche Lockerung des Kündigungsschutzes würde derzeit erst einmal eines bewirken: die Beschleunigung des Arbeitsplatzabbaus." Das gesamte Maßnahmepaket wurde dort als Maßnahmebündel "zur Verstärkung der Konjunkturkrise" interpretiert. Heiner Flassbeck, ehemals Staatssekretär im Kabinett Schröder und wirtschaftspolitisch im Umfeld von Oskar Lafontaine anzusiedeln, urteilte: "Daß die Binnennachfrage darniederliegt, hat man erkannt, aber welche Schlußfolgerungen sind daraus gezogen worden?... Wenn man die Leistungen für Arbeitslose um drei Milliarden Euro kürzt, sind im gleichen Augenblick drei Milliarden Euro Gewinne der Unternehmen und ein paar tausend Arbeitsplätze verloren. Den Menschen nahe am Existenzminimum bleibt nämlich nichts übrig, als ihren Gürtel noch enger zu schnallen und... auf drei Milliarden Euro Ausgaben insgesamt zu verzichten, die dann den Unternehmen an Nachfrage fehlen."

Auch Herrn Flassbeck muß recht gegeben werden – bei der gegenwärtigen Rezession hat auch die Unterkonsumtionstheorie "die Palme errungen". So wie es im Grunde in jeder Krise beides – überschüssige Kapazitäten und eine zu geringe Nachfrage – gibt. Offensichtlich macht es wenig Sinn, einzelne Erscheinungsformen der Krise als alleinige Krisenursache herauszugreifen. Wir nähern uns einer überzeugenden Antwort auf die Frage nach den letztendlichen Ursachen der kapitalistischen Krise nur dann, wenn wir drei Facetten der kapitalistischen Produktionsweise als eine – in sich widersprüchliche, sich gleichzeitig bedingende – Einheit begreifen:

Erstens fallen die Bedingungen, unter denen im Produktionsprozeß die Beschäftigten Werte und Mehrwert übertragen und schaffen, und die Bedingungen, unter denen diese Werte am Markt realisiert – oder nicht realisiert – werden, auseinander. Produktion und Realisation sind, salopp gesagt, unterschiedliche Baustellen. Die großen Produktionsmittel befinden sich in privaten Eigentum (Eigentum von Unternehmern und Großaktionären); die Produktion selbst zielt jedoch auf die Gesellschaft als Ganzes – auf den Binnenmarkt oder auf Binnenmarkt und Weltmarkt. Daraus resultiert der grundlegende Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung der Resultate des Produktionsprozesses. Dies stellt zugleich ein entscheidendes Krisenmoment dar. Wenn ein Unternehmen im eigenen Betrieb über günstige Verwertungs- und Ausbeutungsbedingungen verfügt, dann ist noch lange nicht sicher, daß die derart erstellten Waren und Dienstleistungen am Ende am Markt auch abgesetzt, die in ihnen steckenden Werte realisiert werden können.

Zweitens werden die strategischen Entscheidungen für den Produktionsprozeß und für die angebotenen Dienstleistungen anarchisch – ohne Plan und von einer großen Zahl unabhängig voneinander operierender Unternehmen – getroffen. Das hat zur Folge, daß sich auf eine Boom-Branche mit hohen Profitmargen zunächst Hunderte Einzelkapitale werfen und dabei in einer ersten Phase Extraprofite in erheblichem Umfang einheimsen. Sie tragen damit in dieser Phase dazu bei, die Mär vom "neuen krisensicheren Kapitalismus" mit dem Mekka "Silicon Valley" und der neuen "Wirtschaftswunder"-Region der "Tigerstaaten" zu fördern. Gleichzeitig mündet dieses Engagement jedoch – aufgrund des logischen Aufbaus von Überkapazitäten – schon bald in einen ruinösen Konkurrenzkampf und in einer massenhafter Vernichtung von Kapital und Arbeitsplätzen. Das war so Ende des 19. Jahrhunderts im Fall der privaten Eisenbahnen, so verhält es sich heute im Fall der IT-Branche und im Fall des Telekommunikationssektors. Dieses zweite Strukturelement kapitalistischer Produktion mündet logisch in periodischen Disproportionalitäten zwischen der Kapitalanlage in einzelnen Branchen und Regionen.

Schließlich ist eine Produktion, die primär auf Profitmaximierung zielt, immer zugleich eine Produktion, die zur schrankenlosen Akkumulation zwingt. Eine solche Produktionsweise orientiert darauf, einen möglichst großen Teil des Wertprodukts nicht zur individuellen Konsumtion, sondern zur Vergrößerung des Kapitals einzusetzen. Gleichzeitig liegt es in der Logik der Profitmaximierung, daß jeder einzelne Kapitalist aus den in seinem Unternehmen beschäftigten Lohnabhängigen soviel Arbeit und Wertprodukt für so wenig Geld wie möglich herausholt. Daher sind die Arbeitsintensivierung (beispielsweise durch die sogenannte Flexibilisierung) und das Lohndumping konstitutive Elemente der aktuellen Phase kapitalistischer Produktion. Dabei mag der einzelne Unternehmer hoffen, daß die Konkurrenz sich anders verhält und den dort Beschäftigten gute Löhne und Gehälter bezahlt, damit die Massenkaufkraft nicht einbrechen möge. Doch es ist gerade das Konkurrenzprinzip, das auch den menschenfreundlichsten Unternehmer dazu zwingt, aus "seinen" Arbeitskräfte bei einem Minimum an Bezahlung ein Maximum an Wert herauszuholen. Das wurde in der Weltwirtschaftskrise beispielhaft von Henry Ford zum Ausdruck gebracht, als er zunächst ankündigte, die Löhne seiner Beschäftigten erhöhen zu wollen und dann zu Massenentlassungen und flächendeckendem Lohndumping schritt. Der Widerspruch zwischen dem unbegrenzten Trieb der Konzernlenker zur Ausdehnung der Produktion und der beschränkten Konsumtionskraft der kapitalistischen Gesellschaft ist somit ein dritter Faktor, der zu periodischen Krisen beitragen muß.

Karl Marx hat diese umfassende – dialektische – Sicht der Aspekte einer Krisentheorie wie folgt zusammengefaßt: "Die Bedingungen der unmittelbaren Exploitation (Ausbeutung) und die ihrer Realisation sind nicht identisch. Sie fallen nicht nur nach Zeit und Ort, sondern auch begrifflich auseinander. Die einen sind nur beschränkt durch die Produktivkraft der Gesellschaft, die anderen durch die Proportionalität der verschiedenen Produktionszweige und durch die Konsumtionskraft der Gesellschaft. Diese letztere ist aber bestimmt weder durch die absolute Produktionskraft noch durch die absolute Konsumtionskraft, sondern durch die Konsumtionskraft auf Basis antagonistischer Distributionsverhältnisse, welche die Konsumtionskraft der Masse der Gesellschaft auf ein nur innerhalb mehr oder minder enger Grenzen verändertes Minimum reduziert. Sie ist ferner beschränkt durch den Akkumulationstrieb, den Trieb nach Vergrößerung des Kapitals und nach Produktion von Mehrwert auf erweiterter Stufenleiter. Dies ist Gesetz für die kapitalistische Produktionsmethoden selbst, die damit beständig verknüpfte Entwertung von vorhandenem Kapital, den allgemeinen Konkurrenzkampf und die Notwendigkeit, die Produktion zu verbessern und ihre Stufenleiter zu erweitern, bloß als Erhaltungsmittel und bei Strafe des Untergangs."

 

Krise des Profits

Letzten Endes gibt es tatsächlich eine entscheidende Ursache für die Bewegungsform kapitalistischer Produktion. Dies ist die Profitrate – die auf das gesamte angelegte Kapital bezogene Profitmasse eines Unternehmens – und die Bewegung dieser Profitrate. Da die kapitalistische Produktionsweise allein den Maßstab der Profitorientierung kennt, reagiert diese Wirtschaftsordnung auch hochsensibel auf die Bewegung der Profite und insbesondere auf den Profit, der auf eine Einheit Kapital, das für Löhne, Rohstoffe und Kapitalanlagen eingesetzt wird, bezogen wird. Diese Bewegung der Profitrate überlagert die aufgeführten drei grundlegenden Strukturelemente einer kapitalistischer Krisentheorie – das Auseinanderfallen von Produktion und Realisation, den anarchischen Prozeß der Konkurrenz mit dem Entstehen von Disproportionalitäten und den Widerspruch zwischen unbegrenzter Entwicklung der Produktion und begrenzter gesellschaftlicher Konsumtionsfähigkeit. Die Profitrate ist, wie dies Elmar Altvater bezeichnete, die entscheidende Führungsgröße der kapitalistischen Produktion; sie bildet die letztendliche Ursache für den zyklischen Verlauf derselben und für die langen Wellen der Entwicklung einschließlich schwerer Erschütterungen der Weltwirtschaft. Dies läßt sich am Beispiel der in dem Krisenbogen analysierten Konjunkturverläufe im Zeitraum 1929 bis 2001/2003 belegen.

In der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 brachen die Profite im führenden kapitalistischen Land, in den USA, ab dem Jahr 1930 massiv ein (um rund 40 Prozent gegenüber 1929). Dies setzte sich in ähnlicher Größenordnung 1931 und 1932 fort. Danach erholten sich die Profite, was zu einer langsamen, in Kapitel 1 beschriebenen, Konjunkturerholung führte. Ähnliche Zahlen liegen im Fall der Entwicklung der Profite in der britischen Industrie vor. In Deutschland lag 1929 die ausgewiesene Gewinnsumme in der Industrie bei 315 Millionen Reichsmark, 1930 waren es noch 207 Millionen, 1931 nur noch 116 Millionen Reichsmark. 1932 gab es dann einen addierten Verlust von 73 Millionen Reichsmark.

In der ersten großen internationalen Krise nach dem Zweiten Weltkrieg, der Weltwirtschafskrise 1974/75, brachen die Bruttoerträge der deutschen Aktiengesellschaften erstmals in der Nachkriegszeit auf breiter Front und über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg ein – 1974 um 11,6 Prozent und 1975 um weitere 3,2 Prozent. 1976 schnellten die Gewinne erneut nach oben – um 64 Prozent, was die Basis für den neuerlichen Aufschwung abgab. In seinen bemerkenswert nüchtern-akkuraten Analysen schrieb damals Max Kruk im Rahmen der "FAZ-Gewinnstatistik": "Die große Talfahrt der Gewinne hat (1975) angehalten. Sie hatte 1974 im Zeichen der Erdölkrise, Rohstoffhausse und Lohnexplosion mit bisher nie gekannter Vehemenz eingesetzt. Das Jahr 1975 brachte einen tiefen konjunkturellen Einbruch... Am Ende des Rezessionsjahrs waren mehr als eine Million Menschen arbeitslos... Der Schrumpfungsprozeß der Gewinne hat 1975... zwar nicht mehr die Rasanz des Jahres 1974 erreicht. Die Talfahrt ist langsamer geworden. Aber sie hat zu einem Tiefststand ohnegleichen geführt. Rückblickend will das Jahr 1969... wie eine Erinnerung an gute, alte Zeiten erscheinen. Welchen Maßstab man immer anlegt: Die Gewinnmargen haben sich in diesen sechs Jahren halbiert."

Die Wende, die es am Ende des jüngsten Konjunkturzyklus bei den Profiten und in der neuen weltweiten Rezession gab, wird anschaulich mit den ersten Sätze wiedergeben, mit denen das US-Wirtschaftsblatt Fortune seine jährliche Statistik "The World´s Largest 500 Corporations" 2000 und 2002 einleitete. Die 2000er Bilanz wurde wie folgt eröffnet: "Stellen Sie sich die Hitliste von Fortune´s Global 500 als ein Familienphoto, als eine Art Statistik-Schnappschuß vor, bei dem die Zeit eingefroren wird. Dann ergibt sich, daß in diesem Jahr unser Klassentreffen-Photo in einem schwindenden Licht des ausgehenden 20. Jahrhunderts eine optimistische Szene festhält: eine rosafarbene Geschäftswelt-Landschaft, bevölkert von lebenslustigen Unternehmens-Giganten – gesund, glücklich und fett. Nachdem sie in den ökonomischen Turbulenzen des Jahres 1998 ins Torkeln geraten waren, erlebten die Konzerne der Global 500 im Jahr 1999 eine umfassende Erholung. Ihre Umsätze stiegen um 10,6 Prozent; ihre Profite wuchsen gar um 26 Prozent."

Zwei Jahre später lesen sich die einleitenden Sätze der 2002er Analyse wie ein Kontrastprogramm: "Das Jahr 2001 war ein Rekordjahr – für Verluste. Unter den 500 größten Konzernen der Welt befanden sich 297 mit fallenden Profiten. Die gesamten ausgewiesenen Profite lagen im Jahr 2001 bei weniger als der Hälfte des vergangenen Jahres. Dies war bei weitem der größte Einbruch bei den Profiten seit Fortune erstmals die Statistik Global 500 veröffentlichte."

Der Bericht belegt im folgenden, daß die Profiteinbrüche dort am massivsten waren, wo es die größten – oben wiedergegebenen – Überkapzitäten gab: "Schlicht und ergreifend alles, was in irgendeiner Weise mit Telefonen zu tun hat, wurde besonders getroffen: Nortel Networks, die kanadische Telefonausrüstungsgesellschaft, erlebte den tiefsten Gewinneinbruch... Die britische Gesellschaft Vodafone erlebte einen Anstieg der Verluste von 14,4 Milliarden US-Dollar (2000) auf 23 Milliarden US-Dollar. Bei Japans Telefongiganten Nippon Telegraph & Telephone (NTT) verwandelte sich ein pechschwarz notierter 4,2 Milliarden US-Dollar-Gewinn des Jahres 2000 in einen tiefroten 2001er Verlust von 6,5 Milliarden US-Dollar. Alle zusammengenommen realisierten die 24 Telefongesellschaften, die sich in der Gruppe der 500 größten Unternehmen der Welt befinden, einen addierten Verlust von 31 Milliarden US-Dollar und damit ein um 78 Milliarden US-Dollar schlechteres Gewinn-Ergebnis als im Vorjahr."

Die jähe Wende an der Profitfront, die in diesen Bilanzierungen der "Performance" der 500 größten Konzerne im Zeitraum 1999 bis 2001 zum Ausdruck gebracht wird, wiederholt sich in allen großen kapitalistischen Industriestaaten. So brachen die ausgewiesenen Gewinne der 100 größten bundesdeutschen Unternehmen 2001 in vergleichbarer Größenordnung, um 60 Prozent, ein.

Die Bewegung der Profite und der Profitrate erwies sich ebenso als Triebkraft für Aufschwung und gute Konjunktur wie für den Niedergang der Konjunktur und für Wirtschaftskrisen. Dabei existiert die Tendenz einer langfristig sinkenden Profitrate: Mehrwert und Profit sind letzten Endes allein das Ergebnis menschlicher Arbeit, der Differenz zwischen demjenigen Wert, der den Beschäftigten in Form von Löhnen und Gehältern als Gegenleistung für die Verausgabung von Arbeitskraft bezahlt wird, und dem darüber hinausgehenden Wert, dem Mehrwert, den der Einsatz dieser Arbeit schafft. Für Unternehmen ist dabei die absolute Höhe des Mehrwerts und Profits nicht die entscheidende Größe. Wichtig sind vielmehr die unterschiedlich berechneten "Gewinnmargen". Diese werden im bürgerlichen Geschäftsleben auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht – beispielsweise als Umsatzrendite (bei der die Gewinne in Prozent des Umsatzes ausgewiesen werden) oder als Ertrag in Prozent der Bilanzsumme. Am klarsten wird dieses Verhältnis mit der Profitrate (p´) zum Ausdruck gebracht. In dieser wird der Profit (p) bezogen auf das gesamte eingesetzte Kapital, auf die Summe des für Löhne und Gehälter eingesetzten "variablen Kapitals" (v) und des für Rohstoffe und die Abnutzung eingesetzter Maschinen, Computer und Gebäuden vorgeschossene konstante Kapital.

Die Konkurrenz und die bestimmende "Ökonomie der Zeit" zwingen die Unternehmen dazu, die Menge an bezahlter Arbeitszeit einzusparen und zugleich die Höhe der Löhne und Gehälter zu senken. Gleichzeitig findet auf der technischen Ebene eine Produktivkraftentwicklung statt, bei der für die Herstellung ein- und desselben Produkts immer weniger menschliche Arbeit verausgabt und dasselbe unter Einsatz eines ständig größeren Anteils konstanten Kapitals produziert wird. Damit besteht ein relativ immer größerer Bestandteil des Gesamtkapitals aus konstantem Kapital (Gebäude, Maschinen, Computer, Rohstoffe), ein immer kleinerer Teil aus variablem Kapital (Löhne und Gehälter). Das Verhältnis von konstantem zu variablem Kapital wird in der Marx´schen Analyse als organische Zusammensetzung des Kapitals (q) bezeichnet. Einen Indikator dafür bildet in der bürgerlichen Begrifflichkeit die "Kapitalintensität". Der kapitalistische Produktionsprozeß ist von einer seit mehr als 200 Jahren währenden wachsenden organischen Zusammensetzung des Kapitals gekennzeichnet. Letzten Endes besteht die Möglichkeit, daß Produkte ohne Verausgabung menschlicher Arbeitszeit – in "menschenleeren Fabriken" – hergestellt werden. Diese potentielle Entwicklung wurde in den vergangenen Jahren im internationalen Fahrzeugbau und in der Chipherstellung verdeutlicht. Da jedoch nur die menschliche Arbeit Werte und Mehrwert schafft, gibt es den Prozeß einer tendenziell fallenden Profitrate, bezieht sich die Profitmasse auf ein relativ immer größeres vorgeschossenes Kapital, insbesondere auf ein immer größeres eingesetztes konstantes Kapital, angelegt in eingesetzter Maschinerie.

Damit sind Krisen im kapitalistischen Produktionsprozeß keine Unfälle oder Ausnahmen; sie sind integrativer und logischer Bestandteil des kapitalistischen Verwertungsprozesses und insbesondere ein Mittel, dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenzuwirken. In diesem Sinne sah Karl Marx "in den Krisen ... momentane, gewaltsame Lösungen der vorhandenen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für einen Augenblick wiederherstellen."

Dabei erfolgt in Krisen die Einflußnahme auf die Profitrate und der Versuch, sie erneut anzuheben, auf verschiedenen Ebenen. Es gibt den beschriebenen Prozeß der großangelegten Kapitalvernichtung – durch massenhafte Pleiten und flächendeckende Vernichtung vorhandener Kapazitäten. Damit bezieht sich die Profitmasse auf ein geringeres eingesetztes Kapital. Da mit dieser Kapitalvernichtung auch der Wert des eingesetzten Kapitals sinkt – Ende 2002 lag beispielsweise der Börsenwert von American Airline, der größten Airline der Welt, bei nur einer Milliarde US-Dollar, dem Bruchteil dessen, was noch vor fünf Jahren für die Gesellschaft zu bezahlen gewesen wäre – reduziert sich nicht nur das gesamte eingesetzte Kapital hinsichtlich seines technischen Umfang (seines Gebrauchswerts), sondern auch der (letzten Endes entscheidende) Wert des Kapitals und der Marktpreis einer jeweiligen eingesetzten Kapitaleinheit. Eine weitere Funktion der Krise zur neuerlichen Anhebung der Profitrate besteht im allgemeinen Preisverfall; bei vielen Produkten werden die Preise noch unter die Gestehungskosten gesenkt. Wir haben dies am Beispiel der Preiskriege im IT-Sektor illustriert. In der Wirkung wird hierdurch erneut das vorgeschossene Kapital, auf das sich die Profite beziehen, reduziert, indem sich zum Beispiel Fertigwaren (Computer und Chips) und Dienstleistungen (Software), die für den Produktionsprozeß erforderlich sind, verbilligen. Des weiteren werden in Krisenzeiten die Rohstoffpreise gesenkt, womit sich erneut das eingesetzte konstante Kapital reduziert. Die Entwicklung des Rohölpreises spielte nach den internationalen Krise 1980 bis 1982 und 1991/92 eine entscheidende Rolle zur neuerlichen Anhebung der Profitrate. Die zukünftige Bewegung des Ölpreises nach dem Irak-Krieg wird in der aktuellen Entwicklung der Profitrate ebenfalls eine erhebliche Rolle spielen.

Schließlich sind Krisen der Zeitpunkt, an dem die Unternehmer – und unter ihrem Einfluß die bürgerlichen Regierungen – daran gehen, die Umverteilung von unten nach oben zu beschleunigen, den Angriff auf die Einkommen der Beschäftigten zu verschärfen und die Arbeitsintensität zu erhöhen. Die steigende Ausbeutung der Arbeitskraft, der ständig ansteigende Teil von Arbeitszeit, die Mehrwert schafft, den sich die Unternehmen aneignen, verglichen mit demjenigen Teil der Arbeit, die in Form von Arbeitslohn entgolten wird, ist die entscheidende Gegentendenz gegen die fallende Profitrate. Karl Marx betonte gerade diesen inneren Zusammenhang, wenn er formulierte: "Das tendenzielle Sinken der Profitrate ist verbunden mit einem tendenziellen Ansteigen der Rate des Mehrwerts, also im Exploitationsgrad der Arbeit... die Profitrate fällt nicht, weil die Arbeit unproduktiver wird, sondern weil sie produktiver wird. Beides, Steigen der Rate des Mehrwerts und Fallen der Rate des Profits, sind nur besondere Formen, worin sich die wachsende Produktivität der Arbeit kapitalistisch ausdrückt." Die Profitrate sinkt dabei deshalb trotz weiter steigender Ausbeutungsrate, weil mit diesem Prozeß die organische Zusammensetzung des Kapitals – die Kapitalintensität – schneller wächst, als die Mehrwertrate steigt.

Der Angriff der Herren Rogowski und Hundt – orchestriert von Bundeskanzler Schröder mit seiner "Agenda 2010" – ist demnach nicht der notorischen Arbeitnehmerfeindlichkeit der Arbeitgeber-Vertreter oder dem Verrat der Sozialdemokraten geschuldet – es handelt sich schlicht um den Versuch, über entsprechend niedrigere "Belastungen" der Unternehmen (Steuersenkungen; Reduktion der Arbeitgeberanteile bei den Sozialversicherungs-Systemen) deren Profite direkt zu erhöhen beziehungsweise über niedrigere Löhne, längere Arbeitszeiten, mehr Auspressung von Arbeit aus den einzelnen Beschäftigten das eingesetzte variable Kapital, auf das diese Profite bezogen werden, zu senken und die Mehrwertrate zu erhöhen. In der Gesamttendenz wird auf diese Weise die Profitrate kurzfristig wieder angehoben und der Tendenz ihres langfristigen Sinkens entgegengewirkt.

Inwieweit es allerdings gelingt, die Produkte, die nunmehr unter günstigeren Verwertungsbedingungen erstellt werden oder erstellt werden könnten, auch abzusetzen und den in ihnen steckenden Wert und Mehrwert zu realisieren, steht auf einem anderen Blatt. Produktion und Realisation fallen bekanntlich auseinander. Der beschriebene Prozeß zur Steigerung der Profitrate ist zugleich ein Element zur weiteren Senkung der Massennachfrage. Die Weltwirtschaftskrise 1929-32 und das Beispiel der 12-jährigen Krise in Japan 1992-2003 lehren, daß tiefe kapitalistische Krisen lange währen können und dass die "reinigenden Kräfte" in denselben, also die Zerstörung von Kapital und die Vernichtung von Arbeitsplätzen, oft lange Zeit zu wirken haben, bis sie in einer neuerlichen Konjunkturbelebung münden.

 

Quellen Kapitel 11:

Keynes nach: J.M.- Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Berlin 1955, S. 184.

Wagemann nach: Ernst Wagemann, Struktur und Rhythmus der Weltwirtschaft, Berlin 1931, S.333ff; hier wiedergegeben in: Einleitung von Elmar Altvater in Eugen Varga, Die Krise des Kapitalismus und ihre politischen Folgen, Frankfurt/M. 1969 (EVA), S.XXVIII.

Kapazitätsauslastung nach: Wirtschaftswoche vom 13.3.2003 und vom 17.4.2003 (USA); HWWA-Analyse, a.a.O., S.40; Frederic Clairmont, "Überschuldetes Imperium", in: Le Monde Diplomatique, deutsche Ausgabe, April 2003.

Autoabsatz in den USA und in Westeuropa nach: International Herald Tribune vom 3.4.2003; Financial Times Deutschland vom 9.12.2002 (u.a. Preisnachlässe).

Zum Autoabsatz auf Raten 1929 nach: E. Varga, a.a.O., S.99.

Weltweite Kapazitäten und Kapazitätsabbau in 2001/2002 nach: Financial Times (London) vom 28.2.2001, Financial Times Deutschland vom 4.1.2002 und 18.11.2002. Bei den Übernahmen müßte noch die zeitweilige Übernahme von Rover durch BMW angeführt werden. Rover ist zwar inzwischen wieder selbständig, hat aber nach dem BMW-Intermezzo als eigenständiger Autohersteller keine Überlebenschance.

Neues BMW-Werk in Leipzig nach: Frankfurter Rundschau vom 12.12.2002. Die meisten neuen Autowerke entstanden in den letzten 15 Jahren auf Basis massiver staatlicher Subventionierung – so Neuanlagen von VW-Skoda in der Tschechischen Republik, neue Werke von Mercedes oder BMW in den USA, ein großes Joint-Venture von Ford und VW in Portugal für Großraumlimousinen.

Weitere Angaben zum Fahrzeugbau: Handelsblatt vom 24.4.2003 (Saab/Subara und GM); Standard (Wien) vom 21.4.2003 und Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.3.2003 (Fiat; Arbeitsplätze weltweit).

Angaben zur IT-Branche: Financial Times vom 18.11.2002 (Comdex-Messe Las Vegas); Financial Times Deutschland vom 5.11.2002 (Gartner-Analyse zur IT-Branche); Angaben zu den einzelnen Konzernen entsprechend der Tagespresse bis März 2003.

Angaben zu Hynix nach: Handelsblatt vom 24.4.2003. Das US-Handelsministerium beschloß Strafzölle in Höhe von 57,3% auf Hynik-Importe; die EU-Kommissison solche in Höhe von 33 Prozent. Allerdings kann Hynix den US-Bedarf über Werke in den USA befriedigen, die von den protektionistischen Maßnahmen nicht betroffen sind, so daß vor allem die EU-Strafzölle von Relevanz sind. Hynix realisierte 2002 in der EU einen Umsatz von 2 Milliarden US-Dollar.

Intel/AMD nach: Financial Times Deutschland vom 23.4.2003.

Angaben zur Deutschen Telekom nach: Süddeutsche Zeitung vom 11.7.2002 (Geschichte der Privatisierung); Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.5.2002 (Vorstandsgehälter); Financial Times Deutschland vom 20.6.2002 (zu den falsch bilanzierten Telekom-Immobilien); Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 17.11.2002 (aktuelle Schulden); International Herald Tribune vom 12.7.2002 (zu den Börsenwert-Verlusten von Telekom). Insgesamt wurde nach der letztgenannten Analyse in Europa seit Platzen der Börsenblase allein im europäischen Telekommunikationssektor ein Börsenwert von 500 Milliarden US-Dollar vernichtet. Die Börsenkapitalisierungs-Verluste von France Telecom werden mit 150 Milliarden US-Dollar, diejenigen der deutschen Telekom mit 260 Milliarden US-Dollar, angegeben.

Angaben zur France Telecom nach: Financial Times Deutschland vom 25.6.2002; International Herald Tribune vom 12.7.2002; Financial Times Deutschland vom 6.3.2003.

WorldCom nach: Financial Times Deutschland vom 23.7.2002. Quam nach: Financial Tims vom 26.7.2002.

Schätzung der gesamten Telekommunikations-Kredite im weltweiten Telekom-Sektor nach: Financial Times Deutschland vom 23.7.2002.

UMTS nach: Financial Times Deutschland vom 19.6.2002 (zu Japan); Die Wirtschaftswoche vom 6.3.2003 (zur neuen Technik der "WiFi-Hotspots" als Alternativstruktur zu UMTS).

Angaben zum Flugverkehr wie folgt: Berliner Tagesspiegel vom 9.4.2003 (zu Lufthansa); Financial Times Deutschland vom 7.2.2003 (zu Varig und TAM); Handelsblatt vom 12.12.2002 (zu Olympic Airways; Financial Times Deutschland vom 1.4.2003 (zu Alitalia); Financial Times Deutschland vom 2.4.2003 (zu Air Canada); Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.3.2003, Süddeutsche Zeitung vom 14.3.2003 und vom 23.12.2002 (allgemein zu den US-Airlines); Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.12.2002 und Standard (Wien) vom 19.11.2002 (zu United Airlines und zum Insolvenzverfahren in den USA); Financial Times Deutschland vom 3.4.2003 und vom 24.3.2003 (zu den Folgen des Irak-Kriegs und SARS für die Airlines); Financial Times Deutschland vom 25.4.2003 (zu den asiatischen Airlines und den Billigfluglinien). Zur drohenden Überproduktion der Billigflieger: Allein den ersten vier Monaten von 2003 bestellten der irische Billigflieger Ryanair 100 neue Boeing 737, die britische Billigfluglinie Easyjet 120 neue Airbus-Flugzeuge vom Typ A319 und die US-Billigfluglinie Jet Blue 65 Airbus A320.

Luftverkehr: Im Zeitraum 1990 bis 2002 wuchs in der BRD der Binnenflugverkehr um mehr als 50 Prozent; die durchschnittliche Entfernung je Inlandsflug liegt dabei unter 500 km. Im Berliner Flugverkehr (der drei Airports Tempelhof, Tegel und Schönefeld) liegt die durchschnittliche Reiseweite je Flug unter 500 km. Bis zu 500 km Reiseweite handelt es sich um ideale Entfernungen für eine Verlagerung auf die Schiene. Dennoch bricht gerade der Fernverkehr auf Schienen ein und boomt ausgerechnet der Flugverkehr über diese kürzeren Distanzen. Die Berliner SPD-PDS-Regierung plant den Bau eines Großflughafens, der jedoch nur Sinn macht, wenn die Zahl der Fluggäste nochmals verdoppelt und der Schienenfernverkehr nach und von Berlin weiter massiv reduziert wird. Dazu und zur Zusammenarbeit zwischen Luftfahrtbranche, Flugzeugindustrie und Topmanagement der DB AG vgl. Winfried Wolf, Die sieben Todsünden des Herrn M. – Eine Bilanz der Verkehrs- und Bahnpolitik, Berlin 2002. Der vorausgegangene Aufsichtsratsvorsitzende der DB AG, Vogel, kam von dem Transrapid-Hersteller Thyssen – kurz darauf gab die DB AG ihre kritische Haltung gegenüber der Magnetschwebebahntechnik auf. Der seit 2002 amtierende Aufsichtsratsvorsitzende der DB AG, Frenzel, ist in seinem Hauptberuf Chef von TUI (zuvor Preussag), dem größten Touristikkonzern in Europa und dem Betreibers einer Billigfluglinie. Das neue Preissystem der DB AG, das im Dezember 2002 eingeführt wurde, und das bereits im ersten Vierteljahr 2003 Verluste im Personenfernverkehr von mehr als 15 Prozent einfuhr, wurde maßgeblich von Managern entwickelt, die zuvor zum Management der Lufthansa gehörten.

Angaben zur konjunkturellen Entwicklung und zu den realen Einkommen nach: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, März 2003, S.66 und Seite 60 (jeweils Anhang).

Politik von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und Schröder-Rede vom März 2003 nach: Financial Times Deutschland vom 16.3.2003; Der Spiegel 12/2003.

Flassbeck nach: Frankfurter Rundschau vom 15.3.2003.

Marx-Zitat nach: Karl Marx, Das Kapital, Band III, MEW Band 25, S.254.

E. Altvater nach: Einleitung zu E. Varga, Die Krise..., a.a.O., S.XXIV.

Profitentwicklung 1929-1932 nach: Eugen Varga, a.a.O., S.248.

Gewinne 1974-76 nach: Max Kruk, jährliche FAZ-Gewinnstatistik, veröffentlicht in der Tageszeitung Blick durch die Wirtschaft (herausgegeben von der FAZ), hier nach den Ausgaben vom 3.3.1977 und vom 30.3.1978.

Fortune-Zitate nach: Fortune vom 24.7.2000 und vom 22.7.2002 (die Zahlen beziehen sich im ersten Fall auf 1999 und im zweiten Fall auf 2001).

BRD-Profite 2001 nach: "Deutschlands Top 100", in: Handelsblatt vom 16.7.2002.

Profitratenformel und ihre Bewegung: Die Profitraten-Formel von Karl Marx lautet p´(Profitrate) = m : (c + v), wobei m für den Mehrwert, c für das gesamte eingesetzte ("konstante") Kapital und v für die gesamte eingesetzte bezahlte lebendige Arbeit (Löhne und Gehälter) stehen. Die organische Zusammensetzung des Kapitals (q) wird berechnet als q = c : v. Die Ausbeutungsrate oder Mehrwertrate m´= m : v gibt den direkten Grad der Ausbeutung wieder, indem er denjenigen neu geschaffenen Wertteil, der das variable Kapital (den Arbeitslohn) überschreitet – den Mehrwert - in ein Verhältnis setzt zum variablen Kapital bzw. zum Arbeitslohn.

Wenn bei der Profitratenformel der Zähler und Nenner des Bruchs mit 1 : v multipliziert wird – was rechnerisch die Formel nicht verändert – dann ergibt sich: p´= (m:v) : (c : v) + 1 oder p´= m´ : q + 1. Damit wird deutlich, dass die zwei wesentlichen Faktoren, welche die Profitrate bestimmen, die Mehrwertrate oder Ausbeutungsrate im Zähler des Bruchs und die organische Zusammensetzung des Kapitals im Nenner des Bruchs sind. Die Debatte zur tendenziell sinkenden Profitrate und den ihr entgegenwirkenden Tendenzen wird überzeugend referiert bei Roman Rosdolsky, die Entstehungsgeschichte des Marxschen Kapital – Der Rohentwurf des Kapital 1857-1858, Frankfurt/M. 1968, (Europäische Verlagsanstalt) Band II, S. 467ff.

Wert American Airline nach: Süddeutsche Zeitung vom 23.12.2002. Zur gleichen Zeit lag der Wert der US-Billigfluglinie Southwest bei 11,5 Milliarden US-Dollar und übertraf damit den Wert aller übrigen US-Fluglinien zusammengenommen.

Marx-Zitat zur Funktion der Krise nach: Karl Marx, Kapital Band III, MEW Band 25, S. 259.

Mehrwertrate steigt bei sinkender Profirate: Karl Marx, Das Kapital Band III, a.a.O., S.250.

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