letzte Änderung am 14. Okt. 2002

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Special zum Hartz-Konzept

im Vorabdruck aus der kommenden Ausgabe der quer vom Oktober 2002

 

Inhalt:

1. Die Wahl, der Käse und das Kuckucksei. Artikel zu Ergebnis und Perspektive nach der Bundestagswahl von Guido Grüner/Rainer Timmermann

2. Das Hartz-Papier - was meint was? Übersicht über einen Großteil der Elemente des Hartz-Konzeptes von Guido Grüner / quer

3. Szenen auf dem Arbeitsamt. Von Michael Bättig

4. Zum politischen Erfolg des Peter Hartz. Von Guido Grüner

5. Die Einebnung der Lohnersatzleistungen – oder wie die ‘Hartz-Reform’ weitere Einschnitte in die Arbeitslosenversicherung vorbereitet. Von Guido Grüner

6. Abbau der Arbeitslosigkeit? aus: Daniel Kreutz, Bewertung der Ergebnisse der Hartz-Kommission vom 22.08.02


1. Die Wahl, der Käse und das Kuckucksei

Der Urnengang ist vorbei und jetzt wissen wir, dass uns weiter rot-grüne statt schwarz-gelbe Niedriglohnpolitik ins Haus steht. Zwar hatte die Schröder-Regierung in den vergangenen Jahre nichts gegen Massenerwerbslosigkeit und Armut getan, doch genug dafür, die rot-grüne Parlamentsmehrheit auf einen Vorsprung von neun Sitzen und die Zahl der SPD-Wählerschaft um ca. 2 Mio. zu drücken. Starke Einbrüche insbesondere bei gewerkschaftlich organisierten Arbeitern und bei Arbeitslosen konnten durch geringe Zugewinne bei Auszubildenden und anderen JungwählerInnen sowie etwa gleichbleibende Unterstützung bei Beamten und RentnerInnen nicht ausgeglichen werden (Infratest dimap). Umgekehrt konnten CDU/CSU zwar gerade bei Arbeitern (+ 9%) und Arbeitslosen (+ 8%) starke Stimmengewinne erzielen, weil es der CSU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Stoiber geschickt verstand, die Bundesregierung in seinen Reden populistisch als Sachverwalterin der Interessen der großen Konzerne anzugreifen. Für einen Machtwechsel reichte dies jedoch nicht, denn vor allem in Nord- und Ostdeutschland wurde Stoiber auch nach mehreren Weichspülgängen noch als bayrischer Traditionalist und Rechtsausleger wahrgenommen. Zudem konnte die rot-grüne Bundesregierung an solche Stimmungen auch durch die von ihr am Schluss des Wahlkampfs organisierte Fluthilfe und eine aus dem Hut gezauberte Anti-Kriegs-Stimmung besonders in Ostdeutschland anknüpfen.

Dabei dürfte gerade der Anti-Stoiber-Effekt die SPD vor weiteren Einbrüchen bewahrt und auch bisherige PDS-WählerInnen zur Stimmabgabe für das "kleinere Übel" bewegt haben; Infratest dimap zählt einen Zugewinn der SPD zu Lasten der PDS in Höhe von 300.000. Der PDS-Wahlslogan "Arbeit soll das Land regieren" ist wohl symptomatisch dafür, daß sich diese in den von verheerender Massenarbeitslosigkeit, Deindustrialisierung und Bevölkerungsabwanderung gekennzeichneten Regionen und schon gar nicht der breiten Öffentlichkeit als Repräsentant politischer Alternativen und gesellschaftlicher Perspektiven präsentieren konnte. Auch der beinharte Sparkurs in den auch unter Beteiligung der PDS regierten Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Berlin und die Profillosigkeit ihrer Politik in diesen Landesregierungen wirkten sich gerade in diesem Zusammenhang im Osten zu Lasten der PDS aus.

Klar ist, der alte Kanzler wird der neue Kanzler. Die zunächst offen erscheinende Frage nach seinen Komparsen - sorry - MinisterInnen wird mit der Präsentation von Wolfgang Clement (SPD) für ein zukünftig einheitliches Ressort für Wirtschaft und Arbeit an einem wesentlichen Punkt beantwortet. Die ’Allgemeinverbindlichkeit von Leiharbeit’ statt der Allgemeinverbindlichkeit kollektiven Arbeitsrechts, der Tarifverträge, dürfte damit ein großes Stück näher gekommen sein.

Doch Personalien sind letztlich Marginalien. Wesentlicher wird, ob bei nun knapperer rot-grüner Mehrheit Arbeitsmarkt-Umbau á la ’Hartz’ wirklich bruchlos zum Regierungsprogramm erhoben und in Gesetz und Verordnung gegossen werden kann und ob die Zustimmung der Gewerkschaftsspitzen vor der Wahl zum Kuckucksei wird, das Arbeitnehmer in den Jahren und Jahrzehnten nach der Wahl werden verdauen müssen?

Einiges spricht dafür:

Und zugegeben:

Politisch geschickt eingefädelt war die Zustimmung der organisierten Arbeitnehmerschaft zur radikalen Liberalisierung des Arbeitsmarktes durch die Einsetzung der Hartz-Kommission im Wahljahr allemal. Die Erwartung des Regierungslagers bestätigte sich, wonach die personell eingebundenen Gewerkschaften - ob nur als Einzelpersonen, wie die einen behaupten, oder als VertreterInnen der Beschäftigten der Nürnberger BA, wie aus ver.di verlautet, sei dahingestellt -, sich vor der Wahl niemals gegen Schröders Kanzlerwahlverein oppositionell aufstellen würden. Und auch nach der Wahl drohen sie im Schulterschluß mit den Arbeitsmarktmodernisierern aus der Vorwahlzeit zu verharren. Denn ein eigenes politisches Konzept haben sie ja nicht. Und die Karte einer Mobilisierung der Gewerkschaftsbasis gegen die Regierungspolitik können sie schon deshalb kaum spielen, weil führende GewerkschafterInnen weiter auf auf rot-grüne Reformen setzen. Doch reicht das aus, um Billigstlöhnen bei den geplanten PersonalserviceAgenturen (Arbeit gegen Arbeitslosengeld), der Bekämpfung Erwerbsloser durch gesenkten Leistungsbezug bei höheren Zugangsvoraussetzungen, ihre systhematische Ausgrenzung durch medizinische Kontrollen beim Arbeitslosengeld II, und, und, und … den Durchbruch zu verschaffen?

Ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Position abhängig Beschäftigter wäre die Absage der Gewerkschaften an die Kanzler-Politik, dem gewählten Parlament von mit Lobbyisten der Großbetriebe gespickten Kommissionen politische Vorgaben machen zu lassen. Und auch heute können sich Parlamentarier nicht drauf herausreden, dass die Gesetze im VW-Vorstand verabschiedet würden. Das Hartz-Papier ist zwar politisch überdeutlich, aber immer noch kein Gesetz. Mit der knappen Regierungsmehrheit hat jede Parlamentsstimme erhöhtes Gewicht.

Ob wir das nutzen können, wird von der gewerkschaftlichen und von unserer eigenen Organisations- und Überzeugungsfähigkeit abhängen. Die Erfolge, die attac und andere radikale GegnerInnen neoliberaler Politik in letzter Zeit bei der Durchführung von Veranstaltungen und Demonstrationen hatten und der Zulauf an TeilnehmerInnen dabei zeigen deutlich, dass es durchaus Chancen für eine soziale Bewegung gibt, die sich nicht mit rot-grünen Reförmchen und einer windelweichen Ja-aber-Opposition gegen einzelne Teile regierungsamtlicher Spar- und Ausgrenzungspolitik begnügen will. Und eine Regierung, deren WählerInnen nach einer Meinungsumfrage von infratest dimap für die ARD die Herstellung sozialer Gerechtigkeit als wichtigstes (SPD-WählerInnen) bzw. zweitwichtigstes (Grünen-WählerInnen) Entscheidungskriterium nach dem Umweltschutz für ihre Wahlentscheidung benennen, ist gegen eine radikale Kritik von links bestimmt auch nicht unempfindlich.

Inwieweit dabei z.B. die fundamentale Opposition gegen das Hartz-Konzept oder die erfolgreiche Detailkritik der erfolgversprechendere Weg sein werden, gilt es politisch klug abzuwägen. Manches spricht dafür, dass es nicht mehr möglich ist, das Harz-Konzept insgesamt zu verhindern, insbesondere die im Wahlkampf hervorgehobene Bedeutung des Konzepts als das Allheilmittel der Regierung zur Reduzierung der Arbeitslosenzahlen um ca. 2 Millionen Menschen. Dies würde einen Verzicht auf die Umsetzung des Konzepts wohl als politischen Offenbarungseid der Bundesregierung erscheinen lassen. Daher spricht der gegenwärtige Zeitpunkt der öffentlichen Diskussion - nachdem die Kommission ihre Ergebnisse beim Kanzler abgeliefert hat - sicher eher für eine gezielte Kritik des Hartz-Papiers und seiner einzelnen Elemente, um Schlimmeres zu verhindern und um über die Unsinnigkeit von Arbeitsmarktreformen aufzuklären, die das Problem von 5 bis 6 Mio. fehlenden Arbeitsplätzen einfach ausklammert. Doch wie auch immer diese, unsere Wahl ausfällt - das Ergebnis sollte allemal besser sein, als rot-grün und die Spitzen von Beschäftigungsgesellschaften, Sklavenhändlern und Gewerkschaften das Kuckucksei ungestört ausbrüten zu lassen, das uns die Hartz-Kommission für die nächsten Jahre ins Nest gelegt hat.

Guido Grüner/Rainer Timmermann


2. Das Hartz-Papier - was meint was?

Das Hartz-Papier zu "Modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" sollte nicht leitfertig als Wahlkampfgetöse abgetan werden. Zu sehr steht es in der Tradition, das Fortbestehen von Dauer- und Massenarbeitslosigkeit dazu zu nutzen, arbeitslosen Arbeitnehmern die Hürden vor dem Bezug von Lohnersatzleistungen immer höher zu hängen, die Arbeitslosenversicherung als stabilisierendes Element auf dem Arbeitsmarkt zu entwerten und zum Selbstbedienungsladen für Arbeitgeber zu machen. Zudem beeilte sich G. Schröder sowohl unmittelbar nach dessen Veröffentlichung, wie auch nach der Wahl zu betonen, das Hartz-Konzept solle "eins zu eins" umgesetzt werden [1]. Ein Papier also, das uns betrifft - und betroffen macht. Dennoch: sich wehren kann nur, wer mitreden kann. Daher jetzt: Das Hartz-Papier - was meint was? - zusammengestellt in Worten des Berichtes der Kommission über "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vom 16.08.02. (Seitenangaben im Text weisen auf die Fundstellen bei ‘Hartz’ hin)

Job-Center (S. 65 ff.)

Das JobCenter ist für alle AG und Erwerbsfähigen einer Region zuständig und soll mit höchster Priorität eingeführt werden. Hier werden alle Informations-, Beratungs- und Betreuungsleistungen organisiert und durch ein gemeinsames Schnittstellenmanagement koordiniert. Das Sozialamt bringt seine bisherigen Beratungsleitungen dazu ein (z.B. Gesundheits- oder Schuldnerberatung). Welche Leistung in welchem JobCenter erbracht wird, entscheidet die [BA-neu].

Konzept:

Integration der Vermittlung mit Information, Beratung und Betreuung zur Entlastung der Kernaufgaben im Vermittlungsprozess.

Aufgaben:
Definitionen und Vokabeln rund um das Job-Center:

Arbeitssuchende werden unterteilt in:

Dabei erfolgt eine organisatorische Differenzierung nach übergeordneten Bewerbermerkmalen (z.B. Jugendliche, Job-Familien) abhängig von Größe des JobCenters oder regionalem Arbeitsmarkt (Stadt/Fläche), die auf eine zielgruppenspezifische Ausrichtung der Prozesse im JobCenter entsprechend der Segmentierung der Arbeitssuchenden (Kundengruppen) hinausläuft.

Bei kundenabhängiger Intensität des Profilings werden nach einem Eingangsprofiling beim bedarfsweise durchgeführten Tiefenprofiling harte Kriterien (Jobhistorie) und Soft Skills (Motivation, Teamfähigkeit, Flexibilität) erhoben. Neben dem Stellenprofil wird das Wunsch- oder Ziel-Profil des Bewerbers erfasst, wobei die Möglichkeit für AG, zukünftig Stellen für bestimmte Befähigungen oder Jobfamilien auszuschreiben, wiederum ein Matching zwischen benachbarten Qualifikations- und Branchenbereichen, somit Migrations- und Besetzungspfade innerhalb von Job-Familien ermöglicht.

Die Kodierung der Bewerber- und Stellenprofile entfällt zugunsten der Beschreibung der Job-Familie.

Die Hauptachse der Prozesskette im JobCenter wird von Clearingstelle, Fallmanager (Betreuung des Arbeitslosen, ggf. Wiederherstellung der Beschäftigungsfähigkeit), Vermittler (Matchingprozess) und PSA (Erklärung weiter unten im Text) gebildet. Ziel ist, die angebots- und nachfrageseitige Vermittlung aufeinander abzustimmen.

Die Clearingstelle organisiert die Kundensteuerung über Eingangsprofil und Entgegennahme von Unterlagen. Hier sitzen Generalisten mit guten sozial-kommunikativen Fähigkeiten.

Ihre Aufgaben:

Der Fallmanager erstellt oder veranlaßt für Betreuungskunden das Tiefenprofiling und die Eingliederungsvereinbarung und organisiert die erforderlichen Maßnahmen zur Abklärung und Förderung der Integrationsfähigkeit mit den Vermittlern, weiteren Fachkräften des JobCenter und der PSA.

Vermittler aquirieren freie Stellen und matchen freie Stellen und Bewerber.

Sie sollen

Sie tragen im Matching-Prozess Ergebnisverantwortung und verfügen über individuelle Aktionsbudgets, um über Integrationsmaßnahmen, die an individuellen Hemmnissen des Arbeitnehmers ansetzen, selbständig entscheiden zu können.

Das JobCenter wird architektonisch offen gestaltet mit vielfältigen Informations- und Erlebniselementen (Job-Ticker, Info-Terminals, BIZ, Internet-BAr, Cafe/Bistro, Ausstellungsfläche).

Mobile oder stationäre Außendienste (Job-Boutiquen, z.B. in Einkaufszentren) können alle Kundengruppen nutzen.

Der Kunde Arbeitgeber soll besondere Aufmerksamkeit genießen. Ihm wird vom Vermittler ein angepaßtes Serviceprofil entwickelt und eine qualifizierte Bewerbervorauswahl getroffen. Ggf. werden bereits erste Bewerbungsgespräche geführt, worauf weitere Bewerbergespräche bei dem AG ggf. unter Beteiligung des Vermittlers folgen.

Großunternehmen erhalten feste Ansprechpartner, überregionale Großunternehmen werden im Rahmen des Key Account Management durch KompetenzCenter betreut, wobei die JobCenter und PSA die operativen Aufgaben leisten. Branchenspezifische Teams betreuen kleine und mittlere Unternehmen.

Freiheit der Wahl bei eindeutigen und transparenten Spielregeln:

Niemand ist gezwungen, eine angebotene Stelle anzunehmen, in die PSA einzutreten oder an einer Maßnahme zur Intgrationsförderung teilzunehmen. Doch wer von den JobCenter-Angeboten Gebrauch macht, muß auch Eigenaktivitäten zeigen und kann dann auch Geldleistungen auslösen. Bei - trotz intensiver Klärung der Situation und der geeigneten Handlungsoptionen - mangelhaften Eigenbemühungen wird das JobCenter in angemessener und differenzierter Weise seine Leistungen reduzieren oder schließlich einstellen. Hier steht ein qualifiziertes Beschwerdemanagement dem Arbeitslosen bei Regelverstößen des JobCenters neben oder vor der Sozialgerichtsbarkeit offen.

Eine Ausstiegsoption wird eingeführt, bei der bis längstens 5 Jahre ein (Wieder)- Einstieg in den Arbeitsmarkt bzw. die Leistungen des JobCenters möglich ist. Diese Option gilt nicht bei Unterbreitung eines zumutbaren Jobs.

Zu den Sperrzeiten sollen je nach Tatbestand Abstufungen oder die Minderung der Höhe der Leistung eingeführt werden (Flexibilisierung der Sperrzeiten). Die geringe Zahl der Sperrzeiten Mitte der 90er Jahre in der BRD, als nur 1,1 % der Arbeitslosen von Sperrzeiten betroffen waren (Dänemark 4,3 %, Großbritannien 10,3 %, Schweiz 40,3 %) wird mit der starren Sperrzeitregelung in der BRD erklärt, die daher flexibilisiert werden soll.

Ohne Leistung keine Gegenleistung

Das JobCenter bietet seine Dienstleistungen in individuell passgerechter Form an, zeigt mit den Erkenntnissen des Profiling und seinen Kenntnissen über Arbeitsmarkt- und Stellensituation Integrations- und Entwicklungsperspektiven auf. Wer diese Angebote nutzt und Eigenaktivitäten zeigt, kann Ansprüche auf soziale und materielle Sicherheit durch Geldleistungen einlösen.

Nach dem Leitprinzip "Eigenaktivitäten auslösen - Sicherheit einlösen" sollen die Arbeitslosen, befähigt vom Fallmanager bzw. Vermittler, selbst aktiv tätig werden. Handlungsoptionen werden aufgezeigt, Wahlmöglichkeiten angeboten. Diese Leistungen werden von der klaren und verbindlichen Einforderung eigener und selbständiger Bemühungen begleitet. Auf Basis des Tiefenprofilings wird eine schriftliche, verbindliche und gerichtsfeste Eingliederungsvereinbarung geschlossen. Die Beweislast für die erbrachten Eigenbemühungen trägt der Arbeitslose. Bei deutlich reduzierter Betreuungsquote sollen getroffene Vereinbarungen regelmäßig überprüft und nachgehalten werden.

Langzeitarbeitslosigkeit entsteht durch den gezielten Einsatz der neuen Instrumente (z.B. Ich-AG, PSA, neue Zumutbarkeit, Quickvermittlung) nicht mehr. Der hohen Service-Qualität des JobCenters korrespondiert die starke Mitwirkungs- und Eigenleistungspflicht des Arbeitslosen.

 

Neue Zumutbarkeit (S. 93 ff.)

Es gibt eine Angebotspflicht (seitens des Vermittlers) und eine Annahmepflicht (seitens des Arbeitslosen).

Die Leistungen des Arbeitsamtes gibt es nur so lange ungekürzt, wie sich der Arbeitslose unter folgenden Bedingungen aktiv um Arbeit bemüht:

Zumutbar sind auch Arbeiten bei geringerem Lohn, unterqualifizierter Tätigkeit in der eigenen oder einer ähnlichen Job-Familie, für die der Arbeitssuchende nicht qualifiziert ist oder in der bisher nicht gearbeitet wurde Berufliche Statusminderung ist unvermeidlich, wenn nur so der Arbeitslosengeldbezug beendet werden kann. Dann ist auch Zeitarbeit oder die PSA zumutbar. Alleinstehenden ist eher unqualifizierte oder minderbezahlte Arbeit zumutbar als Familienernährern.

Die Zumutbarkeit steigt mit der Dauer der Arbeitslosigkeit. Jungen und ungebundenen Arbeitslosen kann nach drei Monaten ein Umzug zugemutet werden. Auch bei anderen Arbeitslosen steigt mit Dauer der Arbeitslosigkeit die erwartete Mobilität. Die Zumutbarkeitstabelle weist ab dem siebten Monat Arbeitslosigkeit alle Jobs innerhalb der BRD als zumutbar aus, deren Verdienst die Höhe des Alg erreichen - ohne Rücksicht auf den Familienstand.

Beschäftigung bei der PSA soll ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit zumutbar sein (S. 152).

 

Quick-Vermittlung (S. 81 ff.)

Der Erwerbstätige hat bei Erhalt der Kündigung oder der Vereinbarung über Aufhebung des Arbeitsvertrages (AV) die Pflicht zur Arbeitslosmeldung. Ebenso ist er verpflichtet, bei Vereinbarung einer Befristung des AVs diese Befristung zu melden. Die Meldefrist beginnt lt. gesetzlicher Kündigungsfrist zwischen 2 Wochen und 7 Monaten vor der Arbeitslosigkeit.

Mit der Kündigungsfrist beginnt eine umfassende Betreuung durch das JobCenter, um Vermittlungsfähigkeit abzuklären und bei Bedarf zu fördern

Der Arbeitnehmer (AN) soll durch den Arbeitgeber (AG) für die Suche nach einer neuen Beschäftigung (Beratungs- oder Bewerbungsgespräche) freigestellt werden.

Umgesetzt werden könnte diese Regelung, indem AG und AN die freigestellte Zeit je hälftig tragen. Arbeitnehmerseitig werden dabei Urlaubsansprüche oder Arbeitszeitguthaben eingebracht (Voraussetzungen: Nachweispflicht des AN über seine Aktivitäten in der Freistellungsphase). Auf der anderen Seite wirkt der AG an der Profilerstellung ("Profiling") zum AN mit.

Bei verspäteter Arbeitslosmeldung treten pauschale Kürzungen beim Arbeitslosengeld (Alg) ein ("Karenzzeitregelung". Diese betragen 7 Euro je Tag der verspäteten Meldung bei einem Bruttoverdienst von weniger als 1.700 Euro, 35 EUR bei weniger als 3.100 Euro, bei einem Bruttoverdienst über 3.100 Euro 50 Euro.

 

Familienfreundliche Vermittlung (S. 85 ff)

Arbeitslose mit Angehörigen erhalten - bei geringeren Mobilitätsanforderungen - eine vorrangige und beschleunigte Vermittlung ("Stellenangebote"). Das Jobcenter gewährt Hilfe zur Kinderbetreuung und Wohnungssuche.

Arbeitslose bekommen eine intensive Betreuung durch Fallmanager und individuell zugeschnittene Maßnahmen. Es gibt eine nachgehende Betreuung schwieriger Integrationsfälle, Meldung einer Zusammenstellung Arbeitsloser mit Familienangehörigen zu jedem Wochenanfang an den Vorstand der [BA-neu], die Leitung des [AA-neu], den Geschäftsleiter des Jobcenters. Letzterer muß sich regelmäßig über den individuellen Fall unterrichten lassen. Bürgermeister, Personalchefs und Medien werden in die Vermittlung Arbeitsloser mit Familien eingeschaltet;

JobCenter prüfen die Notwendigkeit des Aufbaues zusätzlicher Kinderbetreuungskapazitäten. Ein Bonussystem nach objektiven Kriterien und als Grundlage für ein leistungsabhängiges Vergütungssystem bietet Anreiz für die Vermittler.

 

Jugendliche Arbeitslose - AusbildungsZeit-Wertpapier (S. 105 ff.)

Gegen die Jugendarbeitslosigkeit soll die Zukunftsfähigkeit der Jugendlichen gesetzt werden. Hierzu zählen die stärkere Praxisorientierung und Betreuung im Bildungssystem, arbeitsmarktfähige Ausbildungsberufe (mehr Ausbildungsordnungen mit weniger komplexen Anforderungen) und Angebote arbeitsmarktfähiger Qualifizierungsbausteine für jugendliche Arbeitslose, vermittelt über Betriebe in Kooperation mit außerbetrieblichen Trägern. Arbeitslose Jugendliche aus den neuen Bundesländern sollen angesichts dort fehlender Ausbildungs- und Arbeitsplätze in anderen Regionen der BRD oder Europas qualifiziert werden und durch betriebliche, schulische und kommunale Paten- ud Partnerschaftsprogramme mit der Region verbunden bleiben und so der sich anbahnenden Verknappung von Fachkräften inbesondere in den neuen Bundesländern vergebeugt werden. Gerade für schwer vermittelbare, schwer integrierbare Jugendlichen, die in Schule und Ausbildung gescheitert sind,

Finanzierung:

Eine lokale/regionale Stiftung wickelt alle notwendigen Prozesse ab. Zur Finanzierung dieser Stiftung tragen bei:

1.ein landesweites Rabattkartensystem, wobei Kundenrabatte ("Rabattte für mehr Ausbildung") und Händlerpauschalen (bestimmter Prozentsatz des Umsatzes) der Stiftung zufließen.

2.Eltern, Großeltern etc. können AZWP in beliebiger Höhe erwerben, die auf den Namen von Kinder oder Enkelns laufen und diesen die Finanzierung von Ausbildung oder Studium garantieren. Unternehmen, die über AZWP Jugendliche ausbilden, zahlen einen Beitrag in Höhe der Wertschöpfung des Auszubildenden an die Stiftung. Im Falle des Studiums wird der AZWP-Wert incl. vorher festgelegter Zinsertrag "pro rata" ausbezahlt.

Die Stiftung muß anfänglich durch Darlehen vorfinanziert werden, für die die öffentliche Hand eine Ausfallbürgschaft von 100 EUR je Haushalt der Region zeichnet.

 

Ältere AN - Bridge-System (S. 117 ff.)

Die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer soll erhöht werden. Variante I: die Lohnversicherung, aus der bei Rückkehr eines älteren AN auf den Arbeitsmarkt durch Aufnahme eines schlechter bezahlten Jobs für eine Übergangszeit eine Einkommensaufstockung (inkl. Sozialbeiträge) gezahlt wird, längstens jedoch so lange, wie auch Arbeitslosengeld gezahlt worden wäre. Variante II / BridgeSystem: Der Arbeitslose kann ab 55 Jahren auf die Vermittlung durch das JobCenter verzichten und erhält bis zum 60. Lebensjahr einen monatlichen Betrag, der sich aus seinem verbleibenden Arbeitslosengeldanspruch errechnet.

Das BridgeSystem soll bei höherem Arbeitskräftebedarf wie auch andere Sondermodelle für ältere Arbeitnehmer zurückgeführt werden und schlussendlich auslaufen.

 

Vereinfachung von Leistungen und Verwaltung - Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe (S. 125 ff.)

Ein Arbeitslosengeld 1 soll in Höhe und Dauer im Grundsatz dem bisherigen Arbeitslosengeld entsprechen. Ein Arbeitslosengeld 2 soll bisherigen arbeitsfähigen Beziehern von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gezahlt werden. Das JobCenter erbringt für diese die Leistungen, dessen Fallmanager entscheiden zusammen mit dem ärztlichen Dienst über deren Arbeitsfähigkeit, die regelmäßig zu überprüfen ist. Arbeitslosengeld 2 ist steuerfinanziert und bedürftigkeitsabhängig, der Familienstatus wird erhoben und berücksichtigt, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind vorgesehen. Die Rentenversicherungspflicht soll geprüft werden.

Ein Sozialgeld, entsprechend der bisherigen Hilfe zum Lebensunterhalt, wird vom Sozialamt an alle nicht erwerbsfähigen Personen erbracht.

Wird das Ziel aller Hartz-Maßnahmen - die Absenkung der Arbeitslosigkeit um zwei Millionen bis zum 31.12.2005 - nicht erreicht, ist kurzfristg über weitere Maßahmen zu entscheiden, z.B. die zeitliche Begrenzung des Arbeitslosengeldes.

(Einschub: Die eingangs genannten "Eckpunkte für eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt" der alten wie neuen Bundesregierung nennen das Arbeitslosengeld 2 "Fördergeld", das "über dem Niveau der Sozialhilfe liegen" soll. Erwerbsfähige ohne Arbeit sollen weniger Geld haben als diejenigen mit Arbeit. "Fördergeld ist Teil des Prinzips des Förderns und Forderns." Nach Verletzung der Mitwirkungspflichten sollen "spürbare Sanktionen - in Form von Leistungskürzungen - eintreten.")

Weitere Vereinfachung von Leistungen und Verwaltung (bei der Bestimmung der Höhe der Lohnersatzleistungen; S. 133)

Die Berechnung der Lohnersatzleistung soll vereinfacht werden. Grundlage der Berechnung des Alg soll grundsätzlich das letzte Jahr der Beschäftigung werden. Wer heute bspsw. in Teilzeit arbeitet, nach Wechsel in einen schlechter bezahlten Job erwerbslos wird oder seine Arbeitslosigkeit durch Aufnahme eines schlechter bezahlten Jobs zwischenzeitlich beendet und dann erneut arbeitslos wird, kann unter bestimmten Umständen unter Rückgriff auf Schutzbestimmungen des Arbeitsförderungsrechtes Einbußen bei der Lohnersatzleistung vermeiden. Diese Schutzregelungen sollen entfallen, um Verwaltungsaufwand bei der Bundesanstalt für Arbeit zu senken.

Der Wechsel zwischen den Leistungsarten Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld/Anschlußunterhaltsgeld soll entfallen (kein neuer Leistungsbescheid).

Alle Arten der Lohnkostenzuschüsse werden zusammengefaßt und neben der PSA eine in Höhe und Dauer bedarfsgerechte, einheitliche Eingliederungsleistung vorgesehen.

Leistungen zur Förderung von Vermittlung und Mobilität (das sind Fahrtkosten, ergänzende Lernmittel, Kinderbetreuung) werden pauschaliert als einmaliger Zuschuss gezahlt.

 

Einführung einer Signaturkarte (S. 130 ff.)

Mit der Signaturkarte verbunden ist der Aufbau einer zentralen Archivstelle (Datenbank) zur Speicherung von Beschäftigungsdaten und Verdienstbescheinigungen. Verbunden ist damit die Einführung einer einheitlichen Versicherungsnummer aller Sozialversicherungsträger.

Ein Schaubild zu diesem "System der zentralen Archivierung von Beschäftigungsdaten" deutet an, daß Arbeitgeber diese Datenbank einerseits mit Beschäftigtendaten füllen, andererseits sich auch Informationen aus dieser oder aus einem nebenstehenden Verzeichnisdienst nutzen können.

 

PSA: PersonalServiceAgentur (S. 147 ff.)

Wichtigstes Ziel ist, bei Arbeitgebern Hemmschwellen abzubauen, Arbeitslosen Beschäftigung zu geben. Herzstück des Abbaus der Arbeitslosigkeit ist die PSA, eine neue Form der integrationsorientierten Zeitarbeitsgesellschaft.

Aufgaben: Die PSA

Das Feld der gemeinnützigen und gesellschaftlichen Arbeit wird durch Nutzung von PSA-Arbeitnehmern neu gestaltet. Der Kündigungsschutz wird im Ergebnis neutralisiert. Arbeitgeber erhalten eine einfache Möglichkeit, PSA-Arbeitnehmer kennenzulernen.

Das [AA-neu] kontrolliert unmittelbar die PSA-Arbeitnehmer-Vertragsgestaltung, die in tarifliche Strukturen und Europarecht eingebunden sein müssen. Die PSA können von Dritten allein, vom [AA-neu] zusammen mit Dritten oder allein vom [AA-neu] in privater Rechtsform betrieben werden, wobei erstere (Markt-)Varianten bevorzugt werden sollen. Ziel ist, daß sich die PSA als Business Unit mit eigener Geschäftsführung und Verwaltung selbst tragen.

Die Vermittlung Erwerbsloser an die PSA kann ab dem Zeitpunkt der Beendigung ihres letzten Beschäftigungsverhältnisses erfolgen (unter Beachtung der neuen Zumutbarkeit). Deren Ablehnung hat leistungsrechtliche Konsequenzen für den Arbeitslosen. Die Entlohnung erfolgt in Höhe eines Nettolohnes, der in der sechsmonatigen Probezeit dem Arbeitslosengeld entspricht, danach lt. PSA-Tarif erfolgt. Die Probezeit sollte bewährungsabhängig verkürzt werden.

"Temp to Perm" ist Ziel der PSA (von temporärer zu permanenter Beschäftigung über den Klebeeffekt im Entleihbetrieb).

Die PSA führt in verleihfreier Zeit Coaching-Maßnahmen zur Unterstützung der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt und betriebsnahe Qualifizierungsmaßnahmen durch.

In strukturschwachen Regionen kann über die PSA verstärkt in gemeinnützige und ehrenamtliche Tätigkeiten vermittelt werden.

PSA (wie auch private Personaldienstleister) können aus dem gesamten Pool des JobCenter vermittlungsfähiger Arbeitskräfte Bewerber rekrutieren.

Eine effektive Arbeit der PSA ist - bei tariflichen Regelungen für die PSA - nur bei Aufhebung von Beschränkungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes möglich. Dies betrifft folgende Aspekte:

 

Ich-AG, Familien-AG und Mini-Job (S. 163 ff.)

Diese Modelle sollen die Schwarzarbeit grade im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen reduzieren helfen. Ggf. wären diese Konzepte später auch für Nicht-Arbeitslose und nicht-haushaltsnahe Dienstleistungen zu öffnen.

Die Ich-AG ist eine Vorstufe zur Selbständigkeit und soll nach drei Jahren in die volle Selbständigkeit führen. Der gestaffelte Zuschuss wird einmalig für bis zu drei Jahre gezahlt.

Alle Einnahmen der Ich-AG werden - nach Abzug von Steuerfreibeträgen und der vollen Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) - zu 10 -prozentige besteuert bei einer Verdienstgrenze von 25.000 Euro pro Jahr.

Kleine Unternehmen können Ich-AG's höchstens im Verhältnis von 1 : 1 zu normalen Arbeitnehmern beschäftigen, private Haushalte ohne Begrenzung.

Eine Ich-AG mit Beschäftigung eines mithelfenden Familienangehörigen heißt Familien-AG.

Mini-Jobs in privaten Haushalten bei einer Geringfügigkeitsgrenze von insgesamt 500 Euro (brutto, auch bei mehreren Mini-Jobs), erleichtertem Versicherungseinzugsverfahren und steuerlicher Förderung soll Erwerbslosen und Nichterwerbstätigen ermöglicht werden. Der 10-prozentige Sozialversicherungsbeitrag geht hälftig an die Kranken- und die Rentenversicherung.

 

JobFloater - Finanzierung von Arbeit statt von Arbeitslosigkeit (S. 265 ff.)

Eingestellte Mitarbeiter werden mit "JobKapital" ausgestattet. Dies funktioniert so, daß Unternehmen, die AN nach der Probezeit weiterbeschäftigen, Zugang zu weiteren Darlehen erhalten, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau, damit vom Bund, garantiert werden. Die Kreditvergabe ist an die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes und die Bonität des Unternehmens gebunden, die von der Hausbank geprüft wird.

Vorgehensweise:
JobFloater als Beteiligungsmodell

Der Mitarbeiter beteiligt sich an der Tilgung des JobFloaters und erhält im Gegenzug z.B. eine Gewinnbeteiligung, Genussrechte, bedingte Aktienpläne o.ä.

Zwischen 50.000 und 200.000 Arbeitsplätze sollen via JobFloater jährlich entstehen.

Zusammenstellung Guido Grüner / quer

[1] Auch der Kabinettsbeschluß vom 20. Aug. 2002 über "Eckpunkte für eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt ist aus dem Hartz-Papier geradeweg abgeschrieben (vgl. Vorlage des Arbeitsministeriums, IIa 1 - 20 033 - 23).


3. Szenen auf dem Arbeitsamt

Früher …

Früher ist der Arbeitslose zum Arbeitsamt gegangen, hat auf seinem Flur eine Nummer gezogen und in der Regel erst mal zwei Stunden gewartet. Wenn er Glück hatte, wurde ihm nach den zwei Stunden mitgeteilt, daß er auf dem falschen Flur gewartet hätte, weil das hier die Leistungsabteilung sei, sein Anliegen aber in die Vermittlungsabteilung gehöre. Nachdem er auf dem Flur der Vermittlungsabteilung eine Nummer gezogen und weitere zwei Stunden gewartet hat, begrüßt ihn der zuständige Vermittler.

"Name, Stammnummer. (Blick in den Computer.) Und, hat sich bei Ihnen etwas getan?"
"Nein, bei Ihnen denn?"
"Wie meinen Sie das?"
"Na ja, gibt es eine Stelle?"
"Nein."
"Kann ich denn eine Umschulung machen?"
"Nein, kein Geld mehr im Topf."
"Und ABM?"
"Nein, Sie hatten doch schon eine. Sonst noch was?"
"Nein."
"Na dann bis zum nächsten Mal. Auf Wiedersehen."
"Auf Wiedersehen
."

… und heute

Heute gehe ich zum JobCenter, meinem lokalen Zentrum für alle Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, einem one-stop-center. Anlaufpunkt ist die Clearingstelle, ein front-office, dessen Kundenstrommanagement nach dem Prinzip one-face-to-the-customer die Kundensteuerung organisiert und administrative Arbeiten zur Entlastung der Fachkräfte durchführt.

Ein verbessertes Matching ergibt sich durch Job-Familien und Profiling. Durch ein Eingangsprofiling wird festgestellt, ob ein Beratungs- und Betreuungsbedarf vorliegt. Im Rahmen des weiteren, bedarfsweise durchgeführten Tiefenprofiling werden neben den harten Kriterien (z.B. Fakten zu Jobhistorie) insbesondere auch weiche Faktoren (z.B. Motivation, Soft Skills wie Teamfähigkeit und Flexibilität) ermittelt.

Dieses Vorgehen ermöglicht ein Matching zwischen benachbarten Qualifikations- und Branchenbereichen und öffnet auf diese Weise Migrations- und Besetzungspfade innerhalb der Jobfamilien. Das systematische Identifizieren der Förderungsbedürftigkeit auf der Basis von Profiling und Eingliederungsvereinbarung macht zielgruppen- und segmentspezifische Instrumente überflüssig.

Je nachdem also, ob ich ein Informationskunde, ein Beratungskunde oder Betreuungskunde bin, werde ich zu den Selbstinformationseinrichtungen geführt, bekomme passgenaue Angebote durch einen Vermittler oder meine erheblichen Vermittlungshemmnisse werden von einem speziell ausgebildeten Fallmanager betreut, indem auf mein integrationsförderliches Verhalten gedrängt wird, wenn ich zu den Arbeitslosen mit instabiler Integrationsorientierung zähle …

Der Handlungsspielraum meines Vermittlers für die Pflege der Betriebskontakte und die Akquisition offener Stellen des zugewiesenen Branchensegments wird durch eigene Aktionsbudgets und IT-Services erweitert. Die Erreichbarkeit des JobCenter durch Arbeitgeber wie Arbeitsuchende wird durch ServiceLines sichergestellt. Ein "Kodex guter Kundenpraktiken" garantiert die Service-Qualität gegenüber beiden Marktseiten. Mit der Integration der Dienstleistungen der unterschiedlichen Träger im Front-Office geht eine klare Trennung der Finanzierungsverantwortlichkeit im Back-Office einher.

Wenn alles nichts hilft, werde ich in die PSA, die Personal-Service-Agentur vermittelt, in der Hoffnung, daß der Klebeeffekt mich temp-to-perm in einem Ausleihbetrieb hängen läßt, oder ich gründe eine Ich-AG in einer Clusterbildung des regionalen Wirtschaftsraumes, verabschiede mich in einen Mini-Job aus der Job-Boutique oder werde mit dem Job-Floater in einen atmenden Betrieb gehustet. Sollte ich immer noch arbeitslos sein, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder ich bin zu alt, dann greift das Bridge-System. Oder ich bin zu jung, dann greift das AZWP (AusbildungsZeit-Wertpapier).

Für die Motivation der Mitarbeiter bei der Reform der inneren Verwaltung gilt der Leitspruch: Beschäftigungsfähigkeit statt Arbeitsplatzsicherheit.

Das Controlling der örtlichen Ebene ist das operative Controlling. Eine besondere Herausforderung des operativen Controlling besteht darin, sicher zu stellen, dass die Geschäftspolitik und Rahmenvorgaben der Zentrale auf der örtlichen Ebene durch einen spezifischen Maßnahme-Mix umgesetzt werden. Das operative Controlling muß in der Lage sein, die zentralen Indikatoren mit Kennzahlen, die die Besonderheiten bei der Umsetzung der Geschäftspolitik auf örtlicher Ebene abbilden, zu untermauern. Die nötigen IT-gestützten Erhebungsroutinen und Maßnahmen zur Beschaffung der Daten werden danach ausgerichtet.

Und insgesamt:

"Der durch die Vision eingeleitete Wandel und die Neuorientierung der [BA-neu] bedarf eines neuen Leitbildes als Handlungsleitfaden für jeden Mitarbeiter bei der täglichen Arbeit."

Möge die Macht mit uns sein! - Noch Fragen zum Hartz-Konzept?

Das Hartz-Konzept ist das hinter einer aufgeblasenen Managersprache versteckte Eingeständnis absoluter Hilflosigkeit bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Es gibt keine einzige durchgreifende Maßnahme auf Seiten der Unternehmen zur Verhinderung von Entlassungen oder Schaffung von Arbeitsplätzen, aber dafür ein bombastisches Instrumentarium an Verwaltungstechnokratie, um den Mitarbeitern der Arbeitsämter und den Arbeitslosen das Leben zur Hölle zu machen.

Michael Bättig


4. Zum politischen Erfolg des Peter Hartz

Galt vor vier Jahren vielen Gerhard Schröder als ‘das Erfolgsmodell schlechthin’, so hat seit einiger Zeit Peter Hartz, VW-Arbeitsdirektor (‘5.000 x 5.000’) und Kommissionsvorsitzender diese Rolle. Wiewohl sich die erweiterte quer-Redaktion - vorsichtig formuliert - nie so recht mit Hartz-Ideen ‘anfreunden’ konnte [1], drängen die neuerdings unter seinem Namen gefeierten "Modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" die Frage nach dem zugrunde liegenden Erfolgsrezept auf. Eine Antwort fanden wir in einem kritischen Beitrag der Juristin Dr. Helga Spindler (Arbeits- und Verwaltungsrecht) zu der Frage, ob die Hartz-Module Ausdruck sozialer Politik seien.

Sie wies auf entscheidende Parallelen zwischen dem umjubelten VW-Tarifmodell 5.000 x 5.000 und den Hartz-Modulen zur Arbeitsmarktpolitik hin. Wir zitieren: " … Bei der Bewertung der Hartz-Module bin ich etwas vorbelastet, denn ich beobachte seine sozialpolitische Aktivität seit dem Modell 5000 x 5000 bei VW.

Ich habe vergeblich versucht die Vereinbarung (bei VW) zu verstehen. Wie sind die Bedingungen konkret, für welche Leistung verdient man was, wer trägt welches Risiko?

Warum produziert VW ein neues (Fahrzeug-)Modell eigentlich nicht mit seiner Belegschaft, sondern mit befristet eingestellten, nicht ausgebildeten Kräften? Warum senkt VW nicht die Löhne für die Stammbelegschaft, wenn sie zu hoch sind?

Ganz einfach: Weil sie Standards unterlaufen wollen, ohne die Gewerkschaften und die gut organisierte Stammbelegschaft zu reizen. Darum setzt man ein Modell in die Welt, das keine klar abgrenzbaren Regeln mehr hat und vor allem nicht den normalen Arbeitsverhältnissen vergleichbar ist, verkauft es mit einer guten Pressekampagne als Erlösung für die Arbeitslosen aus ganz Deutschland, - womit man nebenbei noch zusätzliche Fördermittel der Bundesanstalt (für Arbeit) in selbstverständlich unbekannter Höhe abschöpfen kann - und sichert so den Gewinn. Man isoliert die Gewerkschaftsvertreter, die das durchschauen, als Spielverderber, bietet es einer Regierung, die Erfolge dringend braucht, als innovatives Arbeitsplatzmodell an, und schon ist die Katze im Sack. Ein sozialpolitisches Hütchenspiel.

Bei den Hartz-Modulen wiederholt sich das für mich in vielen Punkten.

Wer mit Peter Hartz politische Erfolge feiern will, muß die Aufmerksamkeit ablenken von den Bedürfnissen Erwerbsloser und abhängig Beschäftigter an einer zuverlässig geregelten Existenzsicherung! Auch andersherum gilt: Wer sich auf Manager-Jargon einläßt, wird unsere Dinge nicht sehen wie sie sind; das geht nur aus dem Blickwinkel Erwerbsloser und abhängig Beschäftigter.

Guido Grüner

[1] Vgl. Artikel zum VW-Tarif-Modell 5.000 x 5.000 von P. Hartz: "Vorsicht Freunde!", quer, August 2001, S. 8/10 und "läuft und läuft und läuft doch … aber: wo laufen sie denn hin?" quer, Oktober 2001, S. 25/26.

[2] Helga Spindler, Statement zur Podiumsdiskussion bei der Ev. Kirche Rheinland, Amt für Sozialethik, Düsseldorf 4.9.2002, S. 1/2 (nicht kursiv: Einfügungen quer).


5. Die Einebnung der Lohnersatzleistungen – oder wie die ‘Hartz-Reform’ weitere Einschnitte in die Arbeitslosenversicherung vorbereitet

Machen wir uns nichts vor: die Realisierung der Hartz-Konzeption in Sozial- und Arbeitsrecht soll nicht den letzten tiefgreifenden Einschnitt ins Arbeitslosenrecht bringen. Der öffentliche Chor, wonach zwar "die Richtung stimmt" (nur das Ziel ist auf dem eingeschlagenen Weg noch lange nicht erreicht - wie dieser Satz zu vollenden ist) spricht dies offen aus.

Vielmehr wird die erneute Verwaltungsreform Arbeits- und Sozialämter sowhl innerorganisatorisch wie auch mit einem Berg zusätzlicher Kontrollaufgaben gegenüber Erwerbslosen belasten. Daher wird der dann noch verbleibende minimale offizielle ‘output’ für Arbeitnehmer und -geber genügend Material für weitere Kampagnen zur völligen Abschaffung einer solidarischen Arbeitslosenversicherung liefern. Und auch Erwerbslosen werden nach den ersten praktischen Erfahrungen mit dem [AA-neu] kaum noch Gründe einfallen diese Versicherung zu verteidigen.

Denn ‘Hartz’ bringt:

 

Cours de Hartz

Arbeitslose (und ArbeitnehmerInnen) um beinahe jeden Preis arbeiten zu lassen, ist die Leitlinie. Diese setzt ein bereits bei den …
… (Noch-)Beschäftigten

Mit Kündigung, spätestens mit der gesetzlichen Kündigungsfrist und der dann fälligen Meldung beim JobCenter, setzen dessen ‘Hilfen’ zwangsweise ein. Wer sich dem entzieht, erhält ein drastisch gekürztes Arbeitslosengeld (um bis zu 50 Euro je Tag der verspäteten Meldung). Diese Hilfe heißt "Quick-Vermittlung" und beinhaltet "umfassende Betreuung" durch das JobCenter: einen Tag zur ‘Profilerstellung’ und bis zum Ende der Kündigungsfrist 14-tägige Beratungs- und Vermittlungsgespräche (Dauer je 0,5 Tage). Was als ‘Betreuung’ daherkommt ist ein massiver Eingriff in das Arbeitsrecht, da die im Zuge dieser ‘Betreuung’ aufgewandte Zeit die Urlaubsansprüche und Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmern mindern sollen - und nur für die Arbeitsfreistellung zu Lasten des Arbeitgebers ist eine Obergrenze vorgesehen! Arbeitnehmer müssen zu ihren Aktivitäten zur Arbeitssuche und Vermittlung in der "Freistellungsphase" Nachweise führen (vgl. S. 83*). So werden sie in der oft sehr belastenden Phase des Endes eines Arbeitsverhältnisses zusätzlich in den Griff des JobCenters genommen, ihnen so die nach eigenen Interessen gestaltete Arbeitsuche erschwert.

Und wofür das ganze? Bereits heute melden sich beinahe die Hälfte der Erwerbslosen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit beim Amt. Mit "der Einführung einer Meldepflicht am Kündigungstag sieht das IAB die Gefahr einer künstlichen Ausweitung des BewerberInnenpools, indem auch all diejenigen, die den Eintritt der Erwerbslosigkeit durch eigene Suchaktivitäten abwenden können, zur Meldung genötigt werden." [1] Quickvermittlung und ‘Betreuung’ der Noch-nicht-Arbeitslosen wird Arbeitslosigkeit zwar nicht wirklich verringern [2], jedoch die nicht vermittlungsrelevanten Verwaltungsvorgänge im Amt weiter aufblähen - wohl mit Absicht. Noch-Beschäftigte werden schon vor der Arbeitslosigkeit entwürdigenden Profilings, Assessments, Gesundheitstests etc. ausgesetzt. Darüber bekommt zwar kein Arbeitgeber übers Amt die gesuchte Arbeitskraft, doch werden sicher etliche Arbeitslosmeldungen vermieden. Für diese - politisch gewollte - Abschreckung müssen die MitarbeiterInnen der BA viel Zeit verwenden, die andernorts (z.B. bei der Vermittlung) fehlt. Die BA wird reine Schikane-Behörde und macht bei der Vermittlung Platz für die privaten Konkurrenz.

Nun zurück zu den Noch-ArbeitnehmerInnen: Stehen sie die ‘Quickvermittlung’ durch, werden sie schlußendlich befreit von der Doppelbelastung Job und JobCenter und das, was sie nicht werden sollten …

… Arbeitslose

1. Alles klar im front-office?

Hier kommen Sie nach einigen Mühen in den Genuß dessen, was ‘Hartz’ Arbeitslosengeld 1 nennt und ‘im Grunde’ dem heutigen Arbeitslosengeld entsprechen soll. Dazu müssen sie die Clearing-Stelle im JobCenter ausfindig machen, die neben allem möglichen anderem auch die Berechnung und Auszahlung der Lohnersatzleistung regelt und inständig auf die Leistungsfähigkeit der dort tätigen "Generalisten mit guten sozial-kommunikativen Fähigkeiten" hoffen, damit sie ihr Geld bekommen. Im als Vorbild geführten Kölner Arbeitsamt (Hartz S. 278) dauerten Leistungsbewilligungen nach den dortigen Strukturreformen Presseberichten zufolge in den Monaten Juli und August 2002 zwischen vier und acht Monaten [3].

Das mag nicht wundern, wo das JobCenter zwar mit einem bunten Aufgaben-Mix versehen wird, in der medialen Präsentation (vgl. Schaubild zum JobCenter S. 16) die ‘Kunden’ Arbeitgeber und Arbeitnehmer augenfällig in den Mittelpunkt gerückt werden, jedoch an die Stelle einer klaren Aufgaben- und Arbeitsstruktur die nebulöse Formulierung "ganzheitlicher Service für den Kunden" tritt.

Und wenn das ganze - absehbar - nicht funktioniert, tragen Schuld die "Generalisten", deren "gute sozial-kommunikativen Fähigkeiten" organisatorische Mängel und ständigen Personalabbau im Amt nicht ausgleichen werden. Spätestens wenn sich Erwerbslose massenhaft über ausbleibende Leistungen beschweren, werden die ‘Generalisten’ wissen, warum ihr Arbeitsplatz als "Front-office" geführt wird.

2. Einkommensverluste angekündigt

Aber versprach ‘Hartz’ je etwas anderes mit dem "im Grunde" unveränderten Arbeitslosengeld? "Der Vermittlungsprozess steht im Zentrum" (S. 72) und damit vor der Zahlung von Leistungen die zu erbringende Gegenleistung des Erwerbslosen - und dessen "Selbsthilfe" (S. 97). Wenn Manager JobCenter zum "Event" aufwerten, soll dies ablenken von grauester Realität. Die von Hartz hochgehaltene Selbsthilfe und "Self-Service", wozu auch die erweiterte IT-Ausstattung gehören soll, wird der einzige Trumpf sein, auf den sich Erwerbslose im JobCenter werden verlassen können. Denn bereits im Soll-Zustand des JobCenters (vgl. Abbildung von Hartz, S. 68) geht Arbeitsvermittlung völlig verloren. Und der Kunde wird genügend Gelegenheit haben, sich in der Institution zu verlieren, wo er schon nicht mehr zwischen Institutionen verloren gehen soll.

Die Konzentration der ‘Vermittler’ auf die Kontrolle der Einhaltung von Eingliederungsplänen wird das Erbringen von - beliebig auszuweitenden! - Vorleistungen zum Charakteristikum des Bezugs einer Lohnersatzleistung machen und den Charakter der neuen JobCenter dominieren. Diese "Umkehr der Beweislast" entwertet die Beitragszahlung abhängig Beschäftigter in die Kasse der Arbeitslosenversicherung zur finanziellen Belastung ohne großen Nutzen, da im Versicherungsfall vor den Bezug von Arbeitslosengeld ein immer höherer Vorleistungsberg aufgetürmt wird.

Insgesamt wundert hier nicht, wenn das heutige Kölner Muster-JobCenter bei der "Forsa-Umfrage unter mittelständischen Firmen zu Informationsangebot, individueller Betreuung, Kompetenz der Vermittler und Bearbeitungsdauer … an 180. Stelle (von 181 bewerteten Arbeitsämtern)" lag. Das Kölner Amt macht bundesweit damit für sich Werbung, dass dort Geldleistungen möglichst spät ausgezahlt werden [4].

3. ‘Randgruppe’ Frauen

Bei den zur besonderen Zielgruppe erklärten Frauen verschlechtert ‘Hartz’ deren Position in der Arbeitsvermittlung. Wenn in der "familienfreundlichen Quick-Vermittlung" bevorzugt "Arbeitslose, die besondere Verantwortung für abhängige betreuungsbedürftige Personen oder Familienangehörige tragen", bedacht werden sollen, bedeutet dies bei Jobmangel angesichts geschlechterhierarchischer Organisation des Arbeitsmarktes die Zurückstellung von Frauen in der Arbeitsvermittlung [denn sie hatten in der Regel den geringer bezahlten (Teilzeit-) Job, die Steuerklasse V], im Ergebnis wohl oft ihre Verdrängung in haushaltsnahe Dienstleistungen als Scheinselbständige (Mini-Jobs oder Ich-AG’s oder gar als mithelfende Familienangehörige in Familien-AG’s) [5].

Das JobCenter konzentriert seinen Service auf den besser verdienenden Facharbeiter oder Dienstleister und verliert seinen Wert für alle anderen - warum dann zukünftig aus Frauensicht noch an der solidarischen Arbeitslosenversicherung festhalten?

4. Die (geringe) Höhe der Lohnersatzleistung

Bei der Bestimmung der Höhe der Lohnersatzleistung soll alles viel einfacher werden, daher dem Alg gradewegs der Verdienst des letzten Beschäftigungsjahres zugrunde gelegt werden. Dies gilt, egal ob im letzten Jahr besonders wenig verdient oder verkürzt gearbeitet wurde oder ob es ein befristeter schlecht bezahlter Job zur Unterbrechung von Arbeitslosigkeit war. Man könnte das auch Bemessung ‘hart am Markt’ nennen, die ebenfalls Frauen besonders treffen dürfte (z.B. nach Arbeitszeitverkürzung in Folge von Erziehungszeiten oder der Angehörigenpflege).

Bisherige, angeblich verwaltungsaufwändige Schutzregelungen sollen ersatzlos entfallen, genau wie das Unterhaltsgeld bei der Fortbildung. Auch hier soll das Arbeitslosengeld den Lebensunterhalt sichern. Damit ist das Alg auch bei Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme nach meist längstens einem Jahr Arbeitslosigkeit aufgebraucht.

Im Ergebnis behält das Arbeitslosengeld seine Lohnersatzfunktion oberhalb des Sozialhilfenniveaus daher nur für die Zeit von ca. einem Jahr nach dem Verlust des (relativ) gut bezahlten (Vollzeit-Jobs. Erwerbslose stehen mithin in diesem Jahr massiv unter Druck, auf dem Arbeitsmarkt noch zu halbwegs passablen (Vollzeit-)Bedingungen unterzukommen, da geringere Einkommen oder Jobs mit Arbeitszeitverkürzung bei späterem Jobverlust nur bei Strafe eines anschließenden Arbeitslosengeldes auf Sozialhilfeniveau akzeptiert werden können. Da hilft auch nicht die Flucht in die PSA als …

… arbeitende Arbeitslose

Auch in der ersten Phase der Arbeitslosigkeit läßt das JobCenter mittels PSA (Personal Service Agentur) gerade markt-, gemeinnützig oder ehrenamtlich verwertbare Arbeitnehmer nicht allein. Denn in die PSA dürfen Erwerbslose ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit bei drohender Leistungssperre vermittelt werden - zu einen Lohn in Höhe des Arbeitslosengeldes. Ab dem siebten Monat könnte es mit dem PSA-eigenen (Tarif-?)Lohn auch etwas mehr sein.

Mit dem Stichwort PSA ist an dieser Stelle beinahe der letzte Aspekt zusammengetragen, der aufzulisten, ist um zu erläutern, worauf ‘Hartz’ für Erwerbslose und Arbeitnehmer am Ende hinausläuft, die dramatische …

… Einkommensrutsche

Denn selbst für Arbeitsmarkt oder Ehrenamt verwertbare ArbeitnehmerInnen mit recht gutem (vormaligen) Einkommen bleibt kaum länger als ein Jahr ein am bisherigen Einkommensniveau gemessenen Lohnersatz. Denn waren sie erst ein Jahr in einer der flächendeckend geplanten PSA beschäftigt, bedeutet dies den Erwerb eines neuen Alg-I-Anspruchs - damit in einer Höhe, die kaum über heutigem Sozialhilfeniveau liegen dürfte. Denn das ist das Erbnis, wenn das neue Alg aus einem Durchschnittslohn errechnet wird, der kaum über dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld lag. Davor schützt auch kein …

… Arbeitslosengeld II

Auch wer bei längerer Arbeitslosigkeit nicht in der PSA angestellt wird, wird nach ca. einem Jahr nur noch über ein Einkommen in Höhe seines Sozialhilfesatzes verfügen können. Denn auf das Alg I folgt (statt der heutigen Arbeitslosenhilfe) das zumindest sprachlich aufgewertete Arbeitslosengeld II. Dieses wird nur dem Namen nach an ‘echtes’ Arbeitslosengeld erinnern, ansonsten einer Rumpfsozialhilfe entsprechen.

Der Wegfall der bisher für die Alhi geltenden Bindung an die Lohnhöhe beim Alg II läßt für dieses

Zusammengefasst:

Das Hartz-Modell schränkt den Bezug einer am letzten Einkommen orientierten Lohnersatzleistung auf ca. ein Jahr ein. Mit dem in Anschluß daran vorgesehenen Alg II steigt der Druck auf Leistungsbeziehende wozu auch die für diese vorgesehenen, aus der heutigen Sozialhilfe bekannten strengen Kriterien zur Verwertung angesparten Vermögens, zur Unterhaltspflicht von Angehörigen und zur Zumutbarkeit von Arbeit beitragen werden.

Die geschilderten hohen Zugangsschwellen auch zum Alg I werden Erwerbstätige dazu bringen, den Bezug der zukünftig völlig unkalkulierbaren Lohnersatzleistung so weit möglich zu vermeiden, was einen entsprechenden Druck auf die Standards unterer und mittlerer abhängiger Einkommen bedeuten wird. Eine Abwärtsspirale der dort heute noch erzielbaren Einkommen dürfte die Folge sein.

Einen Schutz vor dieser Abwärtsspirale böte an dieser Stelle nur ein gesetzlicher Mindestlohn in ausreichender Höhe sowie eine kalkulierbare Lohnersatzleistung auf einem Niveau, das einer Versicherung für das typische Arbeitnehmerrisiko "Arbeitslosigkeit" würdig wäre. Kennzeichen einer solchen Leistung wären:

Hierfür und für einen ausreichenden Mindestlohn müssen wir erst recht streiten.

Guido Grüner

* Alle Seitenangaben im Text weisen auf das Hartz-Papier in der Langfassung hin.

Literatur:
Fußnoten:

[1] Daniel Kreutz, s.o., S. 3; IAB = Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

[2] Denn nur freie Arbeitsstellen können vermittelt werden und diese fehlen bekanntlich - und schnellere Vermittlung der wenigen freien Stellen läßt diese eben nicht schneller ‘nachwachsen’. Die gärtnerische Erfahrung, wonach viele Pflanzen z.B. bei häufigem Blütenschnitt schneller und mehr Blüten nachtreiben, ist auf den Arbeitsmarkt nicht zu übertragen. Daran ändert auch das regierungsseitig gebetsmühlenartig wiederholte Credo von der Wirkung schnellerer Vermittlung gar nichts.

[3] H. Spindler, s.o., S. 3.

[4] ebd.

[5]Vgl. Daniel Kreutz, s.o., S. 3; er zitiert den Deutschen Juristinnenbund der befürchtet, "dass die (Hartz-)Vorschläge nur auf typisch männliche Erwerbsbiographien abzielen und die Frauen Verliererinnen dieser Arbeitsmarktreform sind" (Offener Brief an Hartz v. 05.08.02).


6. Abbau der Arbeitslosigkeit?

… Der Bericht der Hartz-Kommission hält eine Reduzierung der Erwerbslosigkeit um 2 Mio. bis 2005 für eine "plausible Zielgröße" der vorgeschlagenen Maßnahmen (13 Module).

Demgegenüber hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit überzeugend dargelegt, dass die Wirkung wesentlicher Einzelmodule sowie die Gesamtwirkung der 13 Module auf Beschäftigung und Erwerbslosigkeit "nicht seriös abgeschätzt" werden können. Das IAB hat an mehreren Stellen grobe Fehler in der Hochrechnung der möglichen Reduzierungseffekte nachgewiesen. Daher seien "die den Vorschlägen zugerechneten Effekte weder im geplanten Umfang noch in der vorgesehenen Frist auch nur annähernd zu erreichen". Insbesondere im Falle Ostdeutschlands und anderer Regionen mit desolater Arbeitsmarktlage liefen die Vorschläge "weitgehend ins Leere".

Das IAB weist (wie auch zahlreiche andere Kommentatoren) darauf hin, dass die entscheidende Voraussetzung für einen Rückgang der Erwerbslosigkeit in der Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung liege, d.h. in einer entsprechenden Ausweitung des Angebots an Arbeitsplätzen. Hierzu seien auch Arbeitszeitverkürzungen "unverzichtbar". Die Hartz-Vorschläge setzten demgegenüber jedoch ganz überwiegend auf arbeitsmarktpolitische Instrumente, deren Auswirkungen auf das Arbeitsplatzangebot "eher gering" sein dürften. Durch diese Schwerpunktsetzung in Verbindung mit dem Versprechen, die Erwerbslosigkeit in den kommenden drei Jahren auf unter 2 Mio. zu drücken, entstehe "der nicht zu rechtfertigende Eindruck, als sei vor allem eine zu geringe Effizienz der BA für die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich und auch der Schlüssel zur Lösung des Problems sei ebenfalls vor allem dort zu suchen".

So weit Effekte eines Abbaus der registrierten Erwerbslosigkeit zu erwarten sind, dürften sie maßgeblich in der "Bereinigung" der Arbeitslosenstatistik begründet sein. …

aus: Daniel Kreutz, Bewertung der Ergebnisse der Hartz-Kommission vom 22.08.02

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