letzte Änderung am 4. Sept 2003

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Karlrobert Kreiten

Biographie von Antifa Bonn/Rhein-Sieg

Karlrobert Kreiten, wurde am 26. Juni 1916 in Bonn in eine sehr musikalische Familie geboren. Seine Mutter war Konzertsängerin, sein Vater Konzertpianist. 1917 siedelte die Familie von Bonn nach Düsseldorf, weil sein Vater am dortigen Konservatorium eine Stelle angenommen hatte, um Klavier und Komposition zu lehren. Karlrobert Kreiten experimentierte schon sehr früh auf dem Klavier und auf der Geige. Mit 7 Jahren bekam er seinen ersten Klavierunterricht. Sehr bald erwies sich sein Talent als außergewöhnlich. Mit 10 Jahren gab er erste öffentliche Konzerte auf dem Klavier und mit zwölf bestand er mit Glanz seine Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Köln. Ebenfalls mit zwölf gewann er seinen ersten wichtigen internationalen Musikpreis.

Nach dem Machtantritt der Nazis 1933 widersetzte er sich einer Eingliederung in eine studentische Organisation. Er widmete sich immer vollständig der Kunst, galt als eher unpolitisch, verweigerte sich aber dem Gedankengut des Nationalsozialismus. Nach seiner ersten Studienzeit in Köln ging Kreiten für zwei Jahre zum Studium nach Wien – hier war das künstlerische Leben wesentlich freizügiger und noch nicht unter den Einfluss des NS-Faschismus geraten.

Trotz seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus emigrierte Kreiten nicht und folgte auch nicht der Einladung seiner ehemaligen, emigrierten Wiener Klavierlehrerin, in die USA zu kommen. Er wollte zunächst zu Hause bekannter werden, um damit ein Fundament für eine internationale Karriere zu legen. 1937 siedelte Kreiten dann nach Berlin über und wurde Schüler bei Claudio Arrau. In Berlin wuchs Kreitens Bekanntheitsgrad als Pianist stetig, und er hatte viele Erfolge.

Am 23. März 1943 sollte Karlrobert Kreiten sein letztes öffentliches Konzert geben. Denn eine ehemalige Kommilitonin seiner Mutter, die ihm für einige Zeit ihren Musikraum zur Verfügung stellte, hatte ihn bei ihrer Nachbarin Windmöller, ihres Zeichens Funktionärin bei der NS-Frauenschaft, denunziert. Die wiederum besprach sich mit einer Frau von Passavent, die die Familie Kreiten aus früheren Düsseldorfer Tagen kannte. Diese beiden Frauen reichten eine Anzeige bei der Reichsmusikkammer ein. Kreiten hatte seine Gastgeberin über das Wesen des Nationalsozialismus aufklären wollen und hatte in diesem Zusammenhang unter anderem geäußert, dass der Krieg praktisch verloren sei und zum Untergang Deutschlands und seiner Kultur führen werde.

Bei der Reichsmusikkammer unternahm man zunächst nichts. Als dann Ende April eine Pressemitteilung darüber auftauchte, dass Kreiten Anfang Mai ein Konzert in Florenz geben solle, gerieten die Frauen Windmöller und von Passavent erneut in Aufregung und sorgten dafür, dass ihre Anzeige zur Gestapo gelangte, die wiederum dafür sorgte, dass Kreiten sein Visum für Italien nicht bekam.

Bis zu seiner Verhaftung am 3. Mai 1943 in Heidelberg, wo er abends ein Konzert geben sollte, ahnte Kreiten nichts. In Heidelberg war er zunächst bei der Gestapo inhaftiert, die ihn ihren üblichen Verhörmethoden unterzog; zwei Wochen später wurde er nach Berlin überstellt, wo die Sache vor Gericht ging. Am 3. September wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Kreitens Familie erfuhr durch einen anonymen Anruf davon. Diverse Gnadengesuche durch Verwandte, Freunde und Bekannte nützten nichts. Karlrobert Kreiten wurde in der Nacht vom 7. auf den 8. September des gleichen Jahres in Berlin-Plötzensee erhängt. Kreitens Familie hatte noch am Morgen des 8. September große Hoffnung geschöpft, als ihr in der Reichskanzlei versichert wurde, dass das dortige Eintreffen eines Gnadengesuches die Urteilsvollstreckung bis zur Entscheidung über das Gesuch aussetze. Das jedoch war von behördlicher Seite aus verhindert worden. Erst im Justizministerium erfuhren Kreitens Mutter und Schwester dann, dass ihr Sohn und Bruder bereits am Abend zuvor hingerichtet worden war.

Den Nazis war es im Fall Kreiten darum gegangen, anhand eines bekannten Künstlers ein Exempel zu statuieren. Dies zeigt ein Artikel vom 20.9.1943 im "12-Uhr-Blatt" von Werner Höfer, in dem Karlrobert Kreiten zwar nicht namentlich erwähnt aber eindeutig gemeint ist. In dem Artikel "Künstler – Beispiel und Vorbild" (übrigens einen Tag nach der Berichterstattung über Goebbels' Rede im Sportpalast zum "totalen Krieg") geht es darum, dass die Aufgabe von Künstlern sei, bei anderen "einen Zuwachs an aufrechter Gesinnung [zu] bewirken" und "einen Gewinn an unverdrossener Haltung [zu] wecken". In Bezug auf Kreiten heißt es in dem Artikel:

Kürzlich ist einem Kreis Berliner Künstler in kameradschaftlichem Tone ins Gewissen geredet worden, sich durch einwandfreie Haltung und vorbildliche Handlungen der Förderung würdig zu erweisen, die das neue Deutschland – auch in den Stunden seiner härtesten Prüfung – den künstlerisch Schaffenden hat angedeihen lassen. Wie unnachsichtig jedoch mit einem Künstler verfahren wird, der statt Glauben Zweifel, statt Zuversicht Verleumdung und statt Haltung Verzweiflung stiftet, ging aus einer Meldung der letzten Tage hervor, die von der strengen Bestrafung eines ehrvergessenen Künstlers berichtete. Es dürfte heute niemand Verständnis dafür haben, wenn einem Künstler, der fehlte, eher verziehen würde als dem letzten gestrauchelten Volksgenossen. Das Volk fordert vielmehr, dass gerade der Künstler mit seiner verfeinerten Sensibilität und seiner weithin wirkenden Autorität so ehrlich und tapfer seine Pflicht tut, wie jeder seiner unbekannten Kameraden aus anderen Gebieten der Arbeit. Denn gerade Prominenz verpflichtet. [...].[1]

Der spätere Moderator des "Internationalen Frühschoppens" des WDR-Fernsehens Werner Höfer, der von sich behauptete, kein Nazi sondern unpolitisch gewesen zu sein, schrieb während der Zeit des NS-Faschismus, durchaus auch an prominenter Stelle, in Nazi-Zeitungen Durchhalte- und Propaganda-Artikel. Ein Schreibtischtäter. Lange Zeit wurde in der Bundesrepublik davon keine Notiz genommen, bis Professor Albert Norden aus der DDR 1962 auf Höfers Autorschaft des Kreiten-"Nachrufs" in jenem "12-Uhr-Blatt" vom 20.9.1943 hinwies. Erst ab 1983/84 geriet Höfers journalistische Nazi-Vergangenheit wirklich in die öffentliche Diskussion bis er letztendlich seinen Hut nehmen musste und der "Internationale Frühschoppen" im Dezember 1987 abgesetzt wurde.

Antifa Bonn/Rhein-Sieg
Bonn, August 2003

Literaturhinweise zu Karlrobert Kreiten:
Anmerkung:

Friedrich Lambart (Hg.): Tod eines Pianisten. Karlrobert Kreiten und der Fall Werner Höfer, Berlin 1988, S. 142.

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