Hinter verschlossenen Türen

"There's someone in my head, but it`s not me."
(Pink Floyd, Dark Side of the Moon)

 

Nichts ist so einfach wie Globalisierung. Der Begriff hat nicht von ungefähr den Touch des Pauschalen. Dies ist gewollt. Wenn immer in Gesprächen die Floskel "global betrachtet" gebraucht wird, ist damit das Allgemeine in Absehung von regionalen, kulturellen, soziologischen, individuellen Differenzen und Divergenzen gemeint.

In der Tat betrachtet sich aus der Satellitenperspektive der "Globus" als runde hoffnungsblaue Einheit. Ein schöner Anblick, diese friedliche, blaue Murmel die aus der luftleeren Distanz betrachtet keinen Rückschluß zuläßt auf Probleme wie Kriege, Wirtschaftskrisen, Umweltverschmutzungen etc. Unterschiede sind lästig, konfliktträchtig und erzeugen Probleme. Was liegt näher als die Reduzierung von Differenzen? Alle Apologeten einer "Neuen Weltordnung" strukturieren die Welt ganz einfach, indem sie sie in ein Set binärer Oppositionen verwandeln.

Die Religionen differenzieren in Gläubige und Ungläubige, der Sozialismus ins Proletariat und den Klassenfeind, der Kapitalismus in wohlhabend und arm, der Computer in "0" und "1". So gesehen ist Globalisierung die simpelste Sache der Welt - man braucht nur Unterschiede zu ignorieren, Traditionen, Kulturen und Geschichte zu nivellieren, Differenz als Redundanz zu definieren. Dann ist Globalisierung nur rein geographisch ein "großes" Projekt und ansonsten der Inbegriff des Banalen - der Banalität des Schreckens, end-solutions for a small planet. Das Projekt "Weltordnung" ist überhaupt nichts neues - ob Christentum, Islam, das "Römische Reich", das "3. Reich", die Internationale, aber auch Geheimorganisationen wie die `Illuminaten´; ihnen allen ging es um die Uniformität der Welt, die nur noch den Gegensatz derjenigen zuließ, die die Wahrheit gepachtet haben, und derjenigen, die sie leugnen und die es gleichzuschalten oder auszumerzen galt.

Dem Thema angemessen sind einfache Redewendungen: die Weltordnung, gleich ob neu oder alt, bedarf der Formatierung. So chaotisch politische und wirtschaftliche Prozesse auch sein mögen, entscheidend ist, in welchem Phasenraum (Monitor) sie sich nach welchen Regeln (Formatierungsmerkmalen) ereignen. Daß "Chaos" organisiert ist, weiß man, seit Mandelbrod seine fraktalen Strukturen in ästhetisch wirkungsvoller Weise graphisch dargestellt hat. Seitdem ist Chaos ein bunter Wandbehang für Computer-Freaks und Esoteriker. Doch genau wie im Falle des computergenerierten Chaos, sei es deterministisch, sensibel oder selbstidentisch, ist das chaotische Weltgeschehen formatierbar. Man weist ihm Orte und Spielräume zu, steckt ihm Rahmen, und betont gerade im Falle fraktaler Strukturen das Ähnliche stärker als das Verschiedene, was die Angelegenheit vereinfacht. Das klingt komplex und ist ganz simpel: Bill Gates und Microsoft machen vor wie es geht. Jeder User, der auf die Microsoft Betriebssysteme zurückgreift, wird unterschiedliche Informationen abfragen und unterschiedliche Informationen eingeben. Der Datenfluß, der Datentransfer, wird immer "chaotisch" bleiben - panta rheum. Doch zugleich bleibt er - wie jede Sprache - geregelt. Die Schnittstellen, an denen der Datentransfer stattfindet, sind definiert. Der Raum, in dem die Informationen für die User dargestellt werden, ist positioniert und klar begrenzt: der Bildschirm. Derjenige, der die Rahmen und Regelungen vorgibt, herrscht über das Chaos. Über jeden User sammelt er Informationen, mit jeder Operation, die der User vornimmt, verrät er etwas über sich. Der "Master of the Universe" herrscht durch panoptischen Überblick: er läßt dem Datenfluß seinen Lauf, aber in den von ihm vorgegebenen Kanälen. Er baut und koordiniert die Datenautobahnen und legt ihre Kreuzungen und Ziele fest. Das ist Macht - die panoptische Macht, die Foucault beschrieben hat, die Macht, die ausgeübt wird durch das "Alles-Sehen-Können". Es ist egal ob Bill Gates alles sieht, ob er überhaupt hinsieht. Wichtig ist, daß er es könnte, daß jeder weiß, daß er es könnte und niemand weiß, ob und wann er wen beobachtet. Damit avanciert Gates zum Swantewit der Informationsgesellschaft.

Doch Gates hat Ärger. Denn sein Imperium, seine "Domain" ist die Information. Die Organisation der Informationskanäle, das Regelwerk der hardware- und software Nutzung gestattet jedem User gleichfalls freien Zugriff auf Informationen. Das Internet bleibt subversiv. Jeder heavy user unterläuft durch die hohe Frequenz der Zugriffe im Verein mit anderen heavy users das Bemühen, die Surfer in ihrer virtuellen Bewegungsfreiheit einzuschränken. Es ist kein Zufall, daß Bill Gates Schwierigkeiten mit dem amerikanischen Kartellamt hat, die Banken und Versicherungen bei ihren Fusionen anscheinend nicht haben. Bei freiem Zugang der Subjekte (im Sinne von "Herrschaft Unterworfenen") auf Informationen, verliert Macht ihren metaphysischen, ihren unbedingten Charakter. Zumindest die Götter der Weltreligionen mit imperialistischen Tendenzen üben ihre Macht durch Willkür aus. Gerade, daß der Mensch außerstande ist, die in göttlicher Gewalt ausgeführten Entscheidungen rational zu hinterfragen, hinterläßt ihn in Ohnmacht und erzeugt ein Gefühl, ausgeliefert zu sein. Basis von Glaube und Demut ist Unwissen - und deshalb ist Unwissen von Herrschenden gewollt. Den Willen zur Erkenntnis, zur Durchdringung von Prozessen, die Herrschaft ausüben, soll der Mensch bezahlen, indem er ausgestoßen und verlassen ist, dem Zorn Gottes obendrein in ohnmächtiger Einsamkeit ausgesetzt.

Keine Herrschaft ohne Geheimhaltung. Die Partei beschließt und ordnet an, doch die Prozesse, die den Beschlüssen vorausgehen, bleiben intern. Geschäftsgeheimnisse unterliegen rechtlichem Schutz. Die Koalitionsverhandlungen der gewählten Volksvertreter finden hinter verschlossenen Türen statt (denn es gibt Dinge, die zu wichtig sind, um sie dem Volk mitzuteilen, dem die Herrschenden, wenn es kritisch fragt, antworten: `wenn Sie wüßten, was wir wüßten, würden Sie uns recht geben´). Wie Spekulationen gegen die Währung Volkswirtschaften angreifen, vor allem: warum diese Spekulationen stattfinden, wer sie mit welchem Interesse tätigt, bleibt den meisten ebenso verborgen, wie der Zusammenhang von "hedge fonds" und Massenarbeitslosigkeit. Statt aufklärend über Hintergründe wirtschaftlicher Prozesse zu informieren, zieht die Berichterstattung sich auf die gefällige Präsentation von Flußdiagrammen zurück. Kurz vorm Wetterbericht gehts um das Befinden des Dax, um Erektion oder Erschlaffung des Dow Jones Indexes, des Nikkei. Fällt er oder steigt er? Wird es heiter oder wolkig? Ist mit Niederschlag oder Hochdruck zu rechnen, mit Depression oder Euphorie? Verdächtig ähnlich sind die Begriffe der Börse, der Wirtschaft, und des Wetterberichtes. In der Wahrnehmung - nicht im Bewußtsein - der Betrachter, entsteht der Eindruck, daß die Entwicklung der Wirtschaft und des Klimas den eigenen Gemütszustand vorgeben, ihn `formatieren´. Die Flußdiagramme der Börsenberichte fungieren als auf den Bildschirm projiziertes EEG und EKG des Betrachters, die ihm seine Befindlichkeit vorgeben - je höher der Stand, desto sonniger ´s Gemüt. Dies ist paradox genug: für das Gros der Betrachter bedeutet eine Börsen-Baisse eher eine Bedrohung, denn kaum etwas freut den Aktienmarkt und die Investoren mehr als Fusionen, die unweigerlich eine Tsunami-Welle von Rationalisierungen in Gang setzen. Die Shareholder wissen das, und die Betroffenen freuen sich über den munteren Dax und das freundliche Klima.

Gerne stellt man die Wirtschaft als etwas Homogenes dar, einen globalen Organismus, der Gemütsschwankungen ausgesetzt ist. Wenn man Herrn Henkel reden hört, "die rot-grüne Steuerreform sei schlecht für die Wirtschaft", bekommt man nachgerade Mitleid mit diesem Wesen, als wäre der Verlust von Millionen Arbeitsplätzen so etwas wie die tragische Verwundung eines zwar riesigen, aber hilflosen Tieres, und nicht eine kühl einkalkulierte Katastrophe. Dabei übersieht man, daß es "die" Wirtschaft nicht gibt - eine der banalsten, und gerade daher mit einem Schleier sanfter Rührseligkeit und Gefühligkeit überzogenen "harten Fakten", ist der, daß Wirtschaft aus Konkurrenten besteht. Die beleben zwar das Geschäft (da ist er wieder, der Animismus von Bilanzen und Milliardentransfers), aber letztlich sind sich die Konkurrenten nur in einem einig: ihre Konkurrenten loszuwerden. Jeder ist deshalb für den Wettbewerb, weil er meint, er sei derjenige, der sich zuletzt das Monopol erkämpft hat. Egal was geschieht, ob Weltkriege, Hungerskatastrophen, Umweltzerstörung etc. Alle Konzerne gehen davon aus, daß es einen Gewinner geben wird: jeder Konzern sieht sich als Gewinner, sieht sich in der finalen "pole position". Eine Lottospieler-Mentalität, passend zu den Zocker-Praktiken der Banken. Jeder "global player" spielt mit, denn wenn alle verlieren, bis auf einen, hat man die Chance, dieser eine zu sein. Rücksicht ist Fehl am Platze, geht es um dieses große Ziel. Und welches Ziel könnte reizvoller sein, als die Weltherrschaft?

In der Zeichentrickserie "Pinky und der Brain" scheitert die Labormaus "Brain" bei ihrem Vorhaben oft genug an der Dummheit ihres Freundes Pinky und daran, daß sie die Alleinherrschaft auch alleine anstrebt. "Pinky und der Brain" sind einander unlösbar verbunden - eine nette Metapher für das Verhältnis von Macht, Intelligenz, Größenwahn und Raffgier einerseits und einer immerhin oft unkalkulierbaren Naivität, Trägheit und subversiven Tendenz der "common people" andererseits. Doch trotz der Gegensätze können (und wollen!) sie nicht ohneeinander, brauchen den Anderen, um sich selbst zu verorten. Spielberg, der die Serie produziert, kennt sich aus mit dem Kapitalismus. Seine Adressaten sind Kinder, aber die Serie ist ebenso lehrreich für Erwachsene, wie die Szenerie der freien Marktwirtschaft Entenhausens in den "Duck Tales". Stellt der Comic die Verbundenheit von Oppositionen wie reich und arm, raffiniert und stupide dar, suggerieren die Wirklichkeitsformate (Programme und Journaille) immer brachialer, daß Wirtschaft, Politik und Bevölkerung sozusagen losgelöst voneinander koexistieren und die Wirtschaft der Gott ist, den die Minderbegüterten und -bemittelten durch allerlei Opfer zu beruhigen haben, während die Politik sozusagen als Hoheprieser in Aufsichtsräten und Kuratorien hockt und die Notwendigkeit weiterer Opfer zu verkünden hat. Indes schlummert doch die größte Macht in der Masse der Menschen. Die Menschen sind Wähler und Käufer zugleich, sie könnten die Politik bestimmen, sie könnten die Wirtschaft regulieren, sie könnten sich weigern zu kaufen (der Wirtschaft alles ab-zukaufen), sie könnten die Hohepriester stürzen, statt sie zu wählen und um Hilfe anzuflehen. Dementsprechend wichtig ist es, sie nicht zu viel wissen zu lassen und wenn, dann nur das, was gewußt werden soll. Information ist nicht gleich Wissen, wer sich informiert, läßt sich üblicherweise informieren von denen, die die Informationen auswählen und zusammenstellen. Zwar wird jeder Rezipient die Informationen anders verarbeiten, aber - darauf setzen die Informanten - im Rahmen eines definierten Informationsspielraumes und nur in nicht signifikantem Maße darüberhinaus. "In-Formatierung" eben. Zudem ist der Rezipient in der Informationssgesellschaft ein zerstreuter, ein unterhaltener. Er wird so vielfältig/einfältig unterhalten, im Rahmen definierter Sende- und Programmformate, daß er im Idealfall nichts davon mitbekommt, daß er seinen Job verliert oder vorm Fernseher verhungert. Hauptsache, er nimmt bis zum Schluß die Angebote so weit an, so weit seine Mittel es erlauben.

An brisantes Material gelangt der "gewöhnliche Betrachter", das ideale Indviduum der `neuen Mitte´, dessen Sehgewohnheiten exakt einem repräsentativen Querschnitt durch den "TED" entsprechen sollten und sollen, ohnehin nur für den unwahrscheinlichen Fall, daß er sich bemüht und ungefähr weiß, wonach er sucht. Wer zufällig oder absichtsvoll den Koalitionsvertrag der SPD/Bündnis 90-die Grünen - Regierung auf seinen PC-Bildschirm bringt, stößt unter Punkt 11: Entwicklungspolitik auf folgenden Passus:

"Die neue Bundesregierung setzt sich für die Neuausrichtung der Strukturanpassungspolitik von IWF (Internationaler Währungsfond) und Weltbank nach Kriterien der Entwicklungsverträglichkeit und ökologischen Nachhaltigkeit ein. Internationale Wirtschaftsregime, wie die WTO (World Trade Organization) oder das geplante Multilaterale Abkommen für Investitionen (MAI) müssen nach ökologischen und sozialen Kriterien neu gestaltet werden. Die Möglichkeit nationaler Gesetzgeber, ökologische und soziale Standards bei Investitionen und Handel einzuführen, muß beibehalten werden."

Ein wahres Feuerwerk an Schlagwörtern und Verschlüsselung prasselt auf den Leser, den Wähler, den Konsumenten, den Käufer herab. Das hab ich gewählt? fragt er sich (vielleicht), und was hab ich gewählt, fragt er sich. MAI? Hat das was mit Wonnemonat zu tun? Mit dem Tag der Arbeit gar? Das Nichtwissen ist symptomatisch, denn man wird in den Printmedien und erst recht in Rundfunk und Fernsehen kaum etwas über das nach Maiglöckchen, Volksfest und Feiertag klingende MAI finden. Das MAI ist der Entwurf eines globalen (da ist es wieder!) Investitionsabkommens der 29 Industrieländer der OECD (Organisation for Economic Development). Seit ca. 3 Jahren wird über dies Abkommen in geheimen Zusammentreffen verhandelt. Kaum etwas dringt nach außen, selbst der Vertragstext nicht, der nur auszugsweise in englischer Fassung vorliegt (Vgl. "Reader zum Internationalen Kongreß des Komittees Widerstand gegen den MAI", Universität Bonn, 1998, S. 11 ff.). Gerade wegen der Brisanz der Vertragsinhalte sind alle Beteiligten dazu angehalten, nichts an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Journalisten, die das Thema aufgreifen, haben Mühe, es unterzubringen und müssen aufs Internet ausweichen, wenn sie publizieren wollen. Man darf sich da nichts vormachen: auch hinter Medien stehen Konzerne, die von derartigen Investitionsabkommen zu profitieren hoffen, ebenso wie die beteilgten Länder. Zur gegenseitigen Verschwiegenheit verpflichtet arbeiten und werkeln Regierungsunterhändler vertraulich mit den "Chief Executive Officers" multinationaler Konzerne an dem Vertragsentwurf und beobachten gebannt die Entwicklung der EU. Ein vereintes Europa würde bedeuten, daß nicht 29, sondern erheblich weniger Länder das Abkommen ratifizieren würden - das könnte die Sache beschleunigen. Im wesentlichen sind es vier Vertragspunkte, die von enormer sozialer Bedeutung sind:

1) Die "Inländergleichbehandlung". Dieser Vertragspunkt verlangt, daß Länder ausländische Investoren nicht weniger günstig behandeln, als einheimische. Nach dieser Klausel könnten Länder keine besonderen Restriktionen erlassen in bezug auf das, was ein Auslandinvestor im Inland besitzen darf, selbst wenn eine solche Restriktion beabsichtigt ist. Zusätzlich sind die Regierungen nicht gehindert, ausländische Investoren mehr zu begünstigen als inländische.

Auf Förderanträge bezogen bedeutet dies, daß jede Förderung in inländische Unternehmen jedem transnationalen Konzern einen Rechtsanspruch auf Förderung bei formal gleichen Bedingungen haben. Im Klartext: wenn zum Beispiel gemäß den Statuten des Regionalen Programmes zur Förderung der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen ein mittelständisches Unternehmen aufgrund einer zusätzlichen Schaffung von 15% mehr Arbeitsplätzen gefördert wird, so muß jeder antragstellende multinationale Konzern - sei er noch so reich - zwingend ebenso gefördert werden, ggf. zu Lasten regionaler Investoren, die man auf leere Kassen verweist und darauf, daß man bei gleichgestellten Anträgen aufgrund prekärer Situation auf dem Arbeitsmarkt den Großinvestor bevorzugt behandelt.
Wer die Presse im Land Nordrhein-Westfalen verfolgt hat, dem wird die Angelegenheit "Förderantrag der Citigroup" bekannt sein. Natürlich warten die globalen Konzerne nicht, bis das MAI ratifiziert wird.

2) "Beschäftigungsauflagen". Dieser Vertragspunkt soll den `Multis´zusichern, daß ihnen auch dann Unterstützung und Steuerbegünstigung zusteht, wenn sie bei Gründung einer Firma im jeweiligen Land nicht auf einheimisches Personal oder einheimische Zulieferer zurückgreifen. In der Logik der Förderstatuten bedeutet dies: schafft der Investior 15% zusätzliche Arbeitsplätze, so muß er nicht auf Arbeitskräfte aus dem Ansiedlungsgebiet zurückgreifen.

3) "Schutz vor Unruhen und Konflikten". Kommt es aufgrund z.B. der Situation auf dem Arbeitsmarkt, die durch die Rationalisierungspolitik multinationaler Konzerne mitverschuldet werden, zu `wirtschaftlichen Schäden´ (Arbeitskampf, soziale Unruhen), sind die Regierungen schadenersatzpflichtig.

4) Rechtsstreitigkeit zwischen Investor und Staat, Standstill/Rollback.
Für den Fall, daß ein Gesetz oder eine Politik Investorenrechte einschränkt, können die Investoren den Staat verklagen. Standstill/Rollback bedeutet: wenn das MAI ratifiziert ist, müssen bestehende Regelungen, die dem MAI zuwiderlaufen, liberalisiert werden und dürfen (`Sperriegel-Effekt`) diese Liberalisierungen anschließend nicht mehr aufgehoben werden.
Ade, Kündigungsschutzgesetz, Ade, Betriebsverfassungsgesetz, Ade, Tarifverträge.

Im Stillen werde solche Verträge ausgeklügelt. Bescheiden nimmt das MAI Platz im Koalitionsvertrag. Offenbar denkt man nicht daran, der Ratifizierung entgegenzuwirken - schließlich soll Deutschland im Konzert der Großen mitspielen, und sei es nur als größter Standort für multinationale Konzerne, die unabhängig von der politischen Struktur, den kulturellen und soziologischen Gegebenheiten frei agieren können, weil sie mit ihrer Finanzmacht ein wichtigeres Gesetz bestimmen, als jedwede Verfassung: das Gesetz des Handel(n)s. Die "Möglichkeit" freilich, Standards einzuführen, auf die die Koalition pocht, bleibt vorhanden - wenn denn die multinationalen Konzerne mitspielen. Die Möglichkeit, dem MAI entgegenzuwirken, wird im Koalitionsvertrag nicht einmal angedeutet.

Liest sich ungeheuerlich, ist aber nicht einmalig. Es existieren bereits etliche vergleichbare Handelsabkommen, die längst in Kraft getreten sind. Ihnen ist gemeinsam, daß sie Länder- und verfassungsübergreifende "Freihandelsabkommen" sind, deren Kern in der Eliminierung staatlicher Wettbewerbseinschränkungen besteht. Direktes Vorbild des MAI sind das aus dem GATT (General Agreement on Trade and Tarrifs) und aus der WTO hervorgegangene NAFTA (North-American Free Trade Agreement) zwischen den USA, Kanada und Mexico, sowie die APEC (Asian-Pacific Economic Corporation) deren Ziel es ist, bis zum Jahre 2010 alle Handelsbarrieren zwischen den Mitgliedern und Nichtmitgliedern dieses Handelsblockes zu beseitigen. Die Handelspartner des APEC - Blockes kontrollieren 50% des Welthandels.

Wem dies zu abstrakt ist, wer nicht unmittelbar vor seinem geistigen Auge riesige Migrationsbewegungen von Firmen in Billiglohnländer und den Verlust von Mitbestimmung und demokratischer Mitwirkung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz realisiert, dem sei ein sehr konkretes Beispiel für Folgen und Macht des NAFTA genannt, ein Beispiel, daß gerade den kleineren, deutschen Koalitionspartner grün im Gesicht werden läßt, wenn es denn zur Kenntnis genommen wird:

"Anfang April hatte das kanadische Parlament ein Einfuhr- und Transportverbot von MMT beschlossen. MMT ist eine toxische Substanz, die vom Konzern `Ethyl Corporation´hergestellt wird und gesundheitsschädlich ist. Am 14. April verklagte EC die kanadische Regierung nach den Regeln des NAFTA wegen der Enteignung entgangener zukünftiger Profite in Kanada." (op. cit. S. 73)

Man könnte bei englischen Wettbüros sicher Einiges an Geld gewinnen, wenn man auf eine Abweisung der Klage wettet, und Recht behält.

Von diesen `trockenen´, wenngleich weitgreifenden Sachverhalten, deren (scheinbar) abstrakte Natur des öfteren als Rechtfertigung dafür herhält, daß die Berichterstattung dürftig ist, da das Thema schwierig an Einzelschicksalen darzustellen sei, ist es ein kurzer Schritt zu essayistischen Betrachtungen über eine "Neue Weltordnung". Es fällt nicht schwer, sich Konzerne vorzustellen, die wie die Heuschrecken- E.T.s im Film "Independence Day" (Titelsong: "It`s the end of the world as we know it", REM) über die Länder herfallen und sie ausbeuten, bis nichts mehr übrig ist. Man ahnt auch, daß deratige Welthandelsabkommen das Nord-Süd-Gefälle maximieren könnten, daß sie vielleicht etwas mit dem Niedergang der Tigerstaaten und mit den enormen Fusionsbestrebungen der Konzerne zu tun haben. Wer einen Schritt weitergeht, der sieht Zusammenhänge zwischen Freihandelsabkommen und dem Weg in eine globale Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft. Auf PCs, Datenautobahnen und Telefonnetze zugeschnittene Arbeitsplätze garantieren weitgehende Standortunabhängigkeit, denn auf die geographische Nähe zu Rohstoffquellen sind Konzerne wie Citigroup, Axa-Colonia und letztlich auch Automobilkonzerne wie Daimler-Chrysler nicht angewiesen. Daß sich Kräfte formieren, die in jeder Hinsicht grenzüberschreitend wirken, verbreiten die Fusionäre gleichfalls weltweit über Medien, deren betreibende Konzerne ihrerseits einen Hang zur Verschmelzung haben. Axa/Colonia wirbt mit der Vereingung zweier Ströme zur bodenlosen Kraft eines den Horizont einnehmenden Meeres, bei genauer Betrachtung eine Metapher, die nur auf die alles verschlingende Bodenlosigkeit verweist, die die globalen Neukunden im Empfang nimmt. Gern wird mit der Erdkugel selbst geworben: den weltumspannenden Anspruch der Citigroup markiert der blaue Planet mit Cowboyhut und Schlitz für die VISA-Card. Die Welt spricht VISA, weltweit greifen Citibank/Travelers auf 800 Millionen Kunden (und deren Daten) zurück. Gerade die Citigroup ist ein Beispiel dafür, wie simpel Globalisierung durch Angleichung wird. McDonalds des Bankgewerbes will man werden: überall, weltweit, sollen dieselben Dienstleistungen in Produkte in gleicher Weise angeboten und vertrieben werden, für Kunden, deren Verhalten weltweit ebenso angepaßt werden soll.

Daß es mittlerweile möglich ist, Strichcodes unter die Haut transplantieren zu lassen, die den Besitz von "smartcards" (Geldkarten mit globaler Gültigkeit) überflüssig machen, ist nicht nur eine Erfindung des Regisseurs von "Naked" (Mike Leigh), sondern eine im Internet vieldiskutierte Entwicklung der unter die Haut gehenden Globalisierung. Möglicherweise kann man in Zukunft durch Eingriffe in die genetische Struktur bereits im Mutterleib den Fötus mit computerlesbaren, codierten Fingerprofilen versehen.

Der mokante Vorwurf, Verschwörungstheorien aufzusitzen, wird nicht nur durch die letzte Polemik provoziert. Dem ist entgegenzuhalten, daß Verschwörungstheorien nicht dadurch falsch sein müssen, daß sie Verschwörungstheorien sind. Dem ist ferner entgegenzuhalten, daß es einfacher ist, den Globalisierungsprozeß als etwas aufzufassen, was zufallsgesteuert ist, vom kollektiven Unbewußten in Gang gehalten oder schlicht gottgewollt. Schicksal - Ergeben, so ist das eben. Dabei ist die Entwicklung der Welt zur Freihandelszone weder ungezügelt, noch sind die Personen mysteriös, die diese Entwicklung ganz konkret nach ihren Vorstellungen gestalten. Stellt man sich die Frage, wer Abkommen wie das NAFTA oder das MAI konzipiert und lanciert, so gelangt man aufgrund spärlicher Informationen leicht zu der Meinung, es gebe große Unbekannte, die die Strippen ziehen - doch wer sich tarnt, das ist gleichfalls nichts neues, ist nur allzu bekannt. Gerade jetzt, da das Zerbröseln des kommunistischen Machtblockes ein Vakuum hinterlassen hat, das es zu füllen gilt, sind die zeitgleichen Bestrebungen etwa der europäischen Länder zur Vereinigung und die Fusionsbestrebungen der Konzerne augenfällig - Zentralisierung gleich Standardisierung, einheitliche Währungen gleich einheitliche Regelungen mit allerdings unterschiedlichen Konsequenzen für die Betroffenen. Kehrt man zurück zur Machtfrage, so stellt sich auch für die Bereiche der Wirtschaft und der Politik die Frage: wer steuert, wer herrscht? Recherchiert man im Internet, stößt man auf höchst interessante Melangen und Allianzen führender politischer, wirtschaftlicher und publizistischer Kräfte. Die Mitgliederliste der Trilateral Comission, der Bilderberger Group, des Council on Foreign Relations liest sich wie ein Who is Who der politischen und ökonomischen Weltelite. Gleich, ob Politiker vom linken oder rechten Spektrum, ob Firmenchefs oder hochrangige Gelehrte - willkommen ist, wer Macht und Einfluß hat, unabhängig von der jeweiligen Positionierung im politischen Spektrum. Vage dürfte aus den Nachrichten der Städtename Davos geläufig sein. In Davos lädt alljährlich das WEF (World Economic Forum) zu einem Gipfel abseits lästiger Öffentlichkeit, um "global agendas" zu debattieren, etwa die Bedrohung (der freien Wirtschaft) durch islamischen Fundamentalismus, Globale Investitionspolitik, den Widerstand gegen die Europäische Währungsunion, genethics, Fragen der allgemeinen Erziehung etc. Die geladenen Gäste verpflichten sich vorab, Stillschweigen zu bewahren über Themen und Gesprächsverlauf des Zusammentreffens - vordergründig, damit die Teilnehmer frei und unbeschwert ihre Thesen schwingen und Ansichten vertreten dürfen, ohne sich am nächsten Morgen in der Presse zitiert zu sehen. 1998 stand das Treffen unter dem Motto: "Priorities for the 21st Century." Bill Gates - quod erat expectandum - ist mittlerweile Stammgast in Davos. Zugleich ist er einer derjenigen, deren Firma mühelos die Aufnahmebedingungen in das WEF erfüllt: eine Milliarde Dollar Umsatz pro Jahr.

Regelmäßig geladen sind Gäste aus dem Bereich der internationalen Politik, Gelehrte und Pressemogule. Mitglieder der WEF sind unter anderem Newt Gingrich und Hillary Clinton. Natürlich hatte auch Helmut Kohl vom 29. Januar bis zum 2. Februar 1998 Zeit zum Plausch mit etwa Yassir Arafat und Vaclav Havel.

Und was ist mit (Dollar-)Bill Clinton? Clinton ist Ehrenmitglied des "Council on Foreign Relations", das 1921 in New York gegründet wurde. Dieser `Debattierclub´ ist von jeher eine Schnittstelle der führenden Kräfte der US-amerikanischen Außenpolitik und der gesellschaftlichen Oberschicht. Zur Zeit debattiert man unter dem Ehrenvorsitz von David Rockefeller small-talk-Themen wie "global government", die Abschaffung der Souveränität der Nationalstaaten und "global free trade". Die CFR-Mitglieder und die zu Gesprächsrunden eingeladenen Gäste werden dazu angehalten, Verschwiegenheit über die Versammlungen zu wahren - die Analogie zu den Verhandlungen und Kommissionen zum MAI ist offenkundig. Von deutscher Seite haben sich an dieses Versprechen gehalten so illustre Gäste wie Klaus Kinkel, Willy Brandt, Heinrich von Brentano u.a. Naiv genug, um diese Treffen als lockeres Brainstorming unter Kollegen abzutun, ist wohl niemand. Der biblische Satz "Am Anfang war das Wort" ist in diesem Zusammenhang ernstzunehmen - was bei einem derart hochkarätigen Treffen führender Kräfte der Finanzwelt, der Politik und der Publizistik erörtert wird, wird wohl kaum besprochen, um es bei Worten zu belassen. Wo sich soviel Macht und Wissen im doppelten Sinne (räumlich und mental) konzentriert, ist damit zu rechnen, daß die Kommunikation Konsequenzen hat. Gerade die Verflechtung von politischem und ökonomischem Einfluß, deren Rhizome konkrete Personen sind, kann insgeheim viele weitreichende Prozesse auf dem kurzen Dienstweg, von Du zu Du, in Gang setzen: wer sich zum Beispiel etwas darüber wundert, daß die Fusion von Citibank und Travellers zur weltgrößten Bank für Privatkunden vergleichsweise rasch vom amerikanischen Kartellamt abgesegnet wurde, der sei zumindest darauf hingewiesen, daß Bill Clinton und John Reed (Chef der Citibank) Mitglieder des CFR sind und das - Fußnote und Treppenwitz - der Gründer der "National City Bank", aus der die Citibank hervorging, ein Rockefeller war. Menschen sind sterblich, Dynastien und ihre Beziehungen etwas langlebiger.

Der CFR ist nicht das einzige Konsortium dieser Art. Die Trilateral Comission wurde 1973 von Privatpersonen aus Japan, Europa und den USA gegründet, um ganz ähnliche Themen zu erörtern. Seit 25 Jahren hält die TLC alljährlich ein Treffen ab, das letzte in Berlin. Im Gegensatz zum CFR hält die TLC ihre Treffen - jedenfalls offiziell - nicht als Diskussionsrunde ab. Die eingeladenen Gäste halten Beiträge zu Themen, deren Überschneidungen mit den sujets des CFR nicht überraschen. Auch bei der TLC ist davon auszugehen, daß die wesentlichen Gesprächsinhalte der Diskussionen nach dem Redeteil, beim Bankett, beim Büffet und an der Bar, allerhöchstens zwischen den Zeilen zu lesen sind. Allein die personellen Interferenzen der TLC mit dem CFR sprechen für sich: Gründer und Ehrenvorsitzender ist David Rockefeller, Vorsitzender für Europa ist Otto Graf Lambsdorff. Zum Konsortium gehören ferner illustre Gestalten wie Otto Wolff von Amerongen und Zbigniew Brzezinski. Es sei am Rande erwähnt, daß die TLC sozusagen ein "outgesourcter" Zweig des geheimnisumwitterten "Bilderberg Club" ist, dem exklusivsten der genannten Zirkel.

Sind schon die beiden letztgenannten Kommittees elitär im hohen Maße, so ist der "Bilderberg Club" das Superlativ von `elitär´. Die Bezeichnung geht zurück auf den Ort der ersten Konferenz der Bilderbergers im MAI (!) 1954, das Hotel de Bilderberg in Oosterbeek in den Niederlanden. Den Vorsitz der von einem gewissen Dr. Joseph Retinger gegründeten Organisation führte bis zu seiner Verwicklung in den Lockheed Bestechungsskandal Prinz Bernhard von den Niederlanden. Einer seiner Nachfolger als Vorsitzender wurde in den 80er Jahren Walter Scheel, der sicherlich nicht nur dazu da war, die anwesenden Gäste mit Volksliedern zu belustigen.

Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Gruppen treten die Bilderbergers in keinerlei Weise publizistisch in Erscheinung - auch nicht zu Zwecken der Tarnung. Während die TLC die Redebeiträge der Teilnehmer an den Konferenzen veröffentlicht, das CRR sogar eine Wochenzeitschrift herausgibt und eine Adresse im "Web" hat, so verzichten die Bilderbergers auf jede Publicity und setzen auf volle Diskretion. Gewährleistet wird das öffentliche Schweigen durch die Einbindung führender Kräfte der Medien als Gäste, die sich bei Teilnahme an den Treffen zum Schweigen verpflichten und dazu, dafür zu sorgen, daß auch andere nichts über die Bilderbergers zu berichten haben. Daß auch der ehemalige Vorsitzende der Presseagentur Reuters, Peter Job, zu Gast bei den Bilderbergers war, mag ein Hinweis darauf sein, wieso es über sämtliche Aktivitäten der drei hier genannten Gruppen etwa in der Deutschen Presse genau eine `Bemerkung´ und überhaupt keine Recherche und keinen Artikel gibt: die `Bemerkung´ zum CFR stammt von einem US-Politologen namens William Domhoff, der sich 1975 dem "Spiegel" gegenüber zum CFR äußerte - ansonsten: völlige Funkstille auf allen Kanälen. Nur ein einsamer ASTA (derjenige der TU Aachen) befaßt sich mit den intelektuellen Kombattanten einer NWO (New World Order).
Die Treffen der Bilderbergers finden an entlegenen Orten in Hotels statt, die teilweise auf dem Fahrtweg nicht zu erreichen sind, das letzte davon im Mai 1998 im Turnberry Hotel in Ayrshire, Schottland. Einen konkreten Wortlaut der Bilderberger-Debatten widerzugeben, ist nicht möglich, Themenlisten sickern nicht durch. 1992 sollen unter anderem debattiert worden sein "Perspektiven für die früheren Soviet-Republiken"-man bemerke die amerikanische Schreibweise "Soviet". Manchmal indes ist die reine Auflistung von Veranstaltern und Namen beredt genug: als Vorsitzender fungiert sei längerem Lord Peter Carrington, ehemaliger Generalsekretär der NATO. Das Deutsche Kontingent der ständigen Mitglieder wird gebildet von Christoph Bertram, Außenkorrespondent der ZEIT und Hilmar Kopper, Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG. Zu den Teilnehmern des letzten Treffens gehörten G. Agnelli, Ehrenvorsitzender von Fiat, John Goossens, belgischer Staatspräsident, James F. Hoge, Herausgeber der US-Zeitschrift Foreign Affair etc. Bei den Bilderbergers wird der globale Anspruch und die globale Zielsetzung definiert durch die gesellschaftlichen Positionen der Teilnehmer in ihren jeweiligen Ländern. Kein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Bei all den Prinzen, Staatschefs, Firmenvorsitzenden und Pressezaren, die an den "Meetings" teilnehmen, könnte ein einfaches Gewerkschaftsmitglied fragen, ob denn die andere Seite, die nationalen Interessenverbände der Arbeitnehmer, überhaupt nichts mehr zu melden haben? Diese Befürchtung mag zutreffen, doch immerhin existieren globale gewerkschaftliche Organisationen wie die International Labour Organisation (ILO), und es sind 4 Gewerkschaftsvertreter im CFR vertreten - bestimmt, um den ca. 200 Vertretern, die eher zur Kapitalseite und zum Neoliberalismus neigen gehörig den Marsch zu blasen.

Für gewerkschaftlich Organisierte in Deutschland gibt es einen direkten Weg, etwas über Themen und Gesprächsverlauf einer Bilderberger-Konferenz zu erfahren, ohne auf den Homepages zionistischer Fundamentalisten oder rechtsnationaler Ario-Amerikaner surfen zu müssen: Frau Engelen-Kefer, stellvertretende Vorsitzende des DGB, war zu Gast beim letzten Bilderberger-Treffen. Sicherlich nicht (auch dies im Doppelsinne) auf Kosten zahlender Gewerkschaftsmitglieder, sondern - wie alle geladenen Gäste - als Privatperson und aus eigener Tasche.

Der Kreis schließt sich zum MAI. Die Gewerkschaften wissen um die Gefahr, aber sie wollen lieber mitspielen, als sich entgegenzustemmen, lieber mitreden, als gegenreden. Dementsprechend halbherzig fallen Stellungnahmen gerade des DGB zum MAI aus: man muffelt und krittelt, ist aber nicht gegen das Prinzip, vielleicht, weil Führung in einer "Global Union" auch ein reizvolles Ziel ist. Dabei müßte gerade Europa und hier gerade die Gewerkschaften äußerst sensibel auf das Thema "global round tables" reagieren: denn die Zeiten, da man die Westeuropäischen Länder der NATO als Bollwerk gegen den Kommunismus hätschelte und ihnen ihre eigenen Entscheidungsvollmachten in wirtschaftlichen, politischen und militärischen Fragen gönnte, ist mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten perdu. Jüngstes Beispiel für den zunehmenden Druck, unter die die europäischen Länder gerade von den USA gesetzt werden, ist der Kosovo-Konflikt. Es ist fraglich, ob etwa die Zustimmung zum NATO-Einsatz im Kosovo ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates vor 10 Jahren zustandegekommen wäre und es kann als sicher gelten, daß die Euopastrategien in jedweder Hinsicht, sei es ideologisch, sozial, wirtschaftlich etc. in genau den Treffen mindestens besprochen wurde, von denen man nur erfährt, daß sie geheim sind - wenn man überhaupt von ihnen Kenntnis bekommt.

Globalisierung ist machbar, Herr Nachbar, Konsumenten aller Länder vereinigt euch. Es ist wohl deutlich geworden, daß nicht etwa Sekten wie Scientology den Anspruch auf globale Egalisierung gepachtet haben - Scientology, aber auch Formen des religiösen Fundamentalismus suchen die Öffentlichkeit, drängen sich in den Vordergrund und unterstützen gerade dadurch Medien in ihrer verschleiernden Funktion. Die Präsentation von Bildern und Informationen kann ebensogut verstellen wie aufklären. Berichterstattungen sind notwendigerweise selektiv und tendenziös - daher lassen sie sich leicht instrumentalisieren. Damit ist man wieder bei den Formaten, die den durchaus planbaren und geplanten Prozess der Globalisierung stützen und strukturieren. Man muß zwar nicht soweit gehen wie einige Internet-Kommentatoren, die globalen Sportereignissen und ihren Übertragungen eine Rolle bei einer globalen Einstimmung auf den harten Wettbewerb, auf die eugenische Optimierung der Körper und den Konkurrenzkampf, der viele Verlierer und nur einen Gewinner produziert, zuweisen, doch in der Tat ist die Botschaft: "Wettbewerb ist schön" ebenso unverkennbar, wie die tödlichen Begleiterscheinungen einer solchen Haltung. Daß "Olympische Spiele" etwas wie der Vorbote eines freien, globalen Konkurrenzprinzips nach bestimmten Regelwerken sind, da ist etwas dran und angesichts der Kommerzialisierung des Sports ist die Annahme seiner Instrumentalisierung im beschriebenen Sinne naheliegend. Sportler als Werbefläche für Produkte von Konzernen, etwa Linford Christie, in dessen Kontaktlinsen das Firmenzeichen von PUMA eingraviert war, sind als globale Botschafter globaler Konzerne mit globalem Anliegen zu sehen. Letzlich paßt Profisport glänzend als Metapher - gerade aufgrund der Bigotterie der Debatte um Doping. Um den harten, aber unfairen Wettbewerb samt der geheimen Mittelchen, zu denen Konzerne greifen, die Sportler sponsorn und Sportler, die für Konzerne werben, in Vollendung zu symbolisieren, sollten Sportler zur Werbefläche für die pharmazeutischen Produkte werden, die sie konsumieren - Sportler sollten einnehmende Wesen sein.

Der Sport mit seinem weltweiten Forum TV erweist sich als idealer Carrier der Ideologie vom unbeschränkten, internationalen Wettbewerb. Es ist leider nicht anzunehmen, daß Organisationen, die den globalen Konsortien kritisch-ablehnend gegenüber stehen - wie etwa die "Play Fair Europe-Group" oder People`s Global Action (PGA) - jemals eine ähnliche öffentliche Resonanz erfahren. Doch besser wär das.

Sieht man, wie einfach Globalisierung sein kann, wenn man die Geheimhaltung beachtet und die einfachen Regeln kennt und anwenden kann, ist es naheliegend, mitzuspielen. Im Internet sticht zur Zeit im Heer der Homepages eine hervor, die abzufragen ist, wenn man den Suchbegriff "Citibank" eingibt. Nach einigem Blättern stößt man auf die Adresse http://www.hirondelle.de/cif. Hier wird der Widerstand eines Betriebsrates gegen die von der Citibank beschlossene Stillegung einer Betriebsstätte in Bochum geschildert. Zusammenhänge zwischen der globalen Politik der Citigroup und den lokalen Vorkommnissen in Bochum werden analysiert, aufgedeckt und Gegenstrategien aufgezeigt. Die Betriebsräte und Beschäftigten des Call Centers, von dem dort die Rede ist, bezeichnen sich als "oppositionelle global players", denn: "jeder, der einen e-mail Anschluß hat, ist ein global player".
Eine ihrer Gegenstrategien verblüfft sowohl durch die Einfacheit der Idee als auch ihren Anspruch: den großen Goliath durch Schnelligkeit und Wendigkeit zu düpieren und durch die rasche Gründung eines eigenen Call-Centers zu blamieren.

In der Tat - der Nachteil von großen Organisationen (auch von Gewerkschaften und Parteien) ist ihre relative Langsamkeit. Daß David Goliath besiegen konnte, so die Betriebsräte, lag einzig und alleine an der Größe des leicht zu lokalisierenden Zieles. Allerdings bedarf es, um globalen Wirkungsmächten wie den hier beschriebenen sozusagen eine lokale und effektive Guerilla-Taktik entgegenzusetzen, sicherlich mehr als einer Schleuder und eines Steines. Die Aktivitäten von Gruppierungen wie der "International Chamber of Commerce" (ICC), dem "European Round Table of Industrialists, der International Federation of Employers - um noch einige andere zu nennen - einzudämmen, bedarf es einer Lawine, nicht nur eines Steines.

Läßt man sie unbemerkt von der Öffentlichkeit gewähren und gesteht ihnen die Bestimmung der globalen Ordnung der Dinge zu, dann schaffen sie Fakten, gegen die man sich vergebens auflehnt.
Und wir sollten uns Sysiphos nicht als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Quellen:
Reader zum Internationalen Kongreß "Der Gipfel der Globalisierung"
(Komittee Widerstand gegen das M.A.I., Universität Bonn, 1998)

Internet:
http://www.tlio.demon.co.uk/wdm.htm
http://www.parascope.com/mx/articles/davos98.htm
http://www.4rie.com/rie%201.html
http://www.trilateral.org/membship/memblead.htm
http://www.peg.apc.org/

Weitere links und Literaturhinweise sind unter den genannten Adressen verzeichnet.

Koalitionsvertrag: u.a. http://www.spd.de

Siehe zum Thema "Globale Verschwörung" John Carpenters Film "Sie leben!".
Setzen wir dem entgegen: "Wir leben!"

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