letzte Änderung am 14.Mai 2003

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Offener Brief an die „Agenda 2010“-Gegner/innen in der SPD-Fraktion

Gegen die Abschaffung des Sozialstaates!
Gegen die „Agenda 2010“ sein, heißt, für eine soziale Gesellschaft sein!

Offener Brief an die „Agenda 2010“-Gegner/innen in der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages

Das Bundesjugendwerk der AWO unterstützt alle Gegner/innen des derzeitigen neoliberalen Kurses der Bundesregierung!
Mit diesem offenen Brief richten wir uns aber vor allem unterstützend an diejenigen, welche den Mut haben, sich innerhalb der SPD-Fraktion den unsozialen Tendenzen der geplanten „Agenda 2010“ entgegen zu stellen. Die „Agenda 2010“ ist nur das aktuellste Anzeichen der rot-grünen Bundesregierung, die neoliberale Politik fortzusetzen. Mitunter wird das Wort „Reform“ durch derartige Bestrebungen der Bundesregierung wieder ein Wort, welches, wenn es in der öffentlichen Debatte Verwendung findet, zuallererst die ärmeren Mitglieder der Gesellschaft in Angst verfallen lässt. Derartige Reformen haben nichts mit sozialdemokratisch-sozialistischen Grundwerten zu tun. Schon die Absicht, die Ergebnisse der „Hartz-Kommission“ umsetzen zu wollen, lässt sich mit sozial orientierter Politik nicht vereinbaren. All diese Versuche zeigen nur die Ratlosigkeit der parteipolitischen Elite, welcher zur Lösung gesellschaftlicher Probleme nur die Verlagerung von Repressionen auf die Ärmsten der Gesellschaft einfällt. Über eine Individualisierung der Problemzuschreibung wird z.B. durch die „Agenda 2010“, aber auch durch andere geplante Maßnahmen (S. Hartz-Konzept), das soziale Problem der Massenarbeitslosigkeit als individuelles Problem der Arbeitslosen dargestellt. Das ist ein Schlag ins Gesicht der gesellschaftlich Ausgegrenzten und hat nichts mit sozialdemokratischen Grundwerten zu tun. Eine Bundesregierung die am Arbeitsmythos und am Mythos der Vollbeschäftigung festhält, ohne menschenwürdige Arbeitsplätze anbieten zu können, macht sich unglaubwürdig. Es ist eine Farce, dass die Opfer der neoliberalen Modernisierung, die von Armut und Arbeitslosigkeit Betroffenen, diejenigen, die auf dem (Arbeits-)Markt nicht reüssieren, mit der Tatsache konfrontiert werden, dass von verantwortlichen politischen Akteuren ausgerechnet auf diese neoliberale Modernisierung gesetzt wird, um angeblich Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. In die regelmäßig wiederkehrenden Faulheitsdebatten reihen sich Hartz-Konzept und „Agenda 2010“ mühelos ein und versprechen, den angeblich „faulen“ Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger/innen zu zeigen, wo es lang geht! Hier wird der Erreger zur Medizin erkoren, die Ursache wird als Lösung präsentiert. „Agenda 2010“ wie auch „Hartz-Konzept“ laufen automatisch auf eine Ausweitung des sowieso schon existierenden Niedriglohnsektors hinaus. Dabei wird das in der Armutsforschung diskutierte Phänomen der „working poor“ schlichtweg ignoriert. Sollte es wirklich eine sozial(demokratisch)e Politik sein, wenn Leute zur Annahme von mehreren und egal welchen Jobs gezwungen werden, um dann trotzdem noch knapp über dem Existenzminimum zu leben? Soll diesen Menschen ein solches Job-Hopping und die damit verbundene Minderung ihrer Lebensqualität ­ und der ihrer Kinder - aufgebürdet werden, nur um die Arbeitslosenstatistiken und die damit verbundenen Ausgaben zu verringern? Gäbe es zu diesem Weg nicht sozialere Alternativen? Statt sich ­ wie es die sozialdemokratische Tradition gebietet ­ auf die Seite der Ärmeren und Schwächsten der Gesellschaft zu stellen, wird versucht, die gesellschaftlichen Probleme individuell zuzuschreiben und durch gesellschaftliche Umverteilung „von unten nach oben“ zu lösen. Die Bundesrepublik Deutschland gehört aber nach wie vor zu den reichsten Gesellschaften dieser Erde. Daher sollte gerade auch von einer rot-grünen Bundesregierung eine gesellschaftliche Umverteilung von „oben nach unten“ angegangen werden. Reichtum und Armut sind nur als Einheit zu sehen, sie bedingen sich gegenseitig. Die Einnahmenseite sollte in der sozialpolitischen Ausrichtung der Bundesregierung eine (stärkere) Rolle spielen. Würde ernsthaft über die Einführung von z.B. einer Vermögenssteuer und einer Steuer auf Spekulationsgewinne nachgedacht werden, könnte man sich den Sozialstaat in der bisherigen Form durchaus „leisten“. Wir vom Bundesjugendwerk der AWO fordern, dass Schluss gemacht wird mit der strukturellen Ausgrenzung und den Repressalien gegen die Ärmeren und Schwächeren dieser Gesellschaft, gegen Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger/innen und Menschen ohne deutschen Pass! Wir fordern eine Ende des Arbeitsmythos und des Mythos der Vollbeschäftigung!

Wir fordern die bisher widerständigen Mitglieder der Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag dazu auf, widerständig zu bleiben und sich nicht durch den parteiinternen Druck zum „Fraktionszwang“ einschüchtern bzw. zu falschen und unsozialen Kompromissen bewegen und erpressen zu lassen. Handeln Sie dem Grundgesetz folgend Ihrem Gewissen nach! Das sind Sie den Wählerinnen und Wählern und den ärmeren Mitgliedern unserer Gesellschaft schuldig!

BUNDESJUGENDWERK DER ARBEITERWOHLFAHRT Oppelner Str. 13053119 BONN

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