letzte Änderung am 2. Okt. 2002

LabourNet Germany ARCHIV! Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Home -> Diskussion -> Geschichte -> Zimmermann1 Suchen

HINTERGRÜNDE - ZUR DISKUSSION GESTELLT

Wir leben besser miteinander...

Wilhelm Zimmermann hat zahlreiche Plakate entworfen, die im Zusammenhang antirassistischer Kampagnen der IG Metall entstanden sind. Mit etwa 400 000 Mitgliedern, die keinen deutschen Pass besitzen, ist die IG Metall heute diejenige Gewerkschaft, die die meisten Ausländerinnen und Ausländer organisiert. Historisch gesehen war das Verhältnis zwischen deutschen und ausländischen Beschäftigten allerdings keineswegs frei von Spannungen.

Hintergrund der Anwerbung ausländischer Beschäftigter durch die Bundesrepublik war seit Ende der 1950er Jahre der Arbeitskräftemangel in Sektoren mit relativ schlechten Arbeitsbedingungen. So waren 1966 72% der ausländischen Männer als an- und ungelernte Arbeiter beschäftigt. Die durchschnittlichen Löhne der "Gastarbeiter" waren um etwa ein Drittel niedriger als die der deutschen Beschäftigten, ihre Aus- und Weiterbildungschancen schlechter, häufig wurden sie mit monotoner und gesundheitsschädlicher Arbeit konfrontiert. Die Abhängigkeit der Migranten von den Unternehmern wurde dadurch verstärkt, dass ihre Arbeitsgenehmigung, und damit das Recht zum Aufenthalt in der Bundesrepublik, zunächst an eine bestimmte Arbeitsstelle gebunden war und höchstens für ein Jahr galt.

Die Gewerkschaften gehörten anfangs zu den Kritikern der Anwerbung ausländischer Arbeiter, da sie befürchteten, dass die Migranten als Lohndrücker missbraucht werden könnten. Deshalb forderten die Gewerkschaften, dass die "Gastarbeiter" zu tariflichen Bedingungen beschäftigt und deutsche Arbeitssuchende bevorzugt eingestellt werden sollten. Als die Regierung Erhardt 1965 ein Ausländergesetz erließ, dass die Verknüpfung von Aufenthaltsstatus und Arbeitsplatz bestätigte, protestierten die Gewerkschaften folgerichtig nicht. Ausländische Arbeiter wurden vor allem als "mobile Arbeitskraftreserve" (Herbert/Hunn) betrachtet, mit der Folge, dass sie als "fremd" galten, auch wenn sie sich jahrelang in der Bundesrepublik aufhielten.

Die Ausgrenzung der Migranten war eine der Voraussetzungen dafür, dass man ihnen in Zeiten der Rezession mit wachsendem Rassismus begegnete. Einen Vorgeschmack auf die "Asyldiskussion" der 1980er und 1990er Jahre lieferten die Jahre 1966/67, als ein kleiner Wirtschaftsabschwung den Traum von der immerwährenden Prosperität ins Wanken brachte.

War kurz zuvor noch der Millionste Gastarbeiter mit Blasmusik und Geschenken begrüßt worden, waren jetzt andere Töne gefragt: "Seit etwa einem Jahr kann man in fast jeder politischen Veranstaltung auf bundesdeutschem Boden Beifall erzielen, wenn man sich nur recht abfällig über die Gastarbeiter äußert", beschrieb etwa die "Nürnberger Abendzeitung" im Mai 1966 die neue Stimmung, die sich auch im Einzug der NPD in einige Landtage äußern sollte.

Der erneute Wirtschaftsboom führte Anfang der 1970er Jahre dazu, dass die Ausländer als Arbeitskräfte plötzlich wieder willkommen waren. Ihre Zahl wuchs bis 1973 auf ca. 2,6 Millionen. Gleichzeitig organisierten sich immer mehr ausländische Kolleginnen und Kollegen in den Gewerkschaften. In die für sie vorgesehene Rolle als "Lohndrücker" hatten sich die Migranten niemals bruchlos eingefügt. Schon Anfang der 1960er Jahre war es anlässlich erniedrigender Wohn- und Arbeitsbedingungen zu ersten Protesten und Streiks gekommen. In der ersten Hälfte der 1970er Jahre fanden einige spektakuläre Arbeitskämpfe statt, während der ausländische Beschäftigte die Forderung nach Abschaffung der Niedriglohnbereiche sowie nach sozialen und politischen Rechten im allgemeinen artikulierten. Die Reaktionen der deutschen Teile der Belegschaften waren sehr unterschiedlich. Einerseits kam zu handgreiflichen Übergriffen auf die ausländischen Kolleg/innen und ihre Unterstützer/innen, so beim Streik bei FORD in Köln 1973. Häufiger war jedoch, dass sich der größte Teil der Belegschaften mit den Forderungen der Migranten solidarisierte. Einzelne Streikbewegungen führten über den Betrieb hinaus zu einem größeren Zusammenhalt der deutschen und ausländischen Wohnbevölkerung, so die Arbeitskämpfe bei Neuss in Pierburg in den Jahren 1970 und 1973. Solche Aktionen konnten durchaus erfolgreich sein.

Auch auf politischer Ebene kam es nun zu Verbesserungen. 1971 trat eine Verordnung in Kraft, die Migranten, die länger als fünf Jahre in der Bundesrepublik beschäftigt waren, eine "besondere Arbeitserlaubnis" für weitere fünf Jahre erteilte. Mit der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 bekamen die "Gastarbeiter" endlich das aktive und passive Wahlrecht zu den Betriebsräten zugesprochen.

Der Trend zu einer Verbesserung der rechtlichen und sozialen Lage der Migranten nahm mit der 1973 einsetzenden Wirtschaftskrise ein Ende. Der "Anwerbestopp", der im Winter dieses Jahres erlassen wurde, beendete die Phase der Expansion der Arbeitsmigration in die BRD. In den Betrieben trafen die Massenentlassungen ausländische Beschäftigte weitaus härter als deutsche. Besonders Frauen ohne deutschen Pass wurden bis in die 80er Jahre häufig vom verarbeitenden Gewerbe in die neuen Niedriglohnbereiche (z.B. Reinigungsindustrie) abgedrängt. Gleichzeitig wurden viele der Migranten, die seit Ende der 50er Jahren in die Bundesrepublik gekommen waren, faktisch zu Einwanderern, sie gründeten Familien oder zogen von den Gemeinschaftsunterkünften in Wohnungen um.

Maßgabe der Ausländerpolitik wurde nach 1973 zunehmend das Ziel der "Rückführung" der "Gastarbeiter" bzw. der "Begrenzung der Zuwanderung". Die sozial-liberale Koalition erließ "Zuzugssperren" für bestimmte Wohngegenden und erste Arbeitsverbote für zugezogene Eheleute oder Kinder. Maßnahmen, die jedoch immer wieder korrigiert und revidiert werden mussten. Seit 1982 sollten neu ankommende Flüchtlinge mit "Sammellagern" und der "Residenzpflicht" (die Pflicht, einen bestimmten Kreis nicht zu verlassen) abgeschreckt werden. Die neue Bundesregierung setzte seit Ende 1982 im wesentlichen die Politik ihrer Vorgänger fort.

In der IG Metall und der Gewerkschaftsbewegung insgesamt verschafften sich die ausländischen Kolleginnen und Kollegen in den 80er Jahren dagegen zunehmend Gehör. Der Bundeskongress des DGB im Jahre 1986 forderte einige Verbesserungen, wie die doppelte Staatsangehörigkeit als Voraussetzung auch für politische Rechte, einen sicheren Aufenthaltsstatus nach fünf Jahren ohne weitere Voraussetzung, aktives und passives Wahlrecht für alle Volljährigen sowie einen Rechtsanspruch auf Arbeitserlaubnis für Eheleute, Forderungen, die fast alle bis heute aktuell sind.

Literaturauswahl:

LabourNet Germany Top ^