Bericht über die Protestkundgebung der Arbeitsloseninitiativen gegen das Sparpaket der Bundesregierung am 18.8.99 in Darmstadt:
Über 10.000 Arbeitslose in Darmstadt, über 30.000 im Einzugsgebiet. Noch regt sich recht wenig Protest gegen die geplanten Sozialkürzungen der Rot/Grünen-Regierung. Dies ist der Eindruck der bundesweit ersten Demonstration von Arbeitslosen gegen das Sparpaket.
Knapp 30 Leute marschierten am 18.8.99 um 10.00 Uhr zum örtlichen SPD-Büro, um ihren Unmut gegen die neue, in ihren Maßnahmen allerdings altbekannte, Regierung Luft zu machen. "Streichen bei den Reichen statt sparen bei den Armen!" war die am engagiertesten gerufene Parole vor dem SPD-Büro, welche durch die Redebeiträge von Heiko Koch und Helmut Angelbeck von der Gewerkschaftlichen Arbeitsloseninitiative Darmstadt (GALIDA) sowie Harald Rein vom Frankfurter Arbeitslosenzentrum (FALZ) inhaltlich untermauert wurde.
Ignoranz gegenüber den ausgearbeiteten Forderungen der Erwerbslosen hielt dagegen die SPD für angebracht. Eine abgeschlossene Tür und weit und breit kein Geschäftsführer oder Bundestagskandidat war die deutlichste Umsetzung des lokal beliebten SPD-Wahlkampfslogan "Ich bin für die Menschen da!".
Nachdem einige DemonstrantInnen das "S" am SPD-Kreisverbandsschild überklebt hatten, schritten wir zur spektakulärsten Tat des Tages. Unter dem Motto: Paßt bloß auf, wir könn(t)en auch anders!, bekamen die auf der Demonstration verteilten schwarzen Schaumstoffquader ihren eigentlichen Sinn und wurden, mit Wasser vollgesaugt, auf ein in roter Farbe teuflisch dargestelltes Schröder-Konterfei geworfen.
Die anwesenden Kinder waren von diesem spontanen Happening begeistert, der Einsatzleiter der Polizei entsetzt ("...jetzt leiten sie die Leute auch noch zu so was an...) und die DemonstrantInnen zumindestens so angetan, daß jeder und jede mal für ein persönliches Foto mit "Pflasterstein" posierte (weißt du noch, an der Startbahn West?).
Als dann schließlich zum Aufbruch gerufen wurde, kam dann doch noch einer.
Der örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete und gleichzeitig(!) DGB-Vorsitzender Walter Hoffmann. Solche Begegnungen sind durchaus kritisch, da es immer genauestens zu analysieren gilt, wer in diesem Moment zu einem spricht, der Kollege vom DGB oder ein Politiker der SPD. Er entschied sich wohl für die Rolle des Politikers, was letztendlich aber auch niemanden so richtig störte. Im nun einsetzenden Regen war die kleine Demonstrantengruppe nnämlich schon auf dem Weg ins nahegelegene Alternativcafe "Chaos". So wurden ausnahmsweise mal nicht die Arbeitslosen im Regen stehen gelassen.
Und was haben wir jetzt daraus gelernt?
Die nächsten Anstrengungen werden wir wohl in die Professionalisierung unserer Treffsicherheit legen. Die Schröder-Zielscheibe hatte nämlich trotz beachtlicher Größe kaum jemand getroffen.
Bastian Ripper, GALIDA