Antrag an die Delegiertenversammlung am 30.11.2002
Antragsteller Stadtteilgruppe Spandau
Thema:
Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden in der ostdeutschen Metall-
und Elektroindustrie und Arbeitszeitgestaltung
Die Delegiertenversammlung möge beschließen:
Der Ortsvorstand sowie die Mitglieder der Tarifkommission werden aufgefordert,
sich dafür einzusetzen, dass die Tarifverträge zu Dauer und Gestaltung
der Arbeitszeit gekündigt und im Sinne der unten genannten Begründung
verhandelt werden. Der Vorstand der IG Metall und die Bezirksleitung wird aufgefordert,
entsprechende Empfehlungen abzugeben.
Begründung:
1. Strategische Fragen
Die unumstrittene Forderung nach weiterer Verkürzung der Arbeitszeit in
der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie bis zur Angleichung an die Arbeitszeit
in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie sollte nicht als isolierte
Bewegung geführt werden, sondern als Bestandteil eines "Gesamtarbeitszeit-Konzepts"
für Ost und West durchgesetzt werden. Trotz der realen Gefahr, dass die
weitere Verkürzung der Arbeitszeit 0st auch mit verschlechterten tariflichen
Regelungen in West "erkauft" werden müsste, sprechen insgesamt gewichtige
Grunde für eine gemeinsame Strategie:
- Eine auf den Osten beschränkte Tarifforderung/-bewegung führt
zu Mobilisierungsproblemen im Westen Das hätte auch angesichts der herrschenden
Rahmenbedingungen in Ost Rückwirkungen auf die Durchsetzungsfähigkeit
der Forderung. Eine nicht nur, aber doch sehr "moralisch" begründete
Forderung nach weiterer Arbeitszeitverkürzung "Gerechtigkeitslücke"
kann rasch die Grenzen ihrer Tragfähigkeit erreichen.
- Insgesamt gibt es einen dringenden tariflichen Regelungsbedarf sowohl hinsichtlich
weiterer Arbeitszeitverkürzung als auch bezogen auf Fragen der Arbeitszeitgestaltung
(z.B. Arbeitszeitkonten), der mit der Arbeitszeitverkürzung Ost zu einer
mobilisierungs- und durchsetzungsfähigen Tarifforderung verknüpft
werden kann. Es sind nicht nur Einzelfälle, dass sich in den Betrieben
Regelungsbereiche finden, die Tarifverträge bislang nicht vorsehen; zum
anderen befinden sich betriebliche Arbeitszeitvereinbarungen zwar nicht in
einem Bereich des offenen Tarifbruchs, aber zum Teil in einer Grauzone, die
mit großzügiger Tarifvertragsinterpretation bezeichnet werden kann.
2. Ziele
Nach wie vor sind Fragen der Arbeitszeit und der Arbeitszeitgestaltung immer
auch Fragen der Umverteilung von Arbeit. Die Verkürzung und die Regulierung
der Arbeitszeit sollte deshalb dem Ziel dienen, mit den Mitteln der Tarifpolitik
einen Beitrag zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplatzen zu leisten. Zielkonflikte,
die z B. zwischen dem Wunsch einzelner Beschäftigter oder Beschäftigtengruppen
nach Zeitsouveränität und beschäftigungspolitisch problematischen
Regelungen zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit auftreten können, sind
zu Gunsten der Arbeitsplätze zu entscheiden.
Konkrete Ziele sind:
- 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie
- Verkürzung der Arbeitszeit für besonders belastete Beschäftigtengruppen
(Schichtarbeiter, Beschäftigte mit taktgebundenen Tätigkeiten)
- Abschaffung der "40-Stunden-Quotenregelung"
- Sicherung der freien Wochenendes
- Arbeitszeit muss vergütet werden Qualifizierungs- und "Beteiligungszeit"
ist Arbeitszeit
- Verbesserte Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit (Vereinbarkeit von Familie
und Beruf)
- Arbeitszeitregelungen, die eine Verlagerung unternehmerischer Risiken auf
die Beschäftigten beinhalten (z.B. Programmentgelt sind abzulehnen
- Ausbau und Stärkung der Regelungs-- und Durchsetzungsmöglichkeiten
der Betriebsräte.
3. Mindeststandards für Arbeitszeitkonten
Der tariflichen Normierung von Arbeitszeitkonten kommt beschäftigungspolitisch,
aber auch mit Blick auf die zunehmende Entgrenzung von Zeit und Leistung eine
besondere Bedeutung zu. Folgende "Konteneckpunkte« bedürfen der tariflichen
Regulierung:
- Zufuhrbegrenzung durch tägliche und/oder wöchentliche Höchstarbeitszeit,
damit die Konten abbaubar bleiben;
- Ober- und Untergrenzen klären und wirksame Korrekturmechanismen des
Betriebsrats definieren
- Abgrenzung von Regelarbeitszeit und Mehrarbeit klären
- Ausgleichzeiträume regulieren und wirksame Durchsetzungsmöglichkeiten
des Betriebsrats installieren;
- "Projektarbeit" beispielweise anhand arbeitsorganisatorischer Bedingungen
sowie
- arbeitsinhaltlicher Anforderungen definieren und Entnahmeregeln festlegen;
- Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei der Personal(kapazitäts)planung
erweitern;
- Wenn möglich wirksamen Insolvenzschutz festschreiben
Langzeit-/Lebensarbeitszeitkonten sind aus beschäftigungspolitischen
Gründen und wegen ihrer negativen Wirkung auf die Sozialversicherung abzulehnen.