Von Friedhofsbegrünern, Präventionshelfern und Leichenwäschern

Einwände gegen den Ansatz "Arbeit vor Sozialhilfe"*

Harald Rein

 

Viele Kommunen machen mittlerweile Gebrauch von der im Bundesozialhilfegesetz vorgesehenen Möglichkeit von "Hilfe zur Arbeit" – Projekten, mit denen SozialhilfebezieherInnen bei Androhung von Leistungsentzug ein "Anreiz" zur Arbeitsaufnahme gegeben werden soll.
Ob und wenn ja welchen Erfolg diese Maßnahmen haben, dazu gibt es kaum valide Auswertungen. Am Beispiel des Projekts "Arbeit vor Sozialhilfe" (AVS) in Frankfurt geht Harald Rein im folgenden Beitrag auf Hintergründe, soziale und beschäftigungspolitische Konsequenzen dieses Ansatzes ein.

"Das Projekt ‘Arbeit vor Sozialhilfe’ hat sich nach Einschätzung des Magistrats bewährt und soll fortgesetzt werden", so die Frankfurter Rundschau vom 10.5.1999. Nach über einem Jahr Erfahrung mit diesem Projekt stellt sich die Frage, ob dessen Zielsetzungen, "den Einstieg in den Bezug von Sozialhilfe (zu) verhindern" und "die Vermittlung in den 1. Arbeitsmarkt" zu gewährleisten (aus der Projektbeschreibung vom Februar 1998), erreicht werden konnten.

Im Folgenden zunächst zu den rechtlichen Grundlagen: Nach § 18 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) müssen grundsätzlich alle Hilfe-bezieherInnen ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhaltes für sich und ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen einsetzen. Ist dies aus subjektiven oder objektiven Gründen nicht möglich, soll das zuständige Sozialamt den HilfebezieherInnen Arbeitsgelegenheiten vermitteln oder diese selbst schaffen. Dies umfasst, neben sozialversicherungspflichtigen, aber schlechtbezahlten Tätigkeiten (sog. "Entgeltvariante" nach §§ 19.1 und 19.2, Alternative 1 BSHG), auch Arbeitsersatz-Angebote eines in Form "gemeinnütziger Tätigkeiten", ohne dass Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden (sog. "Mehraufwandsvariante" nach § 19.2, Alternative 2 BSHG). Hier bleiben die HilfebezieherInnen im Sozialhilfebezug und erhalten zusätzlich 1 – 3 DM Mehraufwandsentschädigung pro abgeleisteter Arbeitsstunde. Die gleiche Variante tritt in Kraft, wenn das Sozialamt Zweifel an der Arbeitsbereitschaft der SozialhilfebezieherInnen hat. Zwecks "Gewöhnung an Arbeit" oder "Überprüfung der Arbeitsbereitschaft" kann die Pflichtarbeit verordnet werden (§ 20 BSHG).

Mit der Kopplung der "Hilfe zur Arbeit" an den § 25 BSHG ("Ausschluss des Anspruchs auf Hilfe und Einschränkung der Hilfe") ergibt sich deren Zwangscharakter. Wer zumutbare Arbeit oder Arbeitsgelegenheiten verweigert, erhält eine 25-prozentige Kürzung der Sozialhilfe. Bei weiterer "Uneinsichtigkeit" erfolgt die gänzliche Streichung der Hilfe zum Lebensunterhalt.

 

Zur Konzeption des Projekts

Bisher wandte die Stadt Frankfurt "Hilfe zur Arbeit" in zwei, meist getrennten Formen an:

Seit Beginn des Projekts, dem 1. April 1998, soll laut Ausschreibungstext für alle NeuantragstellerInnen von Sozialhilfe durch kurzfristige Vermittlung von Arbeit der Einstieg in den Bezug von Sozialhilfe verhindert werden. Ausgenommen sind Hilfesuchende, die geistig oder körperlich nicht in der Lage sind, eine Arbeit aufzunehmen, Alleinerziehende, deren geordnete Erziehung des Kindes durch eine Arbeitsaufnahme beeinträchtigt würde, und AusländerInnen ohne gültige Arbeitserlaubnis.

Arbeitslosen, die keine Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB III (Sozialgesetzbuch) haben, wird, sofern keine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt erfolgen kann, möglichst sofort für die Dauer von zwölf Monaten ein Arbeitsplatz in Form eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses angeboten. Dies erfolgt durch die "Dezentrale Arbeitshilfe" der zuständigen Sozialstation.

Arbeitslose, die neben der Sozialhilfe voraussichtlich Leistungen nach dem SGB III beanspruchen, werden an die "Zentrale Arbeitshilfe" (mit Sitz im Arbeitsamt) überwiesen. Wer die Arbeitsaufnahme verweigert, dem wird als "Bewährung" durch die Dezentrale Arbeitshilfe eine Maßnahme nach § 20 BSHG zugewiesen. Bei fortgesetzter Arbeitsverweigerung findet der genannte § 25 BSHG Anwendung.

Auf diese Weise wurden bis zum 1. April 1999 ca. 600 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. Nur ein kleiner Teil davon konnte in Kooperation mit privaten Firmen realisiert werden. Gezahlt wird für 30 Arbeitsstunden pro Woche nach einem Sondertarif der Werkstatt Frankfurt. Das Projekt "Arbeit vor Sozialhilfe" wird zu 100 Prozent aus dem Sozialhilfeetat finanziert.

Laut Lutz Klein, zuständiger Koordinator der Stadt Frankfurt für das Projekt, gab es zwischen dem 1.4.1998 und dem 31.3.1999 genau 6.119 AntragstellerInnen auf Sozialhilfe, von denen nur 37 Prozent für AvS in Frage kamen. Die überwiegende Mehrheit stand aufgrund gesundheitlicher, altersmäßiger, familiärer, ausländerrechtlicher oder sprachlicher Probleme dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Von 1.450 AntragstellerInnen (die keinen zusätzlichen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB III hatten) erhielten 610 einen einjährigen Arbeitsvertrag bei einem Beschäftigungsträger bzw. Kooperationspartner, 149 befanden sich in einer Warteschleife (Weiterbildung, Kurs, Trainingsmaßnahme etc.), und 90 konnten direkt in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Rund 32 Prozent (470 von 1.450 Personen) verzichteten auf einen Antrag und erhielten somit auch keine Sozialhilfe. In wie vielen Fällen die Arbeit abgebrochen wurde oder aufgrund von Arbeitsverweigerung Sozialhilfekürzungen erfolgten ist nicht ausgewiesen.

 

Hintergründe kommunaler AVS-Projekte

Die Zunahme der Bedeutung von Einsätzen nach den Richtlinien der "Hilfe zur Arbeit" steht in direktem Zusammenhang mit der Abnahme von existenzsichernden Arbeitsplätzen im 1. Arbeitsmarkt. So verminderte sich im Arbeitsamtsbezirk Frankfurt die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten zwischen 1990 und 1995 um ca. 10.000 (- 17 Prozent), mit steigender Tendenz.

Im August 1999 wurden offiziell ca. 45.000 Arbeitslose registriert, davon waren knapp 38,4 Prozent länger als ein Jahr arbeitslos. Hauptursache für den Anstieg der Zahl der SozialhilfebezieherInnen ist Arbeitslosigkeit. 1993 kamen aus diesem Spektrum 41 Prozent aller Haushalte, die "Hilfe zum Lebens-unterhalt" (HLU) bezogen.

Das Nichtvorhandensein einer genügenden Anzahl existenzsichernder Arbeitsplätze und der zwangsläufige Anstieg der Sozialhilfekosten fungieren als Legitimation dafür, in Städten und Landkreisen neue "Hilfe zur Arbeit"-Projekte einzurichten. Denn für die Kommunen stellt sich die Frage, wie die Sozialhilfekosten reduziert bzw. wie die BezieherInnen von HLU aus dem kommunalen Leistungsbezug hinausgedrängt werden können.

Nach einer Hochrechnung des Deutschen Städtetages haben die Kommunen 1998 mehr als 300.000 SozialhilfeempfängerInnen allein im Rahmen der §§ 19 und 20 BSHG beschäftigt; dies bedeutet gegenüber 1996 eine Steigerungsrate um 50 Prozent.

Am Projekt "Arbeit vor Sozialhilfe" gibt es im wesentlichen drei Kritikpunkte:

Sparen durch Arbeitszwang und Abschreckung

Trotz aller Beteuerungen der maßgeblich Verantwortlichen hinsichtlich des enormen Arbeitswillens und der positiven Motivation der beteiligten SozialhilfebezieherInnen werden die angebotenen Stellen mit Sanktionsgewalt durchgesetzt. Wer, aus welchen Gründen auch immer, einen Arbeitsplatz ablehnt, wird entweder direkt aus "Bewährungsgründen" zum Laub fegen in den Park geschickt, oder erhält die erwähnte 25-prozentige Kürzung seiner Sozialhilfe – bzw. bei nochmaliger Weigerung – eine gänzliche Streichung der Hilfe zum Lebensunterhalt. Die mit Arbeitszwang verbundenen "Hilfe zur Arbeit"-Maßnahmen erfüllen hierbei mehrere Funktionen:

Der sozialhilferechtliche Arbeitszwang passt in das von PolitikerInnen sowie VertreterInnen von Wirtschaftsverbänden und Medien geschaffene Klima, nach dem das Recht auf soziale Unterstützung auch Pflichten gegenüber der Gemeinschaft bedeute. Bereits seit einigen Jahren sind bestimmte BürgerInnenrechte (etwa das Recht, seinen Beruf, seinen Arbeitsplatz oder seinen Ausbildungsplatz frei wählen zu dürfen) für Erwerbslose und SozialhilfebezieherInnen eingeschränkt. Erklärtes Ziel ist es dabei auch, Menschen in schlechterbezahlte Arbeit zu zwingen.

Der Arbeitszwang unterstreicht aber auch die in der Öffentlichkeit weit verbreitete Meinung vom Faulenzertum der von Sozialhilfe Abhängigen. Es wird der Eindruck erweckt, als müssten diese mit dem Instrumentarium des Zwanges zur Arbeit angehalten werden. Um welche Arbeit es sich dabei handelt, wie diese bezahlt wird und welche weiteren beruflichen Perspektiven sich daraus ergeben, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Alles muss angenommen werden, auch wenn es der größte Unsinn ist.

Schließlich kann die Kommune nach außen hin deutlich machen, dass etwas für die Arbeitslosen getan wird. Da jede Arbeit als zumutbar gilt, unterstreicht der drohende Sozialhilfeentzug die Unmöglichkeit für den Einzelnen, sich gegen solcherart Arbeits"angebote" zu wehren.

Dennoch gibt es SozialhilfebezieherInnen, die bei drohender Zwangsverpflichtung erst gar keine Sozialhilfe beantragen oder erzwungene Arbeitsplätze nach kurzer Zeit wieder verlassen. Hier liegt der eigentliche Wert des § 25 BSHG für die Kommune. Untersuchungen in verschiedenen Städten haben ergeben, dass bei striktem Gebrauch des § 25 etwa 20 – 30 Prozent der betroffenen BezieherInnen von Sozialhilfe aus dem Sozialhilfebezug herausgedrängt werden oder erst gar nicht hineinkommen – ein enormes Sparpotential.

Bereits 1982 ließ der damalige Sozialsenator Ulf Fink ausrechnen, dass die Stadt Berlin 4,5 Millionen DM jährlich sparen könnte, wenn 500 SozialhilfebezieherInnen auf ihre Hilfe verzichteten.1 1997 konnte die Stadt Lübeck durch "konsequenten Kampf für Beschäftigung" rund 11 Millionen DM Sozialhilfekosten einsparen (FAZ, 27.5.1997)

Und auch Frankfurt hat in diesem Zusammenhang bereits Erfahrungen gesammelt: 1996 vermittelte das Sozialamt vermehrt HLU-BezieherInnen in Zeitarbeitsfirmen. Deren Gehälter sind offenkundig eine solche Zumutung, dass von Seiten des Sozialamtes für ein halbes Jahr ein Zuschuss von 275 DM monatlich gezahlt wird – für die Stadt Frankfurt immer noch ein lukratives Sparmodell: Von 1.115 Angeschriebenen lehnten 685 Personen ab. 205 Personen erhielten eine Kürzung der Sozialhilfe, während sie 480 Personen ganz gestrichen wurde. Einsparung: 8,64 Millionen DM (FAZ, 24.4.1997).

Der öffentlichen Stellungnahme der in Frankfurt/M. zuständigen Stelle für "Arbeit vor Sozialhilfe", Geld habe die Stadt durch das Projekt nicht gespart (FR vom 10.5.1999), stehen 470 Personen gegenüber, die auf ihren möglichen Anspruch auf Sozialhilfe verzichteten. Kein Sparvolumen?

Sparen durch Prekarisierung öffentlicher Stellen

In einem Werbeprospekt an potentielle Arbeitgeber schreibt die Stadt Frankfurt: "Im Mittelpunkt dieses Projektes steht der arbeitssuchende Bürger, sein beruflicher Werde-gang, seine Qualifikation, seine Stärken und Schwächen."

Sieht man sich die aktuell geschaffenen Arbeitsstellen genauer an, so kann man nicht umhin festzustellen, dass es sich um eine ziemlich einseitige berufliche Auswahl handelt, nämlich in den Bereichen Ordnung und Sauberkeit. Hinzu kommen Tätigkeitsfelder für ungelernte Büro- oder Handwerksjobs. Unter dem Motto "Die Stadt soll sauberer und sicherer werden", durchkämmen sogenannte Präven-tionshelfer als "sprechende Augen" die Stadt (sie sollen in Parks und Grünanlagen zum Einsatz kommen, Schäden melden und den BürgerInnen "Hilfe und Unterstützung bieten"; FR, 12.5.1998), oder sie reinigen verdreckte Bahnhöfe, werden in Behörden als "Mädchen für alles" eingestellt, sollen Pflanzen pflegen, Akten ordnen oder Leichen waschen usw. Alles Berufe mit Zukunft? Bei sieben Millionen fehlenden existenzsichernden Arbeitsplätzen ist es kein Wunder, dass es sich hier um Handlangerdienste im Niedriglohnbereich handelt. Ob sich daraus für den Einzelnen eine berufliche Perspektive entwickeln kann, ist sehr zu bezweifeln – allenfalls als "working poor", mit Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe. Ebenfalls zu bezweifeln ist, ob bei diesem Angebot an Arbeitsstellen tatsächlich vom bisherigen beruflichen Werdegang des Betroffenen ausgegangen wird oder ob die Leute nicht willkürlich in freie Arbeitsstellen (Qualifikation unerheblich) hineingezwungen werden.

Zu berücksichtigen sind des Weiteren neueste Untersuchungsergebnisse über Lebensläufe von SozialhilfebezieherInnen, nach denen nur 10 Prozent keinen Schulabschluss haben, 61 Prozent einen Hauptschulabschluss besitzen und 83 Prozent sogar eine Lehre abgeschlossen haben. Von schlechter Grundqualifikation kann somit keine Rede sein. Und auch die Tatsache, dass rund 55 Prozent der Sozialhilfeberechtigten KurzzeitbezieherInnen bis zu maximal einem Jahr sind, zeigt deutlich, dass die Mehrzahl der Betroffenen selbst den Weg aus der Sozialhilfe findet.

Die Zwangseinweisung in dubiose Beschäftigungsfelder ist für diesen Personenkreis kontraproduktiv. Zu beachten bleibt schließlich, dass es durch das Projekt "Arbeit vor Sozialhilfe" nicht zu einer Einsparung von kommunalen Planstellen kommt. Denn schon 1984 konnte der Stadt Frankfurt nachgewiesen werden, dass sie durch die Verdopplung des Einsatzes von PflichtarbeiterInnen die Planstellen für Beschäftigte besonders in den städtischen Betrieben, in denen diese PflichtarbeiterInnen eingesetzt wurden, deutlich reduziert hat (- 175 Stellen).2 Jeder 20. Arbeitsplatz ging in diesen Bereichen verloren. Etwa im Sport- und Badeamt (Verlust 1980-1984: 20 Stellen, im gleichen Zeitraum Vermittlung von 50 – 60 PflichtarbeiterInnen) oder im Friedhofs- und Bestattungswesen (Verlust 1980-1984: 23 Stellen, gleichzeitige Vermittlung von 40 PflichtarbeiterInnen). Leider existieren keine aktuelleren Zahlen, aber es ist davon auszugehen, dass besonders bei der Stadtreinigung und in der Grünpflege reguläre Arbeitsstellen durch solche Formen prekärer Beschäftigung ersetzt wurden.

Ein ähnliches Beispiel stammt aus dem benachbarten Darmstadt. Dort deckte 1999 die "Fraktion für eine offene Stadt" auf, dass im Bereich Grünflächenerhaltung des Gartenamtes in den vorangegangenen drei Jahren zehn tariflich regulär bezahlte Arbeitsplätze (nach dem Stellenplan der Stadt), nicht mehr zur Besetzung gelangten und z.B. in den städtischen Parkanlagen die anfallenden Arbeiten von zur gemeinnützigen Arbeit verpflichteten SozialhilfebezieherInnen erledigt wurden.

Sparen durch Splitting

Für die Stadt Frankfurt rechnet sich das Projekt auch dadurch, dass nach zwölf Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben wird, also keine HLU mehr in Anspruch genommen werden muss. Allerdings ist damit nicht in jedem Fall ein Ende der Sozialhilfebedürftigkeit verbunden. Ein Ausstieg aus dieser ist immer abhängig von der Höhe der zuvor gezahlten Löhne:

So betrug das Einstiegsgehalt für AvS-MitarbeiterInnen (ohne Kind) 1999 – nach dem Tarif der "Werkstatt Frankfurt" – 2.002 DM brutto im Monat (ca. 1.500 DM netto). Nach Ablauf des einjährigen Arbeitsvertrages bekommt ein Lediger mit Steuerklasse 1 also sechs Monate Arbeitslosengeld in Höhe von 891 DM und danach Arbeitslosenhilfe in Höhe von 787 DM. Sein Sozialhilfeanspruch beträgt rund 1.500 DM (bei einer durchschnittlichen Miete von 900 DM und anteiligem Kleidergeld). Das heißt: Auch mit Erwerb eines Arbeitslosengeldanspruches ist diese Person auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen. Liegt der durchschnittliche Mietaufwand höher, ist davon auszugehen, dass sogar während der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit als AvS-MitarbeiterIn ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht.

 

Zusammenfassung und politische Forderungen

Auch wenn das Projekt "Arbeit vor Sozialhilfe" im Einzelfall den beruflichen Werdegang unterstützen kann, ist es aus den vorgenannten Gründen abzulehnen.

Und auch immanent kann das Projekt seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden. Weder gelingt es, Sozialhilfeabhängigkeiten abzuschaffen, noch kann von einer durchgehenden Integration ehemaliger AvS-Beschäftigter in den ersten Arbeitsmarkt gesprochen werden. Es dürfte interessant sein, zu welchen Einschätzungen die von der Stadt Frankfurt finanzierte Evaluationsstudie kommen wird. Skepsis, was die Aussagekraft der Ergebnisse im Hinblick auf dauerhafte und existenzsichernde Arbeitsplätze betrifft, ist angesagt. Denn aussagekräftige Langzeituntersuchungen über die Wirksamkeit öffentlich geförderter Beschäftigung für SozialhilfebezieherInnen sind rar. Nur so ist es zu erklären, dass eine Studie über die etwaigen Integrationserfolge von "Hilfe zur Arbeit"-Maßnahmen folgendes Resümee zieht: "Zu einer Kosten/Nutzen-Analyse gehört es auch, möglichst flächendeckend eine Evaluation zum Verbleib der TeilnehmerInnen nach Abschluss von "Hilfe zur Arbeit"-Maßnahmen vorzunehmen. Solche Untersuchungen sind bislang immer noch die Ausnahme; wo sie vorliegen, ermöglichen sie überdies meist nur Aussagen über den kurzfristigen Verbleib. Mittel- und langfristige Einschätzungen zur Wirkung der Maßnahmen sind somit kaum möglich."3

Das Frankfurter Treffen von Initiativen aus dem Bereich Erwerbslosigkeit, Sozialhilfe und Obdachlosigkeit, auf dem die diesem Beitrag zugrunde liegenden Überlegungen und Analysen diskutiert wurden, einigte sich auf folgende Forderungen:

 

Anmerkungen

* Dieser Beitrag basiert auf einem Grundsatzpapier, das im August 1998 für eine öffentliche Diskussionsveranstaltung des "Frankfurter Sozialbündnis’" verfasst, und für den express aktualisiert wurde.

1 nach: H. Hartmann: "Die Praxis der Hilfe zur Arbeit nach dem BSHG", 1984
2 siehe: Sozialpower (Hg.): "Zwangsarbeit im Aufschwung", 1984
3 Böckmann-Schewe, L./ Röhrig, A.: "Hilfe zur Arbeit", Düsseldorf 1997, S. 38)

Dieser Artikel ist erschienen in express 1/2000

 


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