letzte Änderung am 05. Juni 2002

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Desaster auf dem Arbeitsmarkt

Arbeitsämter nutzen ’Eingliederungs’vereinbarungen zu forcierter Ausgrenzung Erwerbsloser aus dem Leistungsbezug und bewahren rot/grün vor Anstieg der Arbeitslosenzahlen.*

Arbeitsmarkt verläßt "Talsohle"?

Einschub:

Auf der Konferenz der Arbeitsminister der "acht führenden Industriestaaten" (G 8; USA, Japan, Deutschland, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Kanada, Italien und Russland, 25.-27. April in Montreal), stellte "Minister Riester die breitgefächerten Maßnahmen zur Aktivierung des Beschäftigungspotenzials in Deutschland in das Zentrum seiner Ausführungen." [6]

Arbeitsmarktpolitik in der "Talsohle"!

Die konjunkturelle Entwicklung schlägt nicht direkt in die Zahl der offiziell Arbeitslosen durch. Das ist v.a. Aktivitäten der Arbeitsämter geschuldet, u.a.:

Mehr Druck - kaum Auswege

Äußerst perfider Wahlkampfmethoden bedient sich die Regierung. Während der Arbeitsmarkt Erwerbslosen immer weniger Erwerbsmöglichkeiten bietet, wird seit Anfang des Jahres der repressive Charakter der Arbeitsämter erhöht. Trainingsmaßnahmen und Eingliederungsvereinbarungen werden aufgezwungen, Nachweise der Eigenbemühungen abverlangt, nicht obwohl, sondern gerade weil genau dies für den einzelnen Erwerbslose immer sinnloser wird. Denn jeder, der an diesen scheinbar sinnlosen Auflagen scheitert, macht in Schröders Wahlkampf Sinn.

Doch anders als im Bundestagswahlkampf 1998, wo die SPD die Regierungsparteien dafür ’geißelte’, die Arbeitslosenzahlen im Wahljahr über Extra-ABM gesenkt zu haben, ist 2002 der Opposition das Herausdrängen tausender Erwerbsloser aus dem Arbeitsamtsbezug kein Wort wert. Konsens über Parteigrenzen hinweg, der uns Erwerbslosen für die kommende Legislaturperiode nichts Gutes verspricht. Zugleich Vorbereitung der von Grün bis CSU angekündigten Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, denn jeden, der bereits jetzt beim Arbeitsamt rausgeflogen ist, wird’s dann nicht mehr so sehr stören.

Noch mehr Ballungsräume durch "Aktive Arbeitsmarktpolitik"

"Wir haben das richtige Augenmaß bewiesen: Bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wird immer mehr in Richtung der Förderung regulärer Beschäftigung umgesteuert." Mit diesen Worten lobt sich Arbeitsminister Riester (7.5.02) und liefert Arbeitsmarktpolitik noch mehr Kapital- und Unternehmensinteressen aus.

Und noch ein Effekt: Während das Zurückfahren von ABM überwiegend in den Neuen Bundesländern erfolgt (von 55.000 Streichungen entfielen 41.000 auf die Neuen Bundesländer), geht die mehr als verdoppelte Kurzarbeit ganz überwiegend in die alten Bundesländer (205.000 von 245.000), vor allem in die Wirtschaftszentren Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und NRW (162.000). Während in den Neuen Bundesländern auf "Beschäftigungsverluste" kaum steigende Arbeitslosigkeit folgte (Abwanderung!), ging mit der Verringerung der Beschäftigungsmaßnahmen einher die Abnahme der Neuzugänge bei den Arbeitsämtern (gegenüber Vorjahr: April 2002: - 5,1 nach - 5,5 und - 6,4 % im März bzw. Februar) [14]. Während dessen steigt v.a. in Bayern und Baden-Württemberg neben der Arbeitslosigkeit auch die Zahl der voll sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, Zeichen gestiegenen Arbeitskräfteangebotes, vor allem durch Einpendeln und Zuwanderung.

ABM bewirkte, einst ’zusätzlich und gemeinnützig’, in Regionen höherer Arbeitslosigkeit eine gewisse Umverteilung von Geldern in die (ökonomische) Peripherie der BRD. "Förderung regulärer Beschäftigung", z.B. Finanzierung von Kurzarbeit in den Wirtschaftszentren der BRD, organisiert ein (weiteres) Unternehmens-Sponsoring und treibt die Arbeitskräftewanderung in diese Regionen an - mit allen längst bekannten negativen Auswirkungen für Gesellschaft und Individuum.

gg

* Tips zur praktischen Gegenwehr nebenstehend; dazugehörige Rechtsgrundlagen ausführlich in der Dezember-quer 2001 ab S. 4, bes. S. 7-9;

[1] Pressestelle des Bundesministeriums für Arbeit, 7. Mai 2002, Presse-Info Nr. 32, Bundesanstalt für Arbeit, 7.05.02;
[2] Pressestelle der BA u.a. 6.2.02, 7.05.02 sowie darauf basierende eigene Berechnung;
[3] Hochrechnungen der BA, Presseinfo Nr. 19 vom 06.03.02 sowie Presse-Info 26 vom 09.04.02;
[4] BA-Presseinfo Nr. 19;
[5] Vgl. "Eckwerte des Arbeitsmarktes", BA, Presse-Info Nr. 32, 7.05.02. Zum zurückgehenden Stellenzugang schreibt die BA: "Dieser Rückgang dürfte indes die konjunkturelle Eintrübung überzeichnen, da er wohl auch mittelbare Auswirkungen der Überprüfung der Vermittlungsstatistik widerspiegelt" - ohne nähere Begründung und Quantifizierung. Ob ’überzeichnet’ oder nicht; der Arbeitsmarkt bricht ein und ohne Jobs keine Vermittlung - quer);
[6] BMA-Pressestelle, Berlin, 27. April 2002; nächstes Treffen der G8-Arbeitsminister voraussichtlich Herbst 2003 in Stuttgart;
[7] vgl. Fußnote 5; hierzu zählen ABM, SAM, berufliche Bildung, Kurzarbeit, Überbrückungsgeld für Existenzgründer, diverse Lohnkostenzuschüsse. Die in diesen Maßnahmen wie auch die im erleichterten Bezug von Alg oder Alhi geführten Erwerbslosen (§ 428 SGB III) tauchen in der Statistik nicht mehr als "Arbeitslose" auf;
[8] vgl. BA, Presse-Info Nr. 32, "Die Entwicklung des Arbeitsmarktes", S. 7 + 12;
[9] ebd., arbeitsmarktpol. Instrumente;
[10] Frankfurter Rundschau, 10.4.02;
[11] BA Presse-Info Nr. 26;
[12] vgl. Fn. 8, S. 6 sowie "Arbeitsmarkt weiterhin schwach", S. 3;
[13] vgl. BA, Presse-Info Nr. 26;
[14] vgl. "Eckwerte des Arbeitsm.", Fn. 5.

 

Vorsicht Eingliederungsvereinbarung!

Vorgefertigte Eingliederungsvereinbarungen (EV) - ganz nach der Devise,

1.die riesige Behörde tut nichts,

2.Arbeitslose sollen springen und

3.geschiet das nicht, gibt’s den Tritt raus aus Amt und Leistungsbezug -

werden von Arbeitsämtern Erwerbslose z.Zt. zur Unterschrift vorgelegt. Doch davon, was in der Gesetzesbegründung zur EV stand ("Freiwilligkeit", "Fairness" etc.; vgl. quer Dez. 01), ist nichts übrig. Stattdessen wurde aus den SGB-III-Regeln zu Eigenbemühungen (§ 119 Abs. 5) und zur EV (§ 6) ein schematisch vorgegebener, strikt zu befolgender Anforderungskatalog mit Tabelle zum Eintrag von Eigenbemühungen gestrickt und zur Unterschrift vorgelegt. Dabei gibt das Amt beinahe nebenbei bekannt, daß Aufwendungen für Eigenbemühungen nicht erstattet werden.

Mit der Unterschrift und dem Nichterfüllen der oft sehr umfangreichen, nicht jedoch unbedingt arbeitsmarktlich zweckmäßigen Vorgaben, machen Erwerbslose die Falle jedoch erst perfekt. Denn dann wird das Arbeitsamt wegen unzureichender Mitwirkung die Geldleistung streichen!

Wir raten:

Und was ist, wenn die Leistung schon gestrichen wurde?

Erschienen in quer vom Juni 2002

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Fon: 0441/ 9558 449
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