letzte Änderung am 19. Nov. 2002

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Angriffe auf arbeitende Bevölkerung stoppen!

DGB-Ortsverband Weinheim: Hartz-Pläne sind nur Anfang umfangreicher Verschlechterungen / Jürgen Gulden führt kommissarisch den Vorsitz

(mh) Lebhaft diskutiert wurde beim DGB-Ortsverband Weinheim über die Pläne der Rot-Grünen-Bundesregierung zur Deregulierung des Arbeitsmarktes, welche in der Öffentlichkeit als Hartz-Konzept bekannt sind. Nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden Matthias Hördt beinhalte dies im wesentlichen genau das was auch die Regierung Kohl mehrfach umsetzen wollte, nur mit dem Unterschied, dass nun SPD und Grüne den Kahlschlag bei der sozialen Sicherheit der Bevölkerungsmehrheit als ihr wichtigstes Ziel auserkoren hätten und dabei auf Unterstützung der Gewerkschaftsspitzen bauen könnten.

"Nicht die Arbeitslosigkeit würde bekämpft, sondern wiederholt Rechte und Existenzfähigkeit der Betroffenen" meinte Jürgen Gulden, der nach dem Tod von Bernhard Feuling bis zur nächsten Hauptversammlung im Februar den Vorsitz führen wird. "Nach dreißig Jahren Erfahrung mit der Verschärfung der so genannten Zumutbarkeitskriterien" so Gulden weiter, "müsse es doch in den einfältigsten Politikergehirnen angekommen sein, dass auf diese Art und Weise nicht die Arbeitslosigkeit verringert werden könne". Da die Politiker nach seiner Erfahrung auch nicht ganz so dumm seien, könne der wahre Grund also nur darin liegen, dass mit verschärftem Druck auf Arbeitslose die Leistungs- und Opferbereitschaft der noch Beschäftigten erhöht werden solle. Schlimm sei dabei, dass viele Beschäftigte und Betriebsräte der Erhöhung des Leistungsdrucks zustimmten, obwohl sie damit schon mittelfristig ihren Arbeitsplatz und ihre Gesundheit ruinieren würden.

Karl Schrödelsecker von der Projektgruppe Arbeitslosigkeit der IG Metall Mannheim berichtete in diesem Zusammenhang vom geplanten "Bridge-System", welches der Öffentlichkeit wenig bekannt sei, und eine Brücke in die Altersarmut für Arbeitslose bedeute. Der Grundgedanke des Bridge-Systems, wonach Arbeitslose ab dem 55. Lebensjahr auf eigenen Wunsch aus der Betreuung der Jobcenter heraus genommen werden könnten sei zwar gut, aber dafür sollen diese Menschen eine Verminderung des Arbeitslosengeldes um bis zu 50% hinnehmen. Wer das Bridge-System in Anspruch nehme soll zudem ab dem 60. Lebensjahr in eine dann nochmals um 18 Prozent verringerte Rente gehen.

Die Hartz-Kommision gefährdet nach Ansicht von Matthias Hördt insgesamt die Demokratie. Es könne nicht angehen, dass ein handverlesener Zirkel so genannter Experten ein Papier veröffentliche, welches dann durch die Regierungsparteien ohne Diskussion Gesetz werden soll. Da die Arbeitslosen eine Gruppe ohne besondere Lobby seien, werde hier ausprobiert, ob es Widerstand gegen diese Form der Politik gebe. Wie es sich abzeichne, soll es nach erfolgreicher Durchsetzung in ähnlicher Form gegen Alte und Kranke weitergehen.

Ein gefährliches Signal wäre die Abschaffung des Günstigkeitsprinzips. Demnach sollen Gesetze die eigentlich für alle gelten, zukünftig durch Tarifverträge ausgehebelt werden können. Das sei bisher im Baugewerbe und bei Putzkräften möglich. Dies widerspreche dem bürgerlichen Recht, denn Gesetze gelten für alle und dürften nicht durch Verträge einiger Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter außer Kraft gesetzt werden können. Die bisherige Ausnahme solle nun zur Regel werden. Dies bedeute den Anfang vom Ende bürgerlicher Rechtsverhältnisse. Wo dies schon einmal endete wisse man.

Schließlich weise auch der angestrebte Umbau des Ausbildungssystems durch ein Ausbildungszeit-Wertpapier  in die falsche Richtung. So sollen Eltern zum Ansparen auf eine Berufsausbildung ihrer Kinder verpflichtet werden. Künftig würden nicht mehr Unternehmen und Staat die Ausbildung verantworten, sondern der gesamte Sektor der beruflichen Ausbildung werde den Gesetzen des Marktes unterworfen, der schon in vielen anderen Fällen seine Unfähigkeit bewiesen habe.

Das wirklich einzig wirksame Mittel zum Abbau der Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung immer weiterer Gruppen aus der Gesellschaft sei eine solidarische Verteilung der Arbeitszeit und die Einbeziehung aller Einkommensarten ohne Beitragsbemessungsgrenzen in die sozialen Sicherungssysteme. Weiter dürfe nicht weiter geglaubt werden, dass mehr Exporte und mehr Wachstum unsere Probleme lösen könnten. Damit würden Armut und Perspektivlosigkeit nur für eine kurze Zeit mitexportiert, kämen aber schneller und massiver zurück, wie die weltpolitischen Verwerfungen regelmäßig dokumentieren.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Hördt

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