Die ÖTV kämpft in der Tarifrunde 2000 für:
Um diese Ziele durchsetzen zu können ist es notwendig, dass die ÖTV allen Plänen der öffentlichen Arbeitgeber zu Kürzungen, Verschlechterung der Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen, Tarifflucht, Flexibilisierung, Lohnleitlinien, Arbeitsplatzabbau, Privatisierungen maximalen Widerstand entgegensetzt und sich nicht wie im "Bündnis für Arbeit" auch noch dafür hergibt, sich in die Arbeitgeberziele mit einbinden zu lassen. Nur durch den Einsatz der gesamten gewerkschaftlichen Kampfkraft einschließlich des Mittels des Streiks wird es gelingen, die Interessen der Beschäftigten konsequent zu vertreten und zu verteidigen:
"Arbeitgeber fordern Nullrunde, DIHT-Präsident Stihl: Löhne nur um Inflationsrate anheben" ("Stuttgarter Zeitung", 29.10.99). Passend zu dieser Arbeitgeberforderung für die Tarifrunde 2000 will die rot-grüne Bundesregierung die Beamtenbesoldung in den nächsten zwei Jahren nur in Höhe der von ihr geschätzten Inflationsrate für 2000 um 0,7 und für 2001 um 1,6 Prozent anheben. Diese Festlegung soll bereits vor der Tarifrunde per Gesetz festgeschrieben werden. Das ist nichts anderes als das Diktat einer Lohnleitlinie für die Tarifrunden 2000 und 2001.
Auch wenn Herbert Mai vor der Großen Tarifkommission am 1. Oktober 1999 versicherte, dass die ÖTV dies durchbrechen werde, kann dies nicht darüber hinweg täuschen, dass erst die Beteiligung der Gewerkschaftsführungen am "Bündnis für Arbeit" die Bundesregierung geradezu dazu ermuntert hat, eine derartige Lohnleitlinie vorzugeben.
Zudem lässt die Broschüre "Tarifrunde 2000" des ÖTV-Hauptvorstandes für die Tarifrunde im nächsten Jahr nichts Gutes erwarten. In weiten Teilen liest sie sich wie eine Werbebroschüre für die rot-grüne Bundesregierung, obwohl diese eine genauso unsoziale Politik betreibt wie die Kohlregierung.
Trotz großmundiger Ankündigungen einiger Gewerkschaftsvorsitzender haben sie letztendlich nicht zum Widerstand gegen das Sparpaket mobilisiert. Und das heißt nichts anderes als es zu akzeptieren.
Daran ändern auch die Demonstrationen der Krankenhausbeschäftigten gegen die Gesundheitsreform, der BeamtInnen gegen das Besoldungsdiktat und der Beschäftigten der kommunalen Energieversorger gegen die Liberalisierung des Strommarktes nichts. Hier ist zwar überdeutlich geworden, dass eine große Bereitschaft besteht sich zur Wehr zu setzen, dringend notwendig wäre allerdings, dass die ÖTV als die Organisation, deren Mitglieder in vielen unterschiedlichen Bereichen die Auswirkungen der Deregulierung, der Flexibilisierung, der Liberalisierung, der Privatisierung am eigenen Leib erfahren eine zentrale Rolle dabei spielt, diese einzelnen Proteste auch zu einem gemeinsamen Kampf zusammenzuführen.
Die Arbeitnehmerkaufkraft erhöhte sich 1998 zum Vorjahr nur geringfügig um 0,4% und lag um 1,7% unter dem entsprechenden Wert des Vorjahres. Die bereinigte Bruttolohnquote lag 1998 für Gesamtdeutschland bei nur 69,4% (niedriger als zu Beginn der siebziger Jahre). Der DGB schätzt, dass die westdeutsche Lohnquote gegenwärtig den niedrigsten Stand seit Bestehen der Bundesrepublik aufweist. (Alle Angaben aus "Tarifrunde 2000", herausgegeben vom ÖTV-Hauptvorstand).
"Trotzdem stimmt auch, dass die Vermögensverteilung in Deutschland ungerecht ist und dass diese Ungerechtigkeit in den letzten Jahren drastisch angewachsen ist. So sind die entnommenen Gewinne und Vermögenseinkommen in den letzten Jahren fünfmal so schnell gestiegen wie die Lohn- und Gehaltszuwächse. (Wolfgang Clement in "Die Zeit", 11.11.99).
"Das private Geldvermögen hat sich von 1992 bis 1998 überproportional erhöht: Bei einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 22,2 und einem Anstieg der Nettolohn- und Gehaltssumme um 4,7 Prozent erhöhten sich die Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen um 51,9 und das private Geldvermögen um 52,9 Prozent auf 5,7 Billionen Mark. Die Anlageinvestitionen stiegen lediglich um 2,2 Prozent, die Anzahl der Beschäftigten ging um 2,1 Millionen zurück." (Herbert Ehrenberg in "Die Woche", 22.10.99).
Gleichzeitig werden die Unternehmenssteuern weiter gesenkt und öffentliches Eigentum weiter verscherbelt: "die Deckungslücken im Etat seien in den vergangenen Jahren in starkem Umfang durch Verkäufe ausgeglichen worden. Allein in den Jahren 1998 und 1999 hätten die Erlöse aus Veräußerungen insgesamt fast 50 Milliarden Mark erreicht – das ist weitaus mehr als bei allen Privatisierungen von 1950 bis 1997 zusammen." (aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs in "Stuttgarter Zeitung", 13.10.99).
Hinzu kommt, dass die Ökosteuer trotz des ganzen Geschreis der Industrie große Teile der Wirtschaft finanziell entlastet. "Die mit Abstand größte Last tragen aber die privaten Haushalte. Sie müssen die regulären Steuersätze zahlen und ‚leisten damit auch einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Verringerung der Zusatzkosten im Unternehmenssektor‘, heißt es in der RWI-Studie. Im Klartext bedeutet das: Die Haushalte subventionieren die Betriebe." ("Die Zeit", 14.10.99).
Auch unter rot-grün werden also die Reichen reicher, während Ottonormalverbrauchern und Arbeitnehmern in die Taschen gegriffen wird. An dieser fortgesetzten Umverteilung von unten nach oben lässt sich nur etwas ändern, wenn die Gewerkschaften in den Tarifrunden sich davon wieder etwas zurückholen. Deswegen brauchen wir hohe Lohnerhöhungen. Damit vor allem die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen etwas davon haben brauchen wir eine Erhöhung um einen Festgeldbetrag.
Bei Bund, Ländern und Gemeinden wurden von 1992 bis 1998 711.000 Arbeitsplätze abgebaut ("Tarifrunde 2000"). Auch durch das "Bündnis für Arbeit" gibt es keine Arbeitsplätze, sondern nur Forderungen nach Lohnverzicht. Lohnverzicht schafft auch keine Arbeitsplätze. Im Gegenteil: während zum Beispiel beim Nähmaschinenhersteller Pfaff Arbeitsplätze abgebaut werden, soll die Restbelegschaft für gleichen Lohn länger arbeiten. In den letzten Wochen und Monaten wurde die weitere Vernichtung hunderttausender Arbeitsplätze in der Wirtschaft und auch im öffentlichen Dienst angekündigt. Allein im Bund sollen jährlich weitere 1,5% der Stellen abgebaut werden.
Neue Arbeitsplätze werden nur entstehen, wenn sie durch eine radikale Arbeitszeitverkürzung erkämpft werden. Bei vollem Personalausgleich: damit die Arbeit nicht noch weiter verdichtet wird. Bei vollem Lohnausgleich: damit die Beschäftigten nicht schon wieder dafür bezahlen - Teillohnausgleich oder kein Lohnausgleich ist nur gleichbedeutend mit erzwungener Teilzeitarbeit. In einem Schritt: damit möglichst wenig Möglichkeit besteht durch Rationalisierung den Beschäftigungseffekt zu schmälern.
Alle bisherigen Modelle wie Altersteilzeit oder Rente mit 60, finanziert über Tariffonds haben eins gemeinsam: entweder können sie nicht in Anspruch genommen werden, weil die Abschläge und Einkommensverluste zu groß sind oder die Beschäftigten sollen dafür bezahlen, wobei bei der Rente mit 60 die Ungerechtigkeit besonders ins Auge springt, da jüngere Arbeitnehmer durch Lohnverzicht für etwas bezahlen sollen, was sie selbst nicht in Anspruch nehmen können. Nachdem auch im öffentlichen Dienst viele ArbeitnehmerInnen aufgrund krankmachender Arbeitsbedingungen das Rentenalter gar nicht erreichen, ist nicht einzusehen, dass sie dafür, dass sie vor Erreichen des Rentenalters aus dem Arbeitsleben ausscheiden können auch noch bezahlen sollen. Wenn wir für eine Regelung eintreten, die von allen die es wollen in Anspruch genommen werden kann, ist es auch leichter dafür einen gemeinsamen Kampf von jüngeren und älteren ArbeitnehmerInnen auf die Beine zu stellen.
Nachdem in der Tarifrunde 1999 die Schlechterstellung Ost bei Einkommens- und Arbeitsbedingungen fest geschrieben wurden, wird es 2000 höchste Zeit, dass eine bundesweite einheitliche Angleichung auf Westniveau erfolgt. "Die öffentlichen Arbeitgeber versuchen, aus den bestehenden Niveauunterschieden zwischen ‚Ost‘ und ‚West‘ Kapital zu schlagen. Nicht die Angleichung auf dem Tarifniveau der alten Bundesländer, sondern Abbau tariflicher Standards ist das Ziel der öffentlichen Arbeitgeber." ("Tarifrunde 2000"). Deshalb reicht auch allein eine Perspektive für die vollständige Angleichung nicht aus, wir brauchen die sofortige Angleichung. Solange die Beschäftigten im Osten schlechter gestellt sind, wird dies als Druckmittel von den Arbeitgebern auch auf die Beschäftigten im Westen missbraucht werden.
(Redaktion Dieter Janßen für den Sprecherrat