letzte Änderung am 24. Oktober 2003

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Demonstration am 20.10.03 in Bremen

Redebeitrag Erwerbslosengruppen / IG Metall und Solidarische Hilfe

Die Vertreter der Industrie und ihre Parteien wollen uns weismachen, unsere Marktwirtschaft würde Armut verhindern. Wir erleben es aber anders. Weil bisher entscheidender Widerstand ausgeblieben ist, schreiten sie zur völligen Demontage des Sozialstaats und schaffen Armut.

Jahrelang haben sie die Opfer der Marktwirtschaft, die Erwerbslosen , als faul diffamiert. Die regierenden Kräfte haben so eine Stimmung gegen die Erwerbslosen geschaffen. Die Menschen sollen nicht erkennen, dass ganz viele Unternehmen zur Zeit Arbeitsplätze vernichten. Dadurch steigt die Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig predigen sie Verzicht von allen - obwohl sich der gesellschaftliche Reichtum vermehrt hat.

Brecht schrieb dazu: ...

Reicher Mann und armer Mann
Standen da und sahn sich an
Und der Armee sagte bleich:
Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich.

Jeder Euro, den sie uns nehmen, ist ein zusätzlicher Euro für ihren Gewinn. Immer mehr Menschen sollen für Niedriglohn arbeiten - eine neue Bereicherungsquelle für die Unternehmer und schon bisher Reichen.

Am brutalsten trifft es heute (jetzt) die Menschen, die schon in Arbeitslosigkeit leben. Durch die Verschärfungen von Hatz I und Hartz II werden sie in die Klauen von Leiharbeitsfirmen getrieben. Wer für 5 oder 6 Euro brutto nicht arbeiten kann oder will, dem wird die Stütze vom Arbeitsamt gestrichen. Das ist aber weniger als Sozialhilfe. Die Arbeitsämter sind zu einem wahren Rausch bei der Verteilung von Sperrzeiten aufgelaufen.
Der Sinn dieser Maßnahmen liegt nicht in Pädagogik oder massenhaft unbesetzten Stellen. Der Sinn liegt einzig und allein darin den Lohn zu drücken, den Gewinn der Unternehmen zu mehren.

War die Sozialhilfe oder die Höhe der Arbeitsamtsleistung bisher ein Schutz vor Niedrigstlöhnen - Jetzt soll damit Schluss sein.

Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe führt zu weniger Geld als die bisherige Sozialhilfe. Mit dem verschärftem Druck - jede Arbeit anzunehmen - werden die Menschen trotz Arbeit in die Armut getrieben.

Die Angst vor der Zukunft soll vom Widerstand abhalten, die Menschen sollen den ganzen Tag in Sorge um ihre Existenz sein. Das soll sie an Gegenwehr hindern. Angst soll auch aufkommen bei denjenigen, die heute noch Arbeit haben. Deren Rechte und tariflich verbriefte Leistungen sollen ihnen genommen werden. Sklavenverleihfirmen ohne Betriebsräte sollen das Arbeitsleben bestimmen.

Wer seine Wohnung wegen Mietschulden zu verlieren drohte, konnte sich bisher an das Sozialamt wenden und in der Regel wurden die Mietschulden zum Erhalt der Wohnung übernommen.

Im neuen Gesetzentwurf heißt es:
Die Behörde kann die Mietschulden als Darlehen bezahlen, wenn der Verlust der Wohnung die Annahme einer konkret in Aussicht stehenden Arbeitsstelle verhindert.

Damit ist klaren denn je ausgesprochen: Eine Wohnung wird nur erhalten, wenn der Mensch als Rädchen im Getriebe der Wirtschaft gebraucht wird. Eine Wohnung nur, wenn der Mensch zum Profit machen gebraucht wird. Keine Arbeit - keine Wohnung. Dabei wissen wir, dass im Laufe dieser Wirtschaftskrise Hunderttausende ihre Arbeit verlieren, überall wird Arbeitsplatzvernichtung von den Konzernen betrieben. Immer mehr Menschen werden erwerbslos gemacht.

Drastischer und deutlicher kann kein Kritiker den Umbau durch die Agenda 2010 beschreiben als dieser Gesetzestext selbst.

Durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe werden zwei Millionen Menschen so im Einkommen beschränkt, dass sie unter die Armutsschwelle fallen,

Millionen werden mit ihren Familien vom Geld ihrer Angehörigen leben müssen.

Millionen werden gezwungen sein jeden Job zu machen auch wenn der Lohn zum Leben nicht reicht.

Milliarden werden sich dadurch auf den Konten der Reichen, der Unternehmen und auch der Arbeitsverleiher ansammeln.

Brecht ist aktueller denn je,

Doch wir werden nicht in den Chor der Modernisierer, der neoliberalen Parteiführer in Berlin einstimmen, wir werden dazu beitragen den Widerstand zu organisieren.

Unsere heutigen Demonstration sehen wir als weiteren Schritt, den Widerstand zu formieren.
Wir werden weiter mit allen Betroffenen Aktionen, Demonstrationen und Streiks durchführen bis die große neoliberale Koalition aus SPD, Grünen, CDU, FDP und PDS zu einer anderen Politik gezwungen wurde.



Abschrift

Bremer Nachrichten, 21.10.2003

 

IG Metall: Gefahr für Tarifautonomie

Demonstration in der Innenstadt

Von unserem Redakteur Horst Frey

"Es reicht! Alle gemeinsam gegen Sozialkahlschlag" – Dieser Spruch auf einem Transparent blieb gestern reines Wunschdenken: Lediglich 500 meist junge Leute, so die Polizei, fanden sich gestern zu einer Demonstration durch die Innenstadt zusammen. Der Zug startete um 17 Uhr am Hauptbahnhof und traf schließlich mit einstündiger Verspätung um 19 Uhr am Domshof ein.

Sowohl die Gruppe "Attac" als auch die PDS waren neben der IG Metall auf Transparenten erkennbar vertreten. Wiederholt hielt der Demonstrationszug an, es kam zu Verkehrsbehinderungen. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Domshof warnte Inge Lies-Bohlmann, zweite IG-Metall-Bevollmächtigte in Bremen, vor der Gefahr, die der Tarifautonomie drohe. Demnach sei eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes geplant. Durch sie könnten Einkommensverschlechterungen auf Betriebsebene ermöglicht werden, die bislang durch einen gültigen Flächentarifvertrag ausgeschlossen sind. Bereits vormittags hatten sich vor Tor 1 des Bremer Mercedes-Werks rund 150 Vertrauensleute der IG Metall nach einer Sitzung zu einer Demonstration versammelt, in der ebenfalls von der Gefährdung der Tarifautonomie die Rede war.


Zur Demonstration gegen den Sozialkahlschlag am 20.10.03 in Bremen ist noch einiges anzufügen. Plakatinhalt war:

"Es reicht!
Alle gemeinsam gegen Sozialkahlschlag
Wir fordern die umfassende Heranziehung der Unternehmergewinne und hohen Vermögen zur Finanzierung menschenwürdiger Lebensverhältnisse für alle

Bremer Bündnis gegen den Sozialkahlschlag

Die Bremer Tageszeitungen haben diese Aktion mit objektiven Berichten begleitet, die kleinere, die "Bremer Nachrichten", brachte sogar ein Bild der Demonstranten mit Schildern "Es reicht! Es ist genug für alle da, es muss nur anders verteilt werden" und "Skandalös Rüstungsetat frisst Sozialstaat" auf der Vorderseite. Im Mittelpunkt des Bildes war ein von attac erstellter Galgen, an dem als Toter der Sozialstaat hing.

Es waren deutlich mehr als 500 Demonstranten, ca. 800, trotz Herbstferien. Die Gruppen des Bündnisses gegen die Agenda 2010 hatten auch nicht alle ihrer Mitglieder mobilisieren können. Es gab aber Teilnehmer, die wohl zum erstenmal demonstrierten. Die Demonstranten hatten sehr viele Schilder, Transparente und Fahnen mitgebracht - seit Jahren gab es keine Demonstration mit einem so bunten und von Eigenbeiträgen geprägten Bild. Dadurch war es auch ein unübersehbarer und eindrucksvoller Zug.

Nicht richtig ist auch, dass "meist junge Leute" teilnahmen, es waren alle Generationen vertreten. Auch das ist etwas Neues, z.B. bei den Friedensdemonstrationen dieses Jahres waren überwiegend ältere dabei.

Der Aufruf der IG Metall ging tausendfach in die Betriebe, wurde jedoch nicht aufgegriffen. Aus einigen Betrieben waren nur kleine Delegationen gekommen. Die IGM hatte die Kundgebung propagiert und nur auf der Rückseite des Flugblatts ganz unten auf die Demonstration hingewiesen. Diese kam aber eine Stunde später an als geplant und da waren die IG-Metaller, die auf den Beginn der Kundgebung gewartet hatten, schon weg. Ver.di hatte zwar ihre Unterstützung geäußert, doch nicht mobilisiert.

Geredet haben die am Bündnis beteiligten Gruppierungen und zwar am Anfang, bei einem Stop in der Mitte und am Ende der Demonstration, deshalb die mit 2 Stunden lange Dauer des Umzuges und die erheblichen Verkehrsbehinderungen. Nach der Demonstration gab es noch ein Fest mit Büchertischen, Bildern von der Aktion und Erfahrungsaustausch.

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