Aus den Nürnberger Nachrichten, 20.7.99

Chef steht vor dem Amtsgericht

Viel zu fleißig?

Angestellte arbeiteten über zehn Stunden - Bußgeld im Gespräch

Der Chef einer Software-Beratungsfirma aus dem Landkreis Fürth stand gestern vor Gericht, weil einige seiner Angestellten zu fleißig waren. Dieser Satz klingt zwar im ersten Moment komisch, entspricht aber voll den Tatsachen: Der Geschäftsführer hat angeblich nicht genügend darauf geachtet; daß sich seine Beschäftigten an das Arbeitszeitgesetz halten.

Bei einer Kontrolle war das Gewerbeaufsichtsamt darauf gestoßen. Den Stundenzetteln zufolge hatten einige Außendienst-Angestellte in regelmäßigen Abständen mehr als zehn Stunden pro Tag gearbeitet. Das wäre aber nur mit einer Ausnahmegenehmigung erlaubt gewesen.

Den Rekord stellte ein knapp 40jähriger Projektleiter auf. Binnen eines halben Jahres brachte er es an Dutzenden von Tagen auf über zehn Stunden. Viermal schaffte er sogar bis zu 15 Stunden. Er selbst kann zu diesen Zeiten nicht mehr befragt werden, weil er an einem Herz-Kreislauf-Versagen gestorben ist.

 

"Dann gibt's Ärger".

Dem Chef wird nicht etwa vorgeworfen, diesen Tod mitverursacht zu haben. Sein Anwalt sagte schon vorsorglich: "Wenn das jemand ernsthaft behauptet, gibt's Ärger." Im konkreten Verfahren geht es nur um einen Bußgeldbescheid in Höhe von rund 15 000 wegen Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz. Der 55jährige Geschäftsführer hat Einspruch gegen dieses Bußgeld eingelegt.

Er betrachtet sich als unschuldig. Immer wieder habe er seine Mitarbeiter darauf hingewiesen, die Stundenzahl einzuhalten. Aber er sei machtlos: "Was soll ich denn machen?" Amtsrichter Volker Ackermann entgegnete: "Dann wären sie halt kein Geschäftsführer geworden. Sie müssen ein effektives System haben, mit dem sie ihre Leute notfalls zur Freizeit zwingen."

Der Prozeß wurde gestern ausgesetzt, weil der Richter noch eine bestimmte Frage klären will. Es geht darum, ob der Projektleiter als "leitender Angestellter" der Firma zu betrachten war. Dann hätte das Arbeitszeitgesetz für ihn nicht gegolten. hb