Attac AG "Arbeit in Würde ist möglich"
Betr.: Stellungnahme zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission
Nun soll auch die dritte Säule des Sozialversicherungssystems privatisiert 
  werden. Die Vorschläge, die Ende Juli von der sog. Hartz-Kommission in 
  der Form von "13 Modulen zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Reform 
  der BA" veröffentlicht wurden, stoßen in weiten Teile auf Kritik 
  bis Ablehnung. Attac hat es sich zur Aufgabe gesetzt, bundesweit und international 
  auf die verheerenden Folgen der neoliberalen Globalisierung aufmerksam zu machen. 
  Die Privatisierung des Risikos Erwerbslosigkeit und die damit verbundene Ausweitung 
  unsicherer Arbeits- und Lebensverhältnisse ist eine solche Folge. Das auch 
  von der Bundesanstalt für Arbeit festgestellte Fehlen von 5,8 Millionen 
  Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik wird durch die Vorschläge der 
  Kommission nicht behoben, sondern bestenfalls kaschiert. An die Stelle der dauerhaften 
  Erwerbslosigkeit tritt jetzt nämlich ein System des "Heuerns und Feuerns". 
  Die Folge wird sein, daß die Armut in der BRD weiter zunimmt.
Insbesondere machen wir darauf aufmerksam:
  - Die geplante Ausweitung von MiniJobs und Leiharbeit stellen einen gravierenden 
    Schritt in Richtung Etablierung eines Niedriglohnsektors dar. Dies kann auch 
    nicht dadurch schöngeredet werden, solche Maßnahmen würden 
    sich ja auf Arbeitslose beschränken. Monatlich werden Tausende von Beschäftigten 
    entlassen, die dann gezwungen wären, solche Beschäftigungsverhältnisse 
    anzunehmen, sonst werden ihnen die Leistungen gekürzt. Die Vorschläge 
    der Kommission machen das Tor weit auf für die Ersetzung bestehender 
    unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse durch befristete Jobs; 
    der heute noch bestehende gesetzliche Druck, nach einer Anfangszeit die Befristung 
    aufzuheben, wird ausgehebelt.
- Mit der Schaffung globaler Produktionsketten ist ein globaler Konkurrenzdruck 
    entstanden, der von den Arbeitgeberverbänden dazu genutzt wird, in großem 
    Stil Lohnsenkungen durchzusetzen. Dabei kommt der Schaffung eines Niedriglohnsektors 
    (insbesondere im Bereich gering qualifizierte Beschäftigung) eine herausragende 
    Bedeutung zu. Im Rahmen der EU ist er ausdrücklich Bestandteil der Wirtschaftspolitischen 
    Orientierungen; dort heißt es schwarz auf weiß, daß gerade 
    die unteren Löhne und Gehälter "um 20 bis 30 Prozent gesenkt 
    werden" müssen. Die Stellungnahmen der Arbeitsgeberverbände 
    zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission betreffen auch in erster Linie 
    die Frage, inwieweit sie geeignet sind, dieser Zielmarke entgegenzukommen.
- Die angestrebte Umgestaltung der Bundesanstalt für Arbeit sieht vor, 
    daß die Beschäftigten nicht mehr nach BAT entlohnt werden. Ihre 
    Umwandlung in eine "Serviceagentur Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" 
    erweist sich als eine Umwandlung in ein privatwirtschaftlich geführtes 
    Unternehmen, unabhängig von der Frage der Eigentümerschaft. Dem 
    entspricht auch, daß Dienstpostenbeschreibungen und Dienstortbindung 
    nicht mehr der Beteiligung der Beschäftigten bzw. der Personalvertretungen 
    unterliegt. Wie bei Post und Bahn können die Beschäftigten künftig 
    "flexibel" bundesweit eingesetzt werden. Darüberhinaus sollen 
    mindestens 30.000 Arbeitsplätze bei der BA abgebaut werden.
- Die BA verwandelt sich aber nicht nur in eine nach privatwirtschaftlichen 
    Kriterien geführte Vermittlungsagentur; sie wird gleichzeitig zum privaten 
    Arbeitgeber oder beauftragt schon bestehende Leiharbeitsfirmen mit der Umsetzung 
    der Personal Service Agenturen (PSA), zu denen dann die Erwerbslosen vermittelt 
    werden. Die funktionale Einheit von Vermittlungsstelle und Arbeitgeber beinhaltet 
    gegenüber den Erwerbslosen ein starkes Moment des Zwangs, das das Recht 
    auf freie Berufswahl massiv einschränkt.
- Privatisiert wird aber auch der Schutz vor den Folgen der Erwerbslosigkeit. 
    Das ganze Konzept der Kommission geht von dem Ansatz aus, daß Erwerbslose 
    selbst schuld an ihrer Situation seien, wenn sie nicht bereit sind, zu jedem 
    Preis Arbeit anzunehmen. Die Kommission zementiert die neoliberale Glaubenslehre, 
    Arbeit sei genügend vorhanden, die Arbeitsuchenden seien nur nicht ausreichend 
    an den Arbeitsmarkt angepaßt. Nicht nur die Zahlen aus Ostdeutschland 
    widerlegen diese Behauptung, auch die Hartz-Kommission selbst gibt zu, daß 
    sie mit der drastischen Infragestellung des Rechts auf Leistungsbezugs die 
    Arbeitslosenzahlen höchstens halbieren kann. Die faktische Abschaffung 
    der Arbeitslosenhilfe und die drastische Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien 
    stellt eine Privatisierung des Risikos Erwerbslosigkeit dar.
- Attac verweist auch darauf, daß es die angeblich "zu hohen Soziallasten" 
    nicht gäbe, würden die öffentlichen Haushalte nicht durch Steuergeschenke 
    an Kapitalbesitzer geplündert. Allein die Aufhebung der Steuer auf Gewinne 
    aus Unternehmensveräußerungen reißt ein Loch derselben Größenordnung 
    wie es durch die Einsparungen auf Kosten der Erwerbslosen und BA-Beschäftigten 
    gefüllt werden soll (ca. 27 Mrd.).
Attac besteht darauf, daß Wirtschaft und Politik eine Verantwortung für 
  die Schaffung existenzsichernder, tariflich und sozial abgesicherter und unbefristeter 
  Arbeitsplätze tragen. Attac lehnt deshalb die Vorschläge der Hartz-Kommission 
  ab; sie taugen nicht zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit.
Im Rahmen der bundesweiten Aktionstag am 14.9. wird die AG Arbeit von Attac 
  zusammen mit dem Runden Tisch der Erwerbslosen und Sozialhilfebeziehenden, mit 
  Gewerkschaften und Beschäftigungsinitiativen am Friesenplatz ab 11h eine 
  Kundgebung durchführen: "Gemeinsam arbeiten, gemeinsam sich wehren 
   Hände weg von der Arbeitslosenhilfe!"
11.8.2002